Zur Geschichte der Neukalener Ziegelei (3)
Wolfgang Schimmel
Zieglermeister Wolff
Nach dem Ableben des Zieglers Wilhelm Benduhn, verkaufte seine Witwe Amalie Benduhn, geb. Burmeister, das Ziegeleigrundstück sowie die dazugehörenden Ackerstücke am 1. April 1887 an den Zieglermeister Christian Wolff aus Schwaan für 4400 Mark.
Ziegler Wolff erwarb einen Teil der nördlich vom Ziegeleigelände gelegenen Ackerstücke von der Stadt. Auf dieser Fläche von 56 Quadratruten erbaute er ein Wohnhaus mit Stallungen. Es ist heute noch vorhanden und bewohnt.
Zieglermeister Heinrich Wolff
(in Uniform der Schützenzunft)
Als der Ziegler Christian Wolff Anfang des Jahres 1900 starb, wurde das Ziegeleigrundstück von den Erben an den Sohn und Miterben Ziegler Heinrich Wolff verkauft. Den benötigten Ton grub man aus einer Grube am Waldrand in unmittelbarer Nähe der “Töpferkuhle” (östlich der späteren Tonkuhle, die heute auch zum Baden benutzt wird). Der Ton wurde mit Pferd und Wagen durch den alten Hohlweg zur Ziegelei gebracht. Die Steine fertigte man wie eh und je mit der Hand in Formen und brannte sie in einem kleinen Ringofen. Auf der Ziegelei waren zu dieser Zeit etwa zehn bis zwölf Männer beschäftigt.
Heinrich Wolff war wohl nicht geschäftstüchtig genug. Er machte viele Schulden und schließlich Pleite, so daß es 1906 zu einer Zwangsversteigerung kam:
“Zwangsversteigerung.
Im Wege der Zwangsvollstzreckung soll das auf der Feldmark Neukalen belegene, im Grundbuche von Neukalen Blatt 2517 zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerkes auf den Namen des Zieglermeisters Heinrich Wolff eingetragene Grundstück, Ackerstück im Salemerschlage Nr. 2580 (Flurbuch - Abtlg I)
am 28. Mai 1906
vormittags 10 Uhr,
durch das unterzeichnete Gericht an der Gerichtsstelle versteigert werden.
Das Grundstück ist 26 Ar, 88 Quadratmeter groß.
Der Versteigerungsvermerk ist am 31. März 1906 in das Grundbuch eingetragen.
Es ergeht die Aufforderung, Rechte, soweit sie zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerkes aus dem Grundbuche nicht ersichtlich waren, spätestens im Versteigerungstermine vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten anzumelden und, wenn der Gläubiger widerspricht, glaubhaft zu machen, widrigenfalls sie bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt und bei der Verteilung des Versteigerungserlöses dem Anspruche des Gläubigers und den übrigen Rechten nachgesetzt werden.
Diejenigen, welche ein der Versteigerung entgegenstehendes Recht haben, werden aufgefordert, vor der Erteilung des Zuschlags die Aufhebung oder einstweilige Einstellung des Verfahrens herbeizuführen, widrigenfalls für das Recht der Versteigerungserlös an die Stelle des versteigerten Gegenstandes tritt.
Neukalen, 4. April 1906. Großherzogliches Amtsgericht.”
Zieglermeister Albrecht
Die Versteigerung fand Anfang Juni 1906 statt. Im “Malchiner Generalanzeiger” war zu lesen:
“Neukalen. 11.6. Dieser Tage ging die hiesige Ziegelei durch Kauf in den Besitz des bisherigen Betriebsleiters der Klenzer Dampfziegelei, Herrn Zieglermeister Albrecht über. Die Ziegelei soll einen Taxwert von 80 000 Mark haben.”
Bäckermeister Rudolf Brinckmann und ein Herr Marquardt hatten bei der Versteigerung den Zieglermeister Albrecht geldlich unterstützt und wurden so zu Mitbesitzer der Ziegelei. Die Anteile von Marquardt übernahm später der Kaufmann Paul Losehand. Der vorherige Zieglermeister Heinrich Wolff zog Anfang 1906 aus Neukalen fort.
Am 11.3.1907 begann man mit der Verlegung eines Feldbahngleises durch die städtische Forst bis zur Tongrube. Die Ziegeleibesitzer mußten jährlich 75 Mark für die Benutzung des Bodens bezahlen. Im Sommer 1907 begann der Transport des Tons über den Schienenweg. Die Wagen wurden von Mauleseln gezogen. Die Ziegelfertigung konnte nun auf Maschinenbetrieb umgestellt werden. Eine Lokomobile, welche mitsamt dem Heizer Hohnspeen aus Schleswig - Holstein gekauft worden war, trieb eine Presse. Die Produktion stieg enorm. Weitere Aktionäre beteiligten sich finanziell am Aufbau des Ziegeleibetriebes, so Maurermeister Lange und Töpfermeister Schulz. Einige Jahre später verkauften die Eigentümer die Ziegelei an Herrn Olms. Zunächst blieb Albrecht noch Miteigentümer, später war Olms der alleinige Eigentümer.
Neukalener Dampfziegelei, Briefkopf 1912
Am 3.6.1914 ging beim Magistrat folgendes Schreiben ein:
“An den verehrlichten Magistrat und Bürgerausschuß in Neukalen.
Die unterfertigte Dampfziegelei erlaubt sich, dem verehrlichen Magistrat und Bürger - Ausschuß, Folgendes zur geneigten Berücksichtigung zu unterbreiten. Durch die Neuanschaffung von größeren Maschinen sind wir in der Lage täglich 18 - 20 000 Mauersteine herzustellen, dieses ist uns jedoch durch den weiten Transport des Tons auf einem Geleise nicht möglich. Wir müssen daher bei jedem Zuge ca 8 - 10 Minuten auf Ton warten, und die Dampfmaschine mit vollem Dampf anhalten. Da wir täglich 16, im günstigsten Falle bei sehr gutem Wetter 18 Züge fahren; wir benötigen aber, um die Maschinen voll auszunutzen ca 22 Züge Ton. Ein Zug gibt ca 900 Steine, sodaß uns täglich ein Verlust von ca 4000 Steine entsteht. Unsere ergebene Bitte geht nun dahin, uns die Erlaubnis zu erteilen, eine Weiche im Holz anlegen zu dürfen. Die Weiche müßte gleich vor der Tongrube im Gehölz liegen, wozu ca 1 Quadratrute Land erforderlich ist, auf dem 5 - 6 schwache Buchen abgeforstet werden müßten.
Wir bitten, die Sache als Eilsache behandeln zu wollen, da wir die Weiche auch erst schicken lassen müssen, womit auch noch einige Zeit hingeht.
Wir geben uns der angenehmen Hoffnung hin, keine Fehlbitte getan zu haben.
Neukalener Dampfziegelei
Olms & Albrecht”
Der Antrag wurde genehmigt.
Zieglermeister August Kosser
1919 kaufte August Kosser von Olms die Ziegelei. 1922 pachtete er eine Fläche im Stadtwald zum Abbau von Ton (diese Grube wurde später als Müllkippe genutzt). Der Vertragsentwurf lautete:
§ 1.
Die Stadt Neukalen tritt an Herrn Kosser tonhaltiges Gelände, belegen im Stadtholz rechts der Malchiner Chaussee, in Größe von 1 - einem - Morgen Land zum Zwecke der Ausbeutung ab.
§ 2.
Herr Kosser zahlt für jede abgetretene cRuthe Landes 80 - achtzig - Mark.
§ 3.
Nach Ausbeutung des Geländes hat Herr Kosser dasselbe wieder einzuebnen und spätestens nach 20 Jahren an die Stadt wieder zurückzugeben.
Die Ausbeutungsdauer beträgt 20 Jahre.
§ 4.
Herr Kosser verpflichtet sich, die Einwohner hiesiger Stadt bevorzugt mit Mauersteinen zu beliefern, und, soweit ihm dies irgend möglich, nur Neukalener Einwohner sowohl bei der Ausbeutung des Geländes als auch in seinem Ziegeleibetrieb zu beschäftigen.
§ 5.
Für das nach dem auszubeutenden Gelände zu legende Feldbahngleis zahlt Herr Kosser an die Stadt im Voraus eine jährliche Pacht von 3 - drei - Mark für die cRuthe.
Das Gelände für die Schienenführung ist nach Pachtablauf eingeebnet an die Stadt wieder zurückzugeben.
§ 6.
Die Zahlung für das abgetretene Gelände erfolgt zur Hälfte sofort nach Anweisung desselben, zur Hälfte nach weiteren 6 Monaten.
§ 7.
Sobald Herr Kosser gegen diesen Vertrag verstößt, hat er das Gelände nach 3monatiger Kündigung ohne Rechtsanspruch eingeebnet an die Stadt wieder zurückzugeben.
Der Rat
Neukalen, den 15ten März 1922
Dr. Lorenz Pegler”
[1 Morgen = 120 cRuthen (Quadratruten) = 2500 m2]
Briefkopf A. & L. Kosser
Skizze von August Kosser zur weiteren Nutzung
der alten Tongrube 1921 (Nachzeichnung)
Neukalener Dampfziegelei, Briefkopf 1921
Zeichnung zur Vermessung der neuen Lehmgrube 17.5.1922
Am 17.5.1922 wurde die Fläche der Ziegelei zur Ausbeutung übergeben und mit der Verlegung des Schienenstranges und Nutzung begonnen.
Der Schienenstrang zur alten Tongrube blieb vorerst noch liegen. Bereits ein Jahr später bat Ziegeleibesitzer Kosser, die Abbaufläche vergrößern zu dürfen.
Aus den städtischen Akten dieser Zeit ersieht man, daß die Inflationszeit den wirtschaftlichen Aufschwung der Ziegelei stark hemmte. In der Mitte der zwanziger Jahre geriet August Kosser immer weiter in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Diese konnten dadurch beseitigt werden, daß sich 1926 der Neukalener Maurermeister Hermann Lange und der Neukalener Töpfermeister und Sägereibesitzer Robert Schulz jeweils mit einer Einlage von 8000 Reichsmark an der Ziegelei beteiligten. Ferner wurde zu Gunsten des Bruders von August Kosser - Ernst Kosser - eine Hypothek von 20000 Reichsmark eingetragen. Als Geschäftsführerin der Firma wurde für mehrere Monate, möglicherweise sogar über ein Jahr, die Tochter von Ernst Kosser, Grete, eingesetzt. Ernst Kosser war ein wohlhabender Möbelfabrikant in Berlin. Die Firma firmierte jetzt unter dem Namen A. und L. Kosser (August und Lisbeth Kosser - Lisbeth war die Ehefrau des Ernst Kosser). Die Geschäfte liefen unter Leitung der Geschäftsführerin Grete Kosser recht gut und der Ziegeleibetrieb konnte weiter vergrößert werden.
Zeichnung von Heinz Kosser um 1925
Die Dampfziegelei Neukalen von Osten gesehen. Rechts: Das Wohnhaus (linkes Fenster: Büro, dann Tür zum Garten; folgende zwei Fenster: Eßzimmer; zwei Fenster rechts: Schlafzimmer; zwei Fenster im Giebel: Zimmer für zwei Kinder). Die Brücke führt zum Brennofen (links von der Brücke). Über diese Brücke wurden die Schubkarren vom Kohlenlagerplatz von den Brennern zum Brennofen gekarrt. Mit der Leiter (links) konnte man ebenfalls zum Brennofen gelangen. Hinter dem Brennofen ist der Schornstein für die Dampfmaschine im Maschinenhaus zu sehen. Ganz links: Trockenschuppen. Hier wurden die geformten Lehmziegel vor dem Brennvorgang getrocknet.
Zeichnung von Heinz Kosser um 1925
Ganz rechts: Die Scheune mit Pferdeställen (teilweise bis zu acht Pferde), davor die Wagenremise. Zwischen Scheune und Wohnhaus (getrennt durch einen Fahrweg) befanden sich die Kuh- und Schweineställe. Rechts vom Wohnhaus: Brücke und Aufgang (durch Leiter) zum Brennofen. Der Weg von unten links führt am Brennofen vorbei zum Maschinenhaus mit Schornstein. Der große Schornstein gehört zum Brennofen. Unten links: Schubkarre, mit der die Kohlen für den Brennofen schräg nach oben über die Brücke von den Brennern zum Brennofen gefahren wurde. Links das Wohnhaus mit der später angebauten Gartenlaube und einem Baum, der auf dem Hof vor dem Küchenfenster stand.
“Neukalen, den 13. Juli 1927.
An den Rat der Stadt.
Wir beabsichtigen, die hiesige Ziegelei durch einen Trockenofen und Aufstellen einer zweiten Presse zu vergrößern. Vorher möchten wir jedoch die Tonfrage gelöst haben. Wir sind bereit in den seinerzeit für Herrn Kosser entworfenen Vertrag einzutreten, möchten jedoch, um möglichst wenig Gelände zu brauchen, die Tongrube auf mindestens 18 - 20 m ausnutzen. Zu diesem Zwecke muß die Grube tiefer, etwa vom sogenannten Kirschbaumweg, angeschnitten werden, da sonst das Wasser nicht abzuleiten ist.
Wir bitten daher um die Genehmigung den Strang durch die junge Anpflanzung legen zu dürfen und uns dieses Gelände pachtweise zu überlassen.
Hochachtungsvoll
Neukalener Dampfziegelei
Aug. Kosser - Kommanditgesellschaft
H. Lange A. Kosser Schulz
Neukalen i. M. Tel. 43”
Dieser Antrag wurde nach einer gemeinsamen Besichtigung am 30.7.1927 genehmigt.
Kartenskizze zur Anlage einer neuen Tongrube
Oktober 1927
Im Januar 1928 wurde die Tongrube um 7500 m2 vergrößert. Das Gelände sollte Eigentum der Stadt bleiben, während der Dampfziegelei lediglich das Recht des Tonabbaus zustand. Folgender Vertrag wurde abgeschlossen:
"Zwischen der Stadt Neukalen, vertreten durch den Rat der Stadt Neukalen, einerseits, und der Neukalener Dampfziegelei, Kommanditgesellschaft, zu Neukalen, andererseits, ist hinsichtlich der Ausbeutung von Gelände im Stadtwalde, rechts der Malchiner - Chaussee zur Tongewinnung zwecks Herstellung von Ziegeleierzeugnisse heute der nachstehende Vertrag geschlossen:
§ 1.
In Grundlage des Vertrages vom 22. April 1922, der im übrigen durch diesen Vertrag aufgehoben wird, überläßt die Stadt Neukalen an die Neukalener Dampfziegelei ein Gelände, belegen im Stadtholze rechts der Malchiner - Chaussee in Größe bis zu 3 - drei - Morgen Land zum Zwecke der Ausbeutung von Ton. Das Gelände bleibt Eigentum der Stadt Neukalen und hat die Dampfziegelei lediglich das Recht, dasselbe zur Ausbeutung von Ton zu benutzen.
§ 2.
Für das der Ziegelei durch Vertrag vom 22. April 1922 überlassene Gelände in Größe von 1 - einem - Morgen zahlt die Ziegelei noch nachträglich den Betrag von 138 - Einhundertachtunddreißig - Reichsmark. Für das von der Ziegelei bereits weiter in Benutzung genommene Gelände von 39,50 Quadratruten hat die Ziegelei weiterhin nachträglich 8000 Stück hier gefertigter Mauersteine erster Qualität an die Stadt Neukalen zu liefern bezw. auf Verlangen der Stadt diese Lieferung durch Zahlung einer Geldsumme von 320 - Dreihundertzwanzig - Reichsmark abzulösen.
§ 3.
Für die weitere Ausbeutung des Geländes bis zu 3 - drei - Morgen hat die Ziegelei für 1000 gelieferte Steine ein Grundgeld von 0,30 RM für die Zeit vom 1. Januar 1928 bis zum 31. Dezember 1930, ein Grundgeld von 0,40 RM für die Zeit vom 1. Januar 1931 bis zum 31. Dz. 1931 und ein Grundgeld von 0,50 RM für die Zeit vom 1. Januar 1932 bis zum 31. Dezember 1932 zu zahlen. Vom 1. Januar 1933 aber ist ein Grundgeld zu entrichten, dessen Höhe sich danach richtet, wie hoch das Tausend der Mauersteine bezahlt wird. Zu Grunde gelegt wird ein Grundgeld von 0,50 RM bei einem Preis von 40 RM pro Tausend Steine. Das Grundgeld darf jedoch nicht unter 0,30 RM pro Tausend Steine herabsinken. Die Bezahlung des Grundgeldes hat vierteljährlich postnumerando zu erfolgen.
§ 4.
Für das nach dem auszubeutenden Gelände jetzt vorhandene Feldbahngleis, welches 62,60 Quadratruten Gelände beansprucht, schuldet die Ziegelei noch jetzt die Pacht vom 1. Oktober 1926 ab. Dieselbe beträgt 0,50 RM für jede Quadratrute und ist künftighin jährlich im Voraus am 1. Oktober jeden Jahres zu zahlen. Bei Wegnahme des Geleises hat die Ziegelei für ordnungsgemäße Instandsetzung des Geländes zu sorgen.
§ 5.
Für den von der Ziegelei neu anzulegenden Zufahrtsweg zur Tongrube, der ein Gelände von ... Quadratruten beansprucht, hat die Ziegelei für je 1000 gelieferte Steine ein Grundgeld nach Maßgabe der im § 3 aufgeführten Bedingungen zu zahlen. Die Ziegelei ist weiterhin verpflichtet, die von dem anzulegenden Zufahrtsweg durchschnittenen Ackerstücke in Pacht zu nehmen und den hierfür bisher gezahlten Pachtzins an die Stadt zu entrichten. Die Ziegelei hat die durch die Verpflanzung der vom Zufahrtsweg betroffenen Kulturen der Stadt entstehenden Unkosten zu ersetzen. Die Ziegelei hat für eine ordnungsgemäße Einfriedigung des Zufahrtsweges, soweit dies zur Vermeidung von Unglücksfällen notwendig ist, Sorge zu tragen. Auch ist der Zufahrtsweg, soweit durch denselben Wege unterbrochen werden, zu überbrücken. Mit Aufhebung dieses Vertrages ist der Zufahrtsweg, soweit er Acker durchschneidet, eingeebnet an die Stadt zurückzugeben; im übrigen ist das Gelände im Zufahrtsweg selbst einzuebnen.
§ 6.
Die Ausbeutung des Geländes wird der Ziegelei seitens der Stadt belassen, solange Erde zur Verarbeitung von Ziegelsteinen vorhanden ist. Sollte eine Ausbeutung des Geländes infolge mangels an Tonerde unmöglich werden, so ist die Ziegelei berechtigt, das Gelände an die Stadt zurückzugeben, nachdem dasselbe zuvor eingeebnet und mit Muttererde versehen ist. Für eine ordnungsgemäße Entwässerung der Tongrube und des Zufahrtsweges hat die Ziegelei Sorge zu tragen.
§ 7.
Die Ziegelei verpflichtet sich, die Einwohner hiesiger Stadt bevorzugt mit Mauersteinen zu beliefern, und, in erster Linie nur Neukalener Einwohner sowohl bei Ausbeutung des Geländes als auch in ihrem Ziegeleibetriebe zu beschäftigen.
§ 8.
Sollte die Ziegelei in der jetzigen Rechtsform aufhören zu bestehen, so tritt die Rechtsnachfolgerin, gleichgültig ob die Rechtsnachfolge auf Vertrag oder Gesetz beruhen wird, allen Inhalts in diesen Vertrag ein.
§ 9.
Eine Kündigung des Vertrages, abgesehen von der Vorschrift des § 6, ist nur mit halbjähriger Kündigungsfrist zum 1. Oktober eines Jahres möglich. Mit Auflösung des Vertrages ist das Gelände eingeebnet und mit Muttererde versehen an die Stadt zurückzugeben, insbesondere hat die Tongrube und der Zufahrtsweg frei von Wasser zu sein.
§ 10.
Für alle sich aus diesem Vertrage ergebenden Streitigkeiten ist ausschließlich das Amtsgericht in Dargun zuständig.
So geschehen zu Neukalen, am 20. Januar 1928
Für die Stadt Neukalen:
Der Rat der Stadt Neukalen
Ziegler
Für die Neukalener Dampfziegelei, Kommanditgesellschaft, in Neukalen:
A Kosser H. Lange R. Schulz"
Die Stadt stellte laut Vertrag erhebliche Pachtforderungen. Das mag neben anderen Ursachen dazu geführt haben, daß Ziegeleibesitzer Kosser und Töpfermeister Schulz am 24. Februar 1928 erklärten: “Die Ziegelei ist augenblicklich nicht in der Lage die von ihr geforderten rückständigen Beträge für Pacht usw. zu zahlen. Die ausstehenden Geldforderungen reichen, soweit sie hereinkommen, kaum aus, die laufenden Löhne und Ausgaben zu bestreiten. Wir bitten daher, uns die rückständigen Beträge bis zum 1. Juni d. Js. gegen Berechnung von Verzugszinsen zum Reichsbankdiskontsatz zu stunden.”
Der Rat blieb hart. Als die erste Hälfte der rückständigen Pacht zum 1.4.1928 nicht bezahlt war, pfändete der Ratsdiener R. W. Kasch am 3.4.1928 eine Kuh, ein Ponny sowie ein Schaf, welche öffentlich meistbietend verkauft wurden.
1928 fabrizierte man 1 420 000 Mauersteine und 5000 Drains; 1929 waren es 1 302 000 Mauersteine. Trotz dieser guten Produktion gab es weiterhin Schwierigkeiten mit der Bezahlung ausstehender Gebühren und Kosten.
Am 16. September 1929 brannten in der Nacht die Ziegeleigebäude ab. In den Unterlagen der Feuerwehr findet sich folgende Eintragung: “0.50 Uhr, Großfeuer auf der Ziegelei: mehrere Gebäude abgebrannt: Ringofen, Vorratsraum, Trockenschuppen, Maschinen- und Pressenhaus, Schmiede.” Die Ursache blieb ungeklärt. Da die Gebäude schlecht versichert waren, mußte August Kosser Konkurs anmelden. Der Betrieb hätte weiter geführt werden können, wenn nicht Ernst Kosser - ohne vorherige Ankündigung - seine Hypothek gekündigt hätte. So mußte die Ziegelei verkauft werden, um das Konkursverfahren abzuwenden.
Nach dem Ziegeleibrand am 16.9.1929
Elly und August Kosser mit den beiden Kindern Karl und Heinz (Foto von 1918)
Dieses Haus erbaute August Kosser 1927/28
(Foto von 1980)
August Kosser 1941
August Kosser wurde am 30.4.1881 als 7. von 8 Kindern des Bauern Johann Christian Kosser und seiner Ehefrau Anna Dorothea, geb. Krüger in Diehlow, Kreis Guben, geboren. Nach der Volksschule besuchte er die Ziegeleifachschule in Laubahn. Mit dem entsprechenden fachlichen Abschluß arbeitete August Kosser dann als Betriebsleiter der Ziegeleien in Oberhausen / Baden, Treptow an der Tollense und Tangermünde an der Elbe. 1910 heiratete er Elly, geb. Jahnke. Sie hatten vier Kinder: Karl, Heinz, Rolf und Inge. 1919 erwarb August Kosser die Neukalener Ziegelei und zog mit seiner Familie in das Wohnhaus, welches um 1888 vom Ziegler Wolff auf dem Ziegeleigelände erbaut worden war. 1927/28 errichtete er ein neues Wohnhaus am Weg zur Ziegelei (heute Gast) für die Eltern seiner Frau. Als 1929 die Ziegelei abbrannte und verkauft werden mußte, zog die Familie Kosser in dieses Haus mit ein. August Kosser arbeitete noch mehrere Jahre in Güstrow. Am 15.2.1969 verstarb er in Neukalen.
Die Ziegelei im Besitz der Ziegelei-Gesellschaft m.b.H. in Teterow
Für einen Kaufpreis von 1000 RM erwarb der Unternehmer Karl Klement aus Güstrow zusammen mit seinem Schwager Kaufmann Ernst Matthies aus Teterow Anfang des Jahres 1930 die Ziegelei. Die Ziegelei wurde modern und vergrößert wieder aufgebaut. Vom Zimmermeister Wilhelm Rist (Dampfsäge- und Hobelwerk Güstrow) erfolgte die Projektierung neuer Ziegeleigebäude. Die Baukosten beliefen sich auf mehr als 10 000 Reichsmark. Als Betriebsleiter war ab 11.3.1930 Friedrich Prange eingesetzt (geb. 1.2.1891 in Weitendorf; Heirat am 21.5.1918: Anna Dobbertin, geb. 17.1.1895; Kinder: Thea Prange, geb. 12.6.1919, Karl - Heinz, geb. 8.3.1921).
Briefkopf Ziegelei 1930
Zeichnung zum Wiederaufbau der Ziegelei, April 1930
Zeichnung der Tongrube 1932
Im Dezember 1930 wurden die neu errichteten Gebäude in Betrieb genommen. Die Produktion war recht hoch:
1930: 1 446 400 Mauersteine
1931: 2 416 900 Mauersteine
1932: 1 424 450 Mauersteine
1933: 1 992 050 Mauersteine
1934: 2 869 550 Mauersteine
1935: 2 993 750 Mauersteine
1936: 2 546 800 Mauersteine
1937: 3 435 450 Mauersteine
1938: 3 767 980 Mauersteine
1939: 3 744 850 Mauersteine
Ziegeleiansicht um 1935
Briefkopf Ziegelei 1935
1935 hatte die Firma Klement und Matthies 30 Beschäftigte.
Nachdem es immer wieder zu gesundheitlichen Problemen bei den Arbeitern durch Gase in der Trockenanlage kam, erwarb die Ziegeleigesellschaft 1936 eine angrenzende Ackerfläche von 200 cRuten zum Aufbau eines neuen Trockenschuppens. Dieser Neubau war am 27.5.1937 fertiggestellt. 1939 erfolgte der Aufbau des dritten Schornsteins.
1942 war eine Erweiterung und Erneuerung der Ziegelei geplant. Im Sommer 1942 brannte die Ziegelei völlig ab, wahrscheinlich durch Brandstiftung. Gerüchte machten die Runde, daß der Brand von Hermann Hohnspeen gelegt sein soll. Auf dem Betriebsgelände lagen bereits einbaufertig neue moderne Maschinen. Sofort wurde die Ziegelei neu und erweitert mit einem zweiten Ringofen wieder aufgebaut und mit Kriegsgefangenen die Ziegelproduktion aufgenommen. Friedrich Prange war bis 1943 Betriebsleiter, danach war ein Meister Hacker bis 1945 als Betriebsleiter tätig.
Im Winter und Frühjahr 1945 wurde Armeeversorgungsmaterial (Stoffe, Spaten u.a.) in die Ziegeleigebäude eingelagert, welches die Sowjetarmee im Sommer 1945 wieder abfuhr. Danach wurden auch die modernen Maschinen und Anlagen unter Aufsicht russischer Soldaten ausgebaut und per Bahn in die Sowjetunion transportiert.
Zustand des früheren Wohngebäudes für den Ziegler im Dezember 1980 (erbaut 1804, abgerissen 1982):
Bilder vom Zustand der früheren Ziegelscheune (1980):