Denkmal 1914 - 1918
(Baudenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes für Mecklenburg-Vorpommern)
Das Denkmal für die Gefallenen des
I. Weltkrieges 1914 - 1918
(Wolfgang Schimmel)
Bald nach Ende des I. Weltkrieges gab es verschiedene Bemühungen, die Gefallenen aus Neukalen und Umgebung zu ehren. So wurden 1922 zwei hölzerne Gedenktafeln zum ständigen Gedächtnis in der Kirche aufgehängt.
Ab 1925 gab es konkrete Bemühungen durch den Kriegerverein zur Aufstellung eines Ehrenmals für die gefallenen Helden des I. Weltkrieges. Der Vorsitzende des Kriegervereins, Dr. Hinneberg, machte damals den Vorschlag, einen Gedenkstein im Gartsbruch aufzustellen und eine Allee von der Straße nach Malchin zum Gartsbruch dahin anzulegen. Da Geldmittel in den Jahren nach der Inflation rar waren, sollte das Denkmal anfangs recht bescheiden ausfallen. Bei der Gasanstalt lagen damals mehrere große Findlinge. Sie schienen dem Kriegerverein für den geplanten Zweck gut geeignet. Auf Antrag beschloß die Stadtverordnetenversammlung am 11. 12.1925, daß diese Steine für das Kriegerdenkmal zur Verfügung gestellt werden. Der Lehrer Heinrich Kruse, bekannt für seine künstlerische Begabung, versuchte sich als Bildhauer an diesen Findlingen. Er wollte daraus eine geeignete Figur meißeln, gab jedoch bald auf.
Um 1929 wurde zur Beschaffung der nötigen Gelder eine Denkmalslotterie durchgeführt. Es gab auch zahlreiche Sammlungen und größere Spenden von Handwerksmeistern. Nun sollte es auch nicht mehr ein einfacher Gedenkstein, sondern etwas Besonderes sein. Die speziell gegründete Denkmalsgemeinschaft wurde vom Gendarmeriemeister August Hasselmann geleitet. Die Denkmalsgemeinschaft hatte immer noch vor, das Ehrenmal im Gartsbruch aufzustellen. Der Rat der Stadt brachte als Standort die sogenannte "Insel" in Vorschlag. Diese frühere Insel zwischen zwei Peenearmen war nach Abbruch der Wassermühle um 1800 und Verlandung des nördlichen Peenearms sowie des Mühlenteiches eine sumpfige Wiese geworden und diente der Rohrwerbung (Schilfgewinnung). Als um 1929 die Peene und der Hafen ausgebaggert wurden, legte man die Wiese durch Auffüllung mit der Modder trocken. Hier sollte schließlich das Denkmal seinen Platz finden und die Umgebung entsprechend angelegt werden.
Die Denkmalsgemeinschaft verfaßte einen Aufruf zur Gestaltung des Denkmals. In einem Geschäft am Markt waren bald verschiedene Entwürfe und Modelle zu sehen. Die Auswahl fiel auf den Vorschlag des Steinmetzmeisters Georg Berendt aus Neukalen.
Vorschläge zur Gestaltung des Denkmals
(anklicken)
Annonce aus dem "Neukalener Tageblatt" vom 12.3.1930
Annonce aus dem "Neukalener Tageblatt" vom 21.5.1930
Während Georg Berendt mit seinen Beschäftigten im Sommer 1930 mit der Errichtung des Denkmals begann, sorgte ein eigens geschaffenes "Baukommitte des Kriegerdenkmals" dafür, daß die notwendigen Erd- und Transportarbeiten durchgeführt, Grünflächen und Blumenrabatten angelegt sowie Bäume gepflanzt wurden.
Das Denkmal wurde aus vorgefertigten Blöcken aus Kunststein an Ort und Stelle aufgebaut. Die Inschrift "Vergiss mein Volk die treuen Toten nicht! 1914 - 1918" aus großen bronzenen Buchstaben auf der Vorderseite ist weithin sichtbar. An der linken und rechten Seite befindet sich jeweils eine gegossene Bronzetafel mit den Namen der Gefallenen. Die Krönung bildete ein 2,25 Meter hoher Adler. Als Material hatte die Firma Betonwerkstein - vom Bildhauer überarbeitet - verwendet. Dieser Adler war auf der Leipziger Messe ausgestellt und von der Denkmalsgemeinschaft gekauft worden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß diese nach einer Form gegossene Adlerdarstellung weiter auf keinem anderen Denkmal verwendet wurde, also einmalig nur in Neukalen vorkam.
Der Adler
Feierliche Grundsteinlegung des Denkmals
(links: August Hasselmann, rechts Bürgermeister Franz Ziegler)
Feierliche Grundsteinlegung
Die Denkmalsgemeinschaft bei der feierlichen Grundsteinlegung des Denkmals
Die Namen der Mitglieder der Denkmalsgemeinschaft auf dem oberen Foto
Die Denkmalsgemeinschaft bei der feierlichen Grundsteinlegung des Denkmals
Errichtung des Denkmals
Bei der Weihe des Denkmals am 19.10.1930 gab es einen gemeinsamen Ausmarsch der verschiedenen Vereine vom Markt zum Denkmalsplatz. Voran marschierte der Kriegerverein mit den Kriegerwiten, gefolgt vom Magistrat, der Schützenzunft, dem Gesangsverein usw. Mancher Neukalener Bürger mußte sich entscheiden, wo er sich einreihte, denn viele waren Mitglied in mehreren Vereinen.
Ausmarsch zur Denkmalseinweihung am 19. Oktober 1931
Die feierliche Enthüllung war verbunden mit Ansprachen des Bürgermeisters Ziegler, des Pastor Hohmann, des Vorsitzenden der Denkmalsgemeinschaft Hasselmann und anderer Persönlichkeiten. Gedichte sprachen Luise Wilken und Hans Schoknecht. Der Gesangverein unter Leitung des Lehrers Schmidt trug würdevoll zum Anlaß passende Lieder vor. Es war eine Feststunde, die den Teilnehmern noch lange in Erinnerung blieb.
Der Gesangverein "Liederkranz" mit seinem Leiter Robert Schmidt bei der Einweihung des Denkmals
Denkmalseinweihung
Denkmal 1914 - 1918
Auf den beiden Tafeln am Denkmal sind die Namen der Gefallenen verzeichnet.
Das Denkmal 1914 - 1918 (Aufnahme von 1979)
1931 beschaffte man Bäume zur Bepflanzung des Denkmalplatzes, u. a. auch 30 rotblühende Kastanien. Die Birken am Peeneufer des Kriegerdenkmalplatzes pflanzte 1933 Hermann Iben - der spätere Bürgermeister nach 1945 - im Rahmen von Notstandsarbeiten.
Während der Zeit des II. Weltkrieges verwahrloste der Platz. Nach dem Einmarsch der Roten Armee forderten deutsche Kommunisten, die das Sagen im Rathaus hatten, von Georg Berendt und seinem Sohn Heinrich Berendt die Entfernung des Adlers. Aus Angst vor Schwierigkeiten schlichen beide nachts in den Park, schlugen den Adler in Stücke und versenkten alles in der nahen Peene. Eine unversehrte Abnahme des gesamten Adlers war ihnen leider unter diesen Bedingungen nicht möglich.
Abschließend noch einige Angaben zum Erbauer dieses Denkmals:
Georg Behrendt wurde am 12.12.1886 in Berlin - Tempelhof geboren. Sein Vater, Hermann Behrendt, war in den Jahren um 1910 auf Grund einer Krankeit mehrmals zu Kuraufenthalten aus dem thüringischen Schmalkalden nach Neukalen gekommen. Die Luftveränderung wirkte sich auf seinen Gesundheitszustand sehr positiv aus. Verschiedentlich nahm er den Sohn nach Neukalen mit.
In der Dargunerstraße, nahe beim Friedhof, hatte 1905 der Steinmetzmeister Richard Schoepfer ein Haus erbaut und ein Geschäft eröffnet.
Als 1912 dieses Haus verkauft werden sollte, nahm Hermann Behrendt die Gelegenheit wahr und erwarb Haus und Geschäft für seinen Sohn, der ebenfalls den Beruf eines Steinmetzen erlernt hatte. 1912 zog die Familie Behrendt nach Neukalen. Am 24.5.1913 wurden Hermann und Georg Behrendt Mitglied der Neukalener Schützenzunft.
Steinmetz Georg Behrendt lernte in Neukalen seine spätere Frau kennen und gründete eine Familie. Bald übernahm er das Geschäft von seinem Vater. Am 8.1.1912 war er Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr geworden, der er ab 16.10.1939 auch als Leiter vorstand.
Steinmetzmeister Georg Behrendt verstarb am 12.10.1971 im gesegneten Alter von 84 Jahren. Das Steinmetzgeschäft führten sein Sohn Heinrich Behrendt und gegenwärtig sein Enkelsohn Fritz-Gerhard Behrendt fort.
Wohnhaus und Geschäft des Steinmetzmeisters Georg Behrendt an der Darguner Straße (um 1920)
Wohnhaus und Geschäft des Steinmetzmeisters Georg Behrendt an der Darguner Straße (um 1930)
Der Schöpfer des Kriegerdenkmals
Steinmetzmeister Georg Behrendt
mit seiner Frau und den beiden Kindern um 1922
Das Denkmal für die Gefallenen des I. Weltkrieges
(Foto von 1993)
Etwa 1958 wurde der Park neu gestaltet, in den folgenden Jahren mehr oder weniger gepflegt und schließlich vor einiger Zeit durch ABM - Kräfte erneut in Schuß gebracht.
Die Form, in welche der Adler 1930 gegossen wurde, existiert noch, ebenso die Firma. Jedoch scheiterte die Anschaffung eines neuen authentischen Adlers an den hohen Kosten. 2007 setzten sich mehrer Bürger unserer Stadt, u.a. Schmiedemeister Günter Brinkmann, Lothar Wutschke, Wilfried Schober, René Birr, Daniel Herbst, Bernd Lucka und Andreas Ulbricht, dafür ein, daß das Denkmal wieder von einem Adler gekrönt wird. Er ist zwar etwas kleiner, gibt dem Denkmal aber ein würdevolles Ansehen.
Ansprache zur Wiedereinweihung des Kriegerdenkmals
in Neukalen zum Volkstrauertag 2006
Pastor Johannes Höpfner
"Liebe Anwesende, liebe Bürgerinnen und Bürger von Neukalen!
Ein Adler ist nun wieder auf dem Denkmal für die Gefallenen. Nach 61 Jahren. Der erste Adler war nur etwa 15 Jahre auf dem Denkmal, dann haben ihn russische Soldaten in der Peene versenkt. Nun stand das Denkmal 61 Jahre ohne Adler, jetzt ist er, wenn auch etwas kleiner, zurückgekehrt. Warum ein Adler? Was mag die damaligen Gestalter dazu bewogen haben, mit einem Adler dieses Denkmal für die Gefallenen des Krieges zu bekrönen. Was mag die Bürger heute dazu bewogen haben, dieses Denkmal wieder zu bekrönen mit diesem Vogel? Sicher, nun ist es wieder komplett, das Denkmal, es ist etwas wieder hergestellt, was zerstört war. Zerstörtes Kulturgut wieder heil zu machen, das erlebten und erleben wir jetzt nach der Wende oft. Prominentes Beispiel aus der jüngsten Zeit ist die Frauenkirche in Dresden. Und nun auch der Adler in Neukalen. Ist es vielleicht ein Zeichen dafür, dass die Wunden langsam zuheilen, die die Nazizeit und der zweite Weltkrieg in unser Nationalempfinden, in unser Heimatgefühl gerissen hat? Die gelungene Fußballweltmeisterschaft in unserem Land, der ganz neu aufkeimende, weltoffene aber dennoch deutsche Patriotismus, mit dem Slogan: „Die Welt zu Gast bei Freunden“ könnte ebenso ein Zeichen dafür sein, dass ein solcher Patriotismus gelingen kann, dass er auskommen kann, ohne Anfeindungen gegenüber Fremden, ohne Hass und Gewalt. Aber ich denke, hier ist noch mehr geschehen, hier in Neukalen ist mit der Rückkehr des Adlers auf dieses Denkmal etwas zusammengekommen, ganz neu zusammengekommen, was vor 76 Jahren bei der Ersteinweihung des Denkmals noch nicht dabei war: Die Zeit, die dazwischen lag, das was geschehen ist in der Zwischenzeit: Sie wissen es selbst: die Nazizeit, der 2. Weltkrieg, die vielen Millionen Opfer von Hass und Meschenverachtung, die es gegeben hat, das ist damals von den Deutschen ausgegangen und hat sie wieder eingeholt, Vertreibung und Gewalt an Deutschen hat es in der Folge ebenso gegeben. Es hat keinen Sinn, hier etwas gegeneinander aufzurechnen, aber Ursache und Wirkung sollte man dennoch gut unterscheiden. Und wir brauchen uns als Deutsche auch gar keiner Illusion hinzugeben, dass das irgendwann einmal vergessen sein wird: Ich bin mir sicher, dass auch noch in tausend Jahren von der Judenvernichtung und den anderen Verbrechen des Naziregimes und des Zweiten Weltkrieges zu lesen sein wird, dass darüber gesprochen werden wird.
Danach kam die DDR-Zeit, ein Opfergedenken hat hier nur zu Zwecken der herrschenden Ideologie stattgefunden, die vielen Opfer unter Deutschen, besonders die, die durch die Gewalt der Soldaten der Roten Armee gefoltert und ermordet wurden, durften nicht einmal erwähnt werden.
Dann kam die Wende, auch in dieser Hinsicht, und ich denke, die Friedlichkeit des Endes dieses Regimes, an dem beide Seiten ihren Anteil hatten, sowohl die Demonstranten des Herbstes 1989 als auch die staatlichen und militärischen Verantwortungsträger in dieser Zeit. Und ich denke, mit dieser Gewaltfreiheit mit der das passiert ist, ist auch etwas mit unserem Nationalgefühl passiert. Es ist etwas hinzugekommen, das wir selbst mit Gottes Hilfe bewerkstelligt haben, worauf wir wirklich stolz sein können. Und daran haben vor allem wir Ostdeutschen den entscheidenden Anteil, was sich auf das ganze Land ausgewirkt hat. Nun liegen also nicht nur zwei Generationen dazwischen, sondern es liegt dazu noch dies und vieles andere Gute dazwischen, zwischen der Zeit, als unser Volk großes Unheil angerichtet hat und der Gegenwart. Und das zeigt: Wir haben die Opfer nicht vergessen, weder die, die der Gewalt, die von unserem Land ausgegangen ist, noch die, die unser Volk in Folge dessen bringen musste. Wir haben sie nicht vergessen. Und das finde ich gar nicht erbärmlich. Und so kann das Symbol, das über Jahrhunderte das Erkennungszeichen der deutschen Nation ist, auch auf dieses Denkmal für die Opfer von Krieg und Gewalt zurückkehren. Wir bringen den Opfern ihren Adler zurück. Der Adler, ein Symbol der Unsterblichkeit, des Mutes, des Weitblickes und der Kraft. Er gilt als König der Lüfte und Bote der höchsten Götter. Der Adler gilt als der Vogel, der am höchsten fliegen kann, er ist der Sonne am nächsten. Nach altem Glauben blickt er beim Auffliegen direkt in die Sonne, weshalb er auch ein Sinnbild für den Aufstieg in den Himmel und die Erlösung der Seele ist. Schon seit Friedrich I. Barbarossa, also seit dem 12. Jahrhundert ist er das Wappentier der deutschen Nation, für die die Menschen, für die dieses Denkmal errichtet wurde, ihr Leben ließen. Mit der Rückkehr des Adlers auf dieses Denkmal wird nicht nur dieses Denkmal wieder komplett, sondern wir geben diesen Opfern ein Stück ihrer Würde zurück und wir gehen ihnen gegenüber eine besondere Verpflichtung ein: Mit Weitblick, Mut und Kraft für die Zukunft unseres Landes und unserer Stadt zu sorgen, dafür zu sorgen, dass wir ohne Gewalt, ohne Mord und Totschlag, sondern mit Friedfertigkeit und Gerechtigkeit unser Zusammenleben in dieser Stadt, in diesem Land und in unserer Welt gestalten. Und wir sind angehalten mit dem Adler in die Sonne zu blicken, in das Licht zu dem, der über uns ist, zu Gott der unser Denken und Handeln ansieht und uns Weitblick, Mut und Kraft verleihen will, diesem hohen Anspruch gerecht zu werden. Möge Gott uns das gelingen lassen.
Zum Denkmal gewandt:
So sei nun dieses Denkmal wieder eingeweiht, so wie wir es vor uns sehen, mit diesen Inschriften und mit dem Adler. Hiermit sei es nun seiner Bestimmung übergeben, den Opfern zum Gedenken und zur Würdigung, und uns zur Mahnung zum Frieden. Amen."