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Zur Geschichte der Kleinkinderschule Neukalen

 

Wolfgang Schimmel

 

 

   In früheren Zeiten wuchsen die Kleinkinder mehr oder weniger gut behütet im Familienkreis auf. Sie wurden von den größeren Geschwi­stern und Nachbarskindern in deren Spiele mit einbezogen, vom Vater auf den Acker oder von der Mutter in den Garten mitgenommen und wa­ren auch manchmal sich selbst überlassen. Die Gefahren waren andere als heute. Schmutz und Unsau­ber­­keit führten zu Krankheiten, die Kin­dersterblichkeit war hoch. Beson­ders in den Arbeiterfamilien, wo beide Elternteile zur Ernährung der Familie beitragen mußten, waren die Kinder auf sich allein gestellt und verwahrlosten leicht. Nur wenige begüterte Familien konnten sich eine Kinderfrau lei­sten oder ihre Kinder in Pflege geben. Meistens waren es alleinste­hende Frauen, die sich bereit erklärten - ohne oder gegen ein klei­nes Entgeld - auf Kleinkinder aus der Nachbarschaft aufzupassen. Über diese privaten Kleinkinderschulen, welche im vorigen Jahr­hundert auch in Neukalen hier und dort bestanden, gibt es weiter kei­ne Nachrichten, außer daß Bürgermeister L. Mau am 13.1.1851 einmal schrieb: "... die Kleinkinderschulen hieselbst sind mit Ausnahme der Brinckmannschen höchst mäßig ..."

   Um 1900 machte man sich ernsthafte Gedanken zur Einrichtung einer öffentlichen und für alle erschwinglichen Kleinkinderschule. Den Anstoß gab die Frau des Bürgermeisters Lindemann. Daraufhin besprachen Bürgermeister Lin­de­mann und Pastor Voß die Möglichkeiten. Grundlage für spätere Entschei­dungen bildete eine kleine Broschüre: "Ueber Kleinkinderschulen, deren Nutzen und Einrichtung" (Bonn 1875). Außer­dem schrieb Pastor Voß an Berufskollegen in anderen Städten, in welchen bereits Kleinkinderschulen eingerichtet waren. Er erkundigte sich nach Aus­stattung, Finanzierung und der personellen Beset­zung der dortigen Kinderbewahranstalten.

   Mit folgender Bitte um Unterstützung für die Einrichtung einer Kleinkin­derschule wandten sich Pastor Voß und Bürgermeister Lindemann an bemittelte Personen in Neukalen und Umgebung:

   "Euer Hochwohlgeboren

   gestatten wir Unterzeichneten uns nachfolgende Bitte zu unterbreiten.

   Seit langer Zeit haben wir die Beobachtung gemacht, daß die noch nicht schulpflichtigen Kinder der Arbeiterfamilien während der Ar­beitszeit der Eltern in trostloser Weise sich selbst überlassen und so schon im zartesten Kindesalter Gefahren an Leib und Seele ausge­setzt sind, vor denen sie zu behüten, im Interesse der Kinder wie der Allgemeinheit liegt.

   Die Frau des Arbeiters muß fleißig mitver­dienen helfen, um ihre Familie redlich durchzubringen. Deshalb ist sie nicht imstande, selbst die nötige Aufsicht und Leitung ihren kleinsten Kindern angedeihen zu lassen. Werden diese Klei­nen während der Arbeitszeit in fremde Obhut gegeben, so erwachsen hier­durch für jeden Tag nicht unerhebliche Kosten, ohne daß der beabsichtigte Zweck immer genügend erreicht wird.

   Um hier nun die dringend nötige Abhilfe zu schaffen, beabsichti­gen wir Unterzeichneten, in der Stadt Neukalen eine Kleinkinderschule ins Leben zu rufen. Der Zweck dieser Schule ist im Allgemeinen, alle Kinder vom 2ten Lebensjahre bis zum Eintritt in die Schule, welche zu Hause die nötige Aufsicht und erziehende Pflege nicht finden kön­nen, vor schädlichen Einflüssen aller Art zu bewahren und ihre geistlichen Fähigkeiten in einer dem zarten Kindesalter entsprechen­den Weise zu wecken und zu fördern.

   Es liegt auf der Hand, daß die Gründung dieser Schule nicht Sache der politischen oder kirchlichen Gemeinde ist, sondern daß es sich hier um ein Werk reiner Nächstenliebe und der Fürsorge für die ar­beitenden Klassen handelt.

   Wenn auch zu hoffen steht, daß die Stadt und die Kirche einen er­heb­lichen Beitrag zu den Kosten hergeben würden, so muß doch der größere Teil der auf ca. 6000 M zu veranschlagenden Kosten durch mildthätige Gaben aufgebracht werden.

   Wir glauben zuversichtlich, auch bei Ihnen ein warmes Interesse für das Wohl der Arbeiter und insbesondere der kleinen Kinder, die nur zu oft unter allzu traurigen Verhältnissen heranwachsen, voraus­setzen zu dürfen, und gestatten uns daher die herzliche Bitte,

   uns für den Bau und die Einrichtung der Kleinkinder­schule eine baare Beihülfe zuzusichern. Zu jeder gewünschten näheren Aus­kunft und zur Entge­gen­nahme von Gaben sind wir beide bereit.

   Neukalen,                         Mit vorzüglicher Hochachtung

   2.11.1900                         ganz ergebenst

                                          P. Lindemann                       JVoß

                                          Bürgermeister                      Pastor"

 

   Am 9.12.1900 fand im Saal des Gastwirts Seemann eine erste Versammlung zu diesem Thema statt:

   “Auf eine Einladung der Herren Pastor Voss u. Bürgermeister Linde­mann waren heute Abend eine große Zahl Damen und Herren zusammenge­treten, um über die Gründung einer Kleinkinderschule in hiesiger Stadt sich auszusprechen und zu beraten. Nach Eröffnung der Versammlung erläuterte Herr Pastor Voss in einge­hender Weise die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung in hiesiger Stadt. Es wurde vorgeschlagen, daß zunächst Mitglieder der Versammlung sich zur Ein­sammlung von Beiträgen bezw. Beitragszeich­nungen bereit erklären. Es melde­ten sich hierzu Herr Senator Lange, Färber Albrecht, Lehrer Mahncke, Westphal, Stadts. Koepke, Kantor Struck, Sattler Albrecht, Friseur Kähler, Schustermeister Kähler, Klempner Stein und Maurermeister Harm.

   Es wurde ferner beschlossen, daß nach beendeter Sammlung eine weite­re allgemeine Versammlung zur Besprechung dieser Sache statt­finden soll.

                   J.Voß, Pastor                       Lindemann"

 

   Es kamen in relativ kurzer Zeit zahlreiche Spenden für diesen guten Zweck zusammen, und die Finanzierung der Kleinkinderschule war gesichert, wie eine Berechnung durch Pastor Voß ergab:

   “Im Ganzen erzielte die 1. Sammlung

       a, in der Stadt   1166 M

       b, in der Umgegend

                   Herr v. Schack - Rey   100 M

                   Herr v. Treuenfels - Klenz   100 M

                   Fr. v. NN.   50 M

                   Past. Brasch   5 M

                   v. Förster Schickendantz   5 M

                   Frau Schlüter - Schlakendorf   20 M

                   Frau Landdrost v. Pressentin   30 M

                   Frau Deichmann - Retzow

       c, Ihre Kaiserl. Hoh. Fr. Großh. Anast.   200 M

       d, Ihre Hoh. Fr. Herzog Joh. Albr.   300 M

II. Rath u Bürgerschaft bewilligten

       a, aus d. Stadt Kasse   1500 M

       b, aus d. Armenkasse   500 M

III. D. OKR bewilligte

       a, aus d. Kirchenökonomiekasse   2000 M

       b, aus d. St. Georg - Stift   500 M

----------------------------------------------------

           in Summa   6476 M"

 

   Auf Einladung des Bürgermeisters Lindemann und des Pastor Voss kamen am 5.3.1901 zum zweitenmal die Interessenten zur Bildung eines Vereins Kleinkinderschule zusammen, um über Geldmittel und eine Sat­zung des Vereins zu sprechen. Gemeinsam wurden die Satzungen des Vereins entworfen:

 

“Satzung für den Verein Kleinkinderschule Neukalen

 

§ 1

   Unter dem Namen "Kleinkinderschule Neukalen" wird ein Verein ge­gründet, der in der Stadt Neukalen seinen Sitz hat und in das beim Amtsgerichte Neuka­len geführte Vereinsregistratur einzutragen ist.

 

§ 2

   Der Zweck des Vereins ist die Errichtung und Erhaltung einer Kleinkin­der­schule in der Stadt Neukalen, in der Kinder vom vollende­ten zweiten Lebens­jahre bis zum Eintritt in die Schule, welche zu Hause die nötige Aufsicht und erziehende Pflege nicht haben können, vor schädlichen Einflüssen auf Leib und Seele bewahrt und in ihren geistigen Fähigkeiten in einer dem zarten Kindes­alter entsprechenden Weise geweckt und gefördert werden sollen.

 

§ 3

   Der Verein wird durch einen aus fünf Mitgliedern bestehenden Vorstand in allen seinen Beziehungen gerichtlich und außergericht­lich vertreten.

   Der Vorstand besteht aus:

1. einem Abgeordneten des Magistrats zu Neukalen,

2. dem Geistlichen zu Neukalen und zwar beim Vorhandensein mehrerer Prediger dem jeweilig ältesten.

3. einem für je ein Kalenderjahr zu erwählenden Abgeordneten des Bürgerausschusses zu Neukalen.

4. zwei Mitgliedern des Vereins, die von den vorstehend genannten drei Personen durch Stimmenmehrheit gewählt werden.

   Von diesen beiden Vorstandsmitgliedern scheidet jedes Jahr das nach der Amtszeit älteste aus, das erste Mal entscheidet über das Ausscheiden das Loos. Die Wiederwahl des Ausscheidenden ist zu­lässig.

 

§ 4

   Den Vorsitz im Vorstande führt der Abgeordnete des Magistrats, dessen Stellvertreter der Stadtgeistliche ist. Der Vorstand wählt unter sich einen Schrift­führer und Kassierer.

   Der Vorstand unterzeichnet für den Verein, indem dem Namen des Ver­eins die Unterschriften des Magistratsabgeordneten, des Stadtgeistlichen und mindestens eines weiteren Vorstandsgliedes beigefügt werden.

   Der Schriftführer hat über die Beschlüsse des Vorstandes und der Mit­glie­derversammlung Protokoll zu führen, das von ihm und dem Vor­sitzenden der betreffenden Versammlung zu unterzeichnen ist.

   Der Kassierer hat über alle Einnahmen und Ausgaben ordnungsmäßig Buch zu führen und nach Schluß jeden Kalenderjahres dem Vorstand Rechnung zu legen.

   Der Vorstand beschließt unter sich mit Stimmenmehrheit der anwe­senden Vorstandsglieder. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stim­me des Vorsitzenden.

 

§ 5

   Der Vorstand hat insbesondere alle für die Errichtung und Ein­richtung des Schulgebäudes erforderlichen Rechtsgeschäfte abzu­schließen, stellt die Lehrerin an, setzt die Stunden, an denen die Schule geöffnet ist, sowie die Art der Beschäftigung der Kinder fest, und trifft überhaupt alle Anordnungen, die für die Erreichung des Vereinszweckes notwendig sind.

 

§ 6

   Der Verein besteht

1. aus denjenigen Personen, die diese Satzung vereinbart und unterschrieben haben.

2. aus denjenigen Personen, die später in den Verein aufgenommen sind. Die Aufnahme erfolgt durch Meldung bei einem Vorstandsmitgliede und Eintragung in das vom Schriftführer zu führende Mitgliederver­zeichnis. Auf­nahme­fähig ist jede mindestens 20 Jahre alte Person, die sich zur Zahlung eines jährlichen Beitrages von mindestens einer Mark verpflichtet.

   Jedes Mitglied kann nach vorgängiger dreimonatlicher, und zum Schluß des Kalenderjahres zulässiger Kündigung aus dem Verein aus­scheiden.

 

§ 7

   Alljährlich im Monat Februar findet eine Mitgliederversammlung statt, die vom Vorstand durch einmalige Bekanntmachung im Neukalener Wochenblatt oder durch Ansage unter gleichzeitiger Angabe der Tages­ordnung zu berufen ist.

   In dieser Versammlung hat der Vorstand über die Thätigkeit des Vereins, die Vermögenslage, den Schulbesuch p.p. im verflossenen Jahr Bericht zu erstatten.

   In der Versammlung darf nur über solche Gegenstände beschlossen werden, die auf der Tagesordnung stehen.

   Jedes Mitglied hat das Recht, Anträge zu stellen, die jedoch vor­her dem Vorstand einzureichen sind.

   Die Mitgliederversammlung beschließt mit Stimmenmehrheit der An­wesenden. Die Vorstandsmitglieder sind stimmberechtigt. Sie be­schließt insbe­son­dere auch über etwaige Änderungen dieser Satzung und über die Auflösung des Vereins. In beiden Fällen ist aber eine Mehrheit von dreivierteln der anwe­senden und abgegebenen Stimmen er­forderlich. Mindestens 1/4 der Mitglieder kann jederzeit die Beru­fung einer Mitgliederversammlung verlangen. Der Antrag ist unter An­gabe der Tagesordnung an den Vorstand zu richten, der demselben bin­nen drei Wochen zu entsprechen hat.

   Über jede Mitgliederversammlung ist ein Protokoll zu führen, das vom Vorsitzenden und Schriftführer zu unterzeichnen ist.

 

§ 8

   Der Besuch der Kleinkinderschule ist allen Kindern vom vollende­ten zweiten Lebensjahr bis zum Eintritt in die Schule gestattet. Die Kinder müssen laufen und sprechen können und dürfen keine anstecken­den Krankheiten ha­ben. Sie müssen in reinlicher Kleidung, gewaschen und gekämmt in der Schule erscheinen, zum Beginn der Schule vormit­tags und nachmittags gebracht und am Schluß der Schule wieder abge­holt werden.

   Die Kinder müssen morgens Frühstück und nachmittags Vesperbrot mitbringen.

 

§ 9

   Die Aufnahme von Kindern in die Schule findet nur zum 1ten April und zum 1ten Oktober jeden Jahres statt, jedoch im Jahre 1901 u 1902 auch zum 1ten eines jeden Monats.

   Der Eintritt erfolgt nach Tags zuvor erwirkter Meldung bei dem stellver­tretenden Vorsitzenden oder bei der Lehrerin.

 

§ 10

   Das wöchentliche Schulgeld beträgt für ein Kind 10 Pfennig, für zwei Geschwister 15 Pfennig, für drei und mehr Geschwister 20 Pfennig, und ist an jedem Montag im Voraus an die Lehrerin zu ent­richten.

   Eine Ermäßigung oder Zurückzahlung des Schulgeldes kann der Vor­stand verfügen.

 

§ 11

   Der Vorstand hat das Recht, wegen Nichtzahlung des Schulgeldes oder aus anderen Gründen Kinder aus der Schule zu entlassen.

 

§ 12

   Etwaige Beschwerden der Eltern über die Behandlung der Kinder in der Schule dürfen niemals der Lehrerin, sondern müssen stets dem Vorsitzenden des Vorstandes oder dessen Stellvertreter vorgebracht werden.

 

§ 13

   Bei Auflösung des Vereins, die der Genehmigung des Magistrats be­darf, fällt das Vermögen desselben an die Stadt Neukalen, die es für einen gleichen oder doch für andere gemeinnützige Zwecke zu verwen­den hat.

 

§ 14

   Diese Satzung und etwaige spätere Änderungen derselben bedürfen der Genehmigung des Magistrats.

 

   Neukalen, den fünften März eintausendneunhundertundeins.

 

P. Lindemann     JVoss     Paul Tietz

H. Heese     Otto Stein

F. H. Albrecht     K. Albrecht

Aug. Lange     W. Harm

E. Rothenhäuser     A. Wagenknecht

Rud. Funck     H. Wentzien

 

     Vorstehende Satzung des Vereins Kleinkinderschule wird hiermit von uns genehmigt.

     Neukalen, den 8 März 1901.

                                                      Der Magistrat

                               P. Lindemann           AKossow       Aug. Lange"

 

 

   Es wurde nun der "Verein Kleinkinderschule Neukalen" mit Datum vom 1.4.1901 gegründet mit dem Vorstand: Bürgermeister Paul Lindemann als Vorsitzenden, Pastor Voß als Stellvertreter, Kaufmann Wilhelm Bruger als Abgeordneter des Bürgerausschusses, Malermeister Emil Rothenhäuser und Bäckermeister Heinrich Wentzien.

   Da man kein geeignetes Haus in der Stadt erwerben konnte, wurde ein Neubau geplant. Der Verein kaufte den Salchow´schen Garten am Schmelz­bach und an der Chaussee nach Malchin für 1500 Mark. Auf diesem Grundstück erbaute Maurermeister Wilhelm Harm das Gebäude für die Kleinkinderschule für einen veranschlagten Preis von 5000 Mark. Er schrieb dazu im April 1901:

 

   "Neubau einer Kleinkinderschule zu Neukalen.

   Baubeschreibung:

   Das Gebäude wird nach anliegender Zeichnung 9,65 m lang, 8,30 m tief und 3,40 m in der Unteretage im Lichten hoch. Die Fundamente werden von Felsen in Kalkmörtel hergestellt und mit einer Isolir­schicht von Isolirpappe belegt. Die Oberkante der Fundamente soll mindestens um 30 cm höher gelegt werden, wie die Bordsteine des Strassendammes. Die in dem Fundament unter den Privets angelegte Privetgrube wird 1,50 x 1,50 m im Lichten groß, mit Zu­satz von Ce­mentmörtel gemauert, mit flachen Steinen ausgelegt und wird der nach dem Hofe zu vorspringende Theil mit einer eichenen Schlenke und eiche­nen Klappe mit Beschlag zum Öffnen verschlossen.

   Das Ringmauerwerk der Unteretage wird in der Vorderfronte und in den beiden Giebeln 1/2 Stein ohne Luftschicht stark. Die Hinterfron­te dagegen wird 1 Stein stark. Zu den Innenwänden werden Kluten ver­wendet, die als Sockel 3 Schicht Mauersteine und als Deckschicht 2 Schicht Mauersteine erhalten. Die in den Klutenwänden befindlichen Thürecken und auch die Thürbögen werden von Mauersteinen herge­stellt. Die Klutenwände können mit Lehmmörtel vermauert werden. Zum Mauersteinmauerwerk wird nur Kalkmörtel verwendet. Die Decke sowohl hier, als auch in der ganzen Dachetage wird durch Windelboden mit Lehmauftrag gebildet. Die Decken werden von unten geputzt und ge­weißt. Sämmtliche Wandflächen werden geputzt, ausgenommen die äußere Hinter­wand­fläche, die gefugt werden kann. Die Fußböden bestehen in der ganzen Dachetage, sowie in der Schulstube und im Schlafraum hier auf eichenen Lagern aus gehobelten und gespundeten 3 cm starken Brettern und erhalten an den Wänden 10 cm hohe Fußleisten. Küche und Flur erhalten zum Fußboden Cementfliesen, der Privetraum Cementbe­ton. Der Kachelofen in der Schulstube von braunen Kacheln wird 4 1/2 Kachel lang, 3 Kachel breit und 10 Schicht hoch. Der Ofen in dem Schlafraum wird 3 x 2 1/2 Kacheln groß und 9 Schicht hoch. Die beiden oberen Oefen werden 3 x 2 1/2 resp. 3 1/2 x 2 1/2 Kacheln groß und 7 Schicht hoch.

   Der untere Feuerheerd wird von Kacheln, der obere von Mauerstei­nen, gefugt, aufgesetzt. Sämmtliches Eisenzeug zu den Oefen und den Heerden ist zeitentsprechend in guter Sorte zu liefern. Außer einer zweiflügelichen ge­stemm­ten Hausthür werden in der Unteretage 4, und in der Oberetage 2 gestemmte einflügeliche Stubenthüren mit gutem Beschlage, gestrichen und lackirt verwendet. Die Hofthür, Privetthür und 3 obere Thüren werden glatt auf Leisten, mit Kastenschlössern und einfachem Oelfarbenanstrich hergestellt. Vor der Hofthür und auch vor dem Haupteingang werden die erforderlichen Stufen in Ce­mentstampfung ausgeführt. Sämmtliche Fenster erhalten Blendrahmen, ge­wöhn­lichen Beschlag, Oelfarbenanstrich und sind mit gutem weißem Glase zu verglasen. Die Treppe mit unterer Viertelwindung erhält 5 cm starke Wangen, 3,5 cm starke Tritte und 2 cm starke Setzstufen, Handläufer mit 2 gedrehten Pfosten und gedrehten Decken und ist mit Oelfarbe zu streichen. Die Privet­gefäße werden mit Thontrichtern versehen, die in die darunter befindliche Grube einmünden. Die Tren­nungswand in dem Privet wird von 3 cm starken gespun­deten und bei­derseits gehobelten Brettern angefertigt. Der über das Hauptge­bäude vorstehende Theil der Privetanlage wird mitsammt dem Eingangsvorbau mit Pappdach überdacht. Dieses erhält über dem Eingang eine kurze Dachrinne mit Abfallrohr.

   Die Privetgrube und auch die Privets werden durch ein in der Zeichnung noch nicht angegebenes, in der Hinterwand anzulegendes Ventilationsrohr ent­lüftet.

Sämmtliche untere Räume erhalten auf den Wänden Leimfarbenan­strich. Die beiden oberen Stuben und auch eine Kammer werden tape­ziert. Die zweite Kammer, Küche und der obere Flur werden geweißt.

   Das Dach des Hauptgebäudes wird mit Cementplatten eingedeckt und erhält oberhalb der Kehlbalken auf der Hinterseite ein Dachfenster mit 4 Scheiben.

   Die Verbandhölzer, Latten, Windelhölzer sind in den üblichen Stärken zu liefern. Das Dach erhält auf jedem Giebel Windbretter und Unterschläge. An der Vorderfronte ist eine Dachrinne mit Abfallrohr anzubringen.

   Längs der Hinterfronte wird ein Traupfpflaster von 1 m Breite gedämmt.

   Neukalen, April 1901      WHarm"

 

   Nach Fertigstellung des Gebäudes bekam Maurermeister Wilhelm Harm insgesamt an Baugeld 6275 Mark.

 

   Der Vorstand der Kleinkinderschule wünschte, daß die Leitung der neuen Einrichtung von einer ausgebildeten Diakonissin aus Ludwigslust übernommen wird. So kam der folgende Vertrag zustande:

 

Diakonissenhaus Stift Bethlehem

 

 

   “Vertrag zwischen dem Vorstande der Kleinkinderschule zu Neukalen und dem Diakonissenhause Bethlehem in Ludwigslust wegen Entsendung einer Diako­nisse in die Kleinkinderschule zu Neukalen.

 

§. 1.

   Das Diakonissenhaus Bethlehem sendet zum 1. September 1901 eine Diakonisse nach Neukalen zur Übernahme der dort neu begründeten Klein­kinderschule.

 

§. 2.

   Die Diakonisse hat die Leitung der Kleinkinderschule in Neukalen zu übernehmen und nach den für eine Kleinkinderlehrerin maßgebenden Grund­sätzen zu führen, sie hat insonderheit die noch nicht schul­pflichtigen Kinder von Neukalen vom vollendeten zweiten Jahre an bis zum schulpflichtigen Alter an allen Wochentagen um sich zu versam­meln, des Vormittags im Sommer von 7 - 12 Uhr, im Winter von 8 - 12 Uhr, und des Nachmittags im Sommer von 1 - 6 Uhr, im Winter von 1 - 4 Uhr, doch soll regelmäßig am Sonnabend Nachmittage keine Schule sein. Die eben bezeichnete Stundenzahl soll zwar nicht überschrit­ten, kann aber zeitweilig herabgesetzt werden. Die einmal zur Schule gemel­deten und darin aufgenommenen Kinder hat sie während der ange­gebenen Zeit ihrem Alter und ihren Fähigkeiten nach zu beschäftigen und auf deren regel­mäßigen Besuch der Schule zu halten, insbesondere durch persönliche Einwir­kung auf die Eltern. Sie hat für Reinlich­keit und Sauberkeit in dem Schullocal und in den der Schule sonst überwiesenen Localitäten nebst dem ihr zu Gebote stehenden Garten zu sorgen. Zu diesem Zwecke wird ihr eine Aufwärterin zur Verfügung ge­geben, welche unter ihrer Leitung die Reinhaltung des Hauses zu be­sorgen und andere Dienstleistungen und Gänge für die Schwester nach deren Anordnung zu übernehmen hat. Die Schwester hat die Kinder zur Rein­lichkeit und Sauberkeit und zu einem anständigen und gesitteten Benehmen zu erziehen. Vor allen Dingen hat sie sowohl bei ihrem Unterrichte, als auch bei ihrem sonstigen Verkehr mit den Kindern vor Augen zu haben, daß die Kinder Lämmlein der Heerde Jesu Christi sind und demselben zugeführt werden sollen.

 

§. 3.

   Es wird, wenn die Zahl der Kinder es erfordert, darauf Rücksicht genommen werden, der Diakonisse ein junges Mädchen zur Hülfe zu ge­ben, welches unter Anleitung der Schwester die Kinder mit beaufsich­tigt.

 

§. 4.

   Die für die Kleinkinderschule einfallenden Ferien werden von dem Vorstande bestimmt. Soweit möglich sind sie mit den Ferien der Volksschule zusammen zu legen.

 

§. 5.

   Die Diakonisse führt ihr Amt nach der ihr vom Mutterhause er­theilten Instruktion, welche dem Vorstande der Kleinkinderschule mitgetheilt wird.

   Der Vorstand der Kleinkinderschule wird in allen Fragen der äuße­ren Ordnungen die Entscheidung geben, auch von Zeit zu Zeit die Schule inspiciren und dem Unterrichte beiwohnen. Über ihre Thätig­keit hat die Schwester dem Mutterhause monatlich zu berichten.

 

§. 6.

   Der Vorstand der Kleinkinderschule in Neukalen zahlt an das Dia­konissenhaus Bethlehem 300 M. jährlich in vierteljährlichen Raten, praenume­rando. Die Diakonisse darf von Niemandem Gaben oder Ge­schenke für ihre eigene Person annehmen.

 

§. 7.

   Die Diakonisse erhält im Hause der Kleinkinderschule freie Woh­nung und Heizung. Sie erhält völlig freie Station, Licht und Wäsche mit einbegriffen. So­weit die Beköstigung nicht in natura geliefert wird, erhält die Diakonisse zu ihrer Bestreitung Wirthschaftsgeld, über dessen Verbrauch sie auf Erfordern Rech­nung ablegt. In Krank­heitsfällen erhält sie freie aerztliche Behandlung und Arznei und im Falle des Ablebens ein anständiges Begräbnis.

 

§. 8.

   In jedem Jahre wird der Diakonisse ein Urlaub von 3 - 4 Wochen gewährt. Die Reisekosten vergütet der Vorstand der Kleinkinderschule mit 15 M. jährlich und zahlt diesen Betrag zugleich mit der Vergü­tung für das Osterquartal an das Stift Bethlehem ein.

 

§. 9.

   Die Reisekosten für die am 1. September ihr Amt antretende Diako­nisse werden von dem Vorstande der Kleinkinderschule getragen. Soll­te die Diako­nis­se für eine Zeitlang so krank oder dienstunfähig werden, daß eine Stellvertre­tung nöthig ist, so wird das Diakonis­senhaus Bethlehem auf Verlangen, wenn es ihm irgend möglich ist, eine andere Diakonisse senden, für welchen Wechsel die Reisekosten hin und her demselben ersetzt werden.

 

§. 10.

   Die durch Krankheit dienstunfähig gewordene Diakonisse kehrt ins Mutterhaus zurück.

 

§. 11.

   Der Vorstand der Kleinkinderschule hat das Recht den Vertrag nach voraufgegangener halbjähriger Kündigung (Ostern, resp. Michaelis) aufzulösen. Dasselbe Recht hat das Diakonissenhaus Bethlehem. Sollte Letzteres die Nothwendigkeit eines Wechsels einsehen, so steht dem­selben das Recht zu, die Schwester durch eine andere zuvor zu sen­dende Schwester abzulösen. Die Kosten der Hin- und Herreise sind vom Stifte Bethlehem zu tragen.

 

§. 12.

   Das Mutterhaus bleibt auch in der Ferne in steter Verbindung mit der ausgesandten Schwester.

 

§. 13.

   Für den Fall eines Krieges sowohl, als auch bei Ausbruch einer Cholera- oder sonstigen weitgreifenden Epidemie im deutschen Lande gesteht der Vor­stand der Kleinkinderschule dem Stifte Bethlehem das Recht zu, die Diakonisse zurück zu rufen, ohne Ersatz zu fordern. Eine Vergütung für die Zeit der Abwesen­heit der Schwester wird na­türlich dann nicht gezahlt. Das Diako­nissenhaus Bethlehem wird, so­bald es thunlich ist, zur Wiederaufnahme der Arbeit in der Kleinkin­derschule eine Schwester entsenden.

 

Ludwigslust, den 20. Juli 1901.

Der Vorstand des Stiftes Bethlehem.

Ina Gr. v. Bassewitz

 

von Haeseler

Generalleutnant a. D.

 

 

Neukalen, den 26 Juli 1901.

Der Vorstand der Kleinkinderschule

P. Lindemann     J Voß

Wilh. Bruger

H. Wentzien

E. Rothenhäuser"

 

 

   Am 1. September 1901 nachmittags um 2 1/2 Uhr wurde die Kleinkinder­schule von Pastor Voß geweiht und vom Bürgermeister Lindemann dem Gebrauch über­geben.

   Die festlich gekleideten Kinder, mit Blumen und Kränzen ge­schmückt, machten einen Umzug durch die Stadt. Bürgermeister Linde­mann, Pastor Voß und Herr Bruger hielten Ansprachen. Viele Einwohner und Persönlichkeiten der näheren Umgebung waren erschienen, um die Einweihung der neuen Einrichtung vorzunehmen.

   Als erste Betreuerin wurde die Diakonisse Emma Rath vom Diakonis­senhaus Stift Bethlehem in Ludwigslust angestellt, die ihre Tätig­keit bis zum August 1903 ausübte.

 

   Der Vorstand der Kleinkinderschule schrieb damals:

   “Am Montag den 1. September hat unsere Kleinkinderschule ihre Thätig­keit begonnen. Die Thatsache, daß mehr denn 80 Kinder die Schule besuchen, beweist am besten, daß die Errichtung der Schule einem dringenden Bedürfnis entspricht. Die Erhaltung der Kleinkinderschule muß im Wesentlichen durch frei­willi­ge Gaben erfolgen. Wir richten daher an alle Freunde unse­rer Sache die herz­lichste Bitte, unserem Verein als Mitglied beizu­treten. Der Jahresbeitrag ist im Mindestbetrage auf eine Mark festge­setzt. Die Aufnahme als Mitglied erfolgt nach Einzeichnung in die Liste durch Eintragung in unser Mitgliederverzeichnis. Eine Abschrift der Vereins - Satzung liegt an.

Neukalen 5 September 1901

Verein Kleinkinderschule, e. V.

P. Lindemann     JVoss     WilhBruger

H. Wentzien     E. Rothenhäuser

 

   Die Kosten für die Errichtung der Kleinkinderschule betrugen laut einer Zusammenstellung:

I 1. Ankauf des Grundstückes, Garten mit dem darin stehenden Stallgebäude M 1500,-

  2. Bau des Schulhauses   M 5000,-

  3. Anbau (Vergrößerung)   M 1000,-

-----------------------------------

     7500,-

 

II Für Einfriedigung, Einebnen des Spielplatzes, Anlagen, Spiel und Turngeräte sind verausgabt   M 500,-

 

III Innere Einrichtung

  13 Schulbänke a 3,50     45,50

   3 Tische a 5,50     16,50

   1 dito     8,-

   1 Waschtisch     4,-

   1 Schrank     22,-

   2 Stühle a 4,50     9,-

   1 Staffel     7,50

   Anstrich der Bänke u Tische etc.     14,-

   1 Kleiderschrank     18,-

   1 Fenstertritt     9,-

   Borten u Küchenbank, Kleiderriegel     20,-

   2 Matratzen u 1 Rahmen     15,50

   1 Schlafdecke     3,75

   Kleine Haus u Küchengeräte     15,-

   6 Rollos u Zubehör     48,-

   Gardinen u Zuggardinen im Zimmer der Schwester     15,-

   16 Bildertafeln     12,80

   40 Kaiserwerther Bilder     13,-

----------------------------------

     M 296,55

 

   Für die Erhaltung der Schule rechnete man an jährlichen Kosten:

1. Stationsgeld für die Schwester von dem Stift B.     300 M

2. Die Verpflegung der Schwester im Krankenhause     200 M

3. Wäsche für dieselbe     26 M

4. Die Helferin     80 M

5. Die Aufwärterin     26 M

6. Feuerung     (130 M)

7. Reparatur und Erneuerung der Spielsachen, Anfuhr der Feuerung     50 M-----------------------------------

     Summe     682 M

 

Als Einnahmen rechnete man:

1. von dem Verein     120 M

2. durch die Bettags - Kollecten, welche Magistrat und Bürgerschaft der Kleinkinderschule überwiesen haben ca.     100 M

3. Feuerung von der Stadt geliefert     130 M

4. von der Kirche     100 M

5. von dem St. Georg Stift     100 M

6. Schulgeld     250 M

-----------------------------------

     Summe     800 M"

 

   Die Kleinkinderschule mußte in den folgenden Jahren weiter aus der St. Georgs - Stiftung, aus der Stadtkasse, aus Sammlungen, aus halbjährlich kassierten Mit­gliedsbei­trä­gen und auch aus Sonderzuwendungen von Vereinen (z. B. dem Näh­zirkel) finanziert werden.

   Der Lehrerin der Kleinkinderschule hatte man das Recht zu einem sogenannten “Freitisch” eingeräumt; das heißt, sie konnte täglich eine Mahlzeit bei bestimmten Personen einnehmen. Und so war damals die Reihenfolge festgelegt:

       Frau Bürgermeister

       Frau Senator Kossow

       Frau Senator Lange

       Frau Pastorin

       Frau Löwi

       Frau Anders

       Frau Kähler

       Frau Seemann

       Frau Bruger

       Frau Apotheker

       Frau Krüger

       Frau Mahns

       Frau Glasow

       Frau Berger

       Frau Westphal

       Frau Schönfeld

       Frau Mahnke

       Frau Funk

       Frau Struck

       Frau Kliefoth

       Frau Fischer

       Frau Mamerow

       Frau Behrens

       Frau Wagenknecht

       Frau Losehand

       Fräul. Balk

       Frau Sekretär

       Frau Ehlers

       Frau Albrecht”

 

   Pastor Voß schrieb damals: “Wegen des Standes der Casse wird in diesem Jahr von einer größeren Weihnachtsbescherung abgesehen. Doch soll eine Weihnachtsfeier veranstaltet werden in folgender Weise. Die Stadt wird um einen Tannenbaum gebeten, Tischler Schmidt liefert den Fuß, Frau Bürgermeister Lindemann das Confect und der Unterzeichnete Lichthalter u Licht. Die Feier findet im Däwelschen Saale statt, um auch den Eltern den Zutritt zu ermöglichen. Ob am Freitag oder Sonntag, ist noch unbestimmt.

 

   Der Vorstand des Vereins Kleinkinderschule berichtete über das Geschäftsjahr 1901:

   “Das erste Geschäftsjahr unseres Vereins umfaßt die Gründung des­selben, die Einrichtung der Schulräume, die Eröffnung der Schule, die noch vier Monate lang im verflossenen Jahr segensreich wirken konnte.

   Nach Erledigung aller vorbereitenden Arbeiten wurde unser Verein am 23. April 1901 in das Vereinsregister des hiesigen Amtsgerichts eingetragen u erlangte hiermit die Rechtsfähigkeit. Der Verein wurde von 14 hiesigen Ein­wohnern ins Leben gerufen, während 54 ihm im Lau­fe des Jahres beitraten, so daß er jetzt 68 Mitglieder zählt.

   Die Gründung der Schule ist uns nur durch die in so reichem Maße uns gewährte Unterstützung Allerhöchster und höchster Herrschaften, der Stadt und der Kirche, hiesiger Einwohner und auswärtiger Perso­nen ermöglicht. Allen, die uns in so freigebiger Weise geholfen ha­ben, sei auch an dieser Stelle unser herzlichster Dank abgestattet.

   Nach der formellen Gründung des Vereins wurde zunächst das jetzi­ge Grundstück des Vereins angekauft. Da wir das ganze Terrain nicht gebrauch­ten, ist ein Teil desselben für jährlich 15 M verpachtet. Sodann wurde der Bau des Schulgebäudes in Angriff genommen, der dank dem Entgegenkommen des Hofmaurermeisters Harm und aller beteiligten Handwerker recht geschmackvoll und sehr preiswert abgeschlossen wer­den konnte. Bei der günstigen Witterung im verflossenen Sommer war es möglich, die Schule am 1. September v. J. zu eröffnen. Die Eröff­nungsfeier fand an diesem Tage im Schulgebäude unter Teil­nahme der Frau Oberin des Stiftes Bethlehem, einer Reihe von Schwestern aus dem Stift, davon einer auch die Leitung der Schule übertragen ist, und vieler Einwohner unserer Stadt und der Umgegend statt. Am 2. September begann die Schule ihre Thätigkeit. Waren wir wohl in Sor­ge, ob unser Unternehmen in der Stadt auch Anklang finde, so wurden wir doch durch den regen Schulbesuch aufs äußerste erfreut. Mit mehr denn 60 Kindern begannen wir und bis zum Schluß des Schuljahres kurz vor Weihnachten hat die tägliche Schülerzahl zwischen 70 u 95 ge­schwankt. Für einen so zahlreichen Besuch ist unsere Einrichtung nicht groß genug u ebenso erwies sich die Heranziehung einer Hülfs­kraft als dringend notwendig. Wir freuen uns aber dankbar von Her­zens die­ses Erfolges und wünschen und hoffen, daß wir auch fernerhin gleiche Erfolge aufweisen mögen. Daß die Leitung einer so großen Kinderschar keine leichte ist, liegt auf der Hand. Wir können unse­rer Schwester Emma nur von ganzem Herzen dankbar sein, daß sie mit nie ermüdender Geduld und immer neuer Kraft und Lust die schwere Ar­beit so erfolgreich vollbracht hat, wobei sie von Frl. Fehlhaber in ruhmenswerter Uneigennützigkeit kräftig unterstützt ist.

   Über die Vermögensverhältnisse des Vereins heben wir aus den Kas­sabüchern folgendes hervor:

 

I. Einnahme

  1. Von der Stadt gespendet     2000 M

  2. Von der Kirche und dem Georgsstift gespendet     2500 M

  3. Von Fürstlichkeiten gespendet     500 M

  4. Von Einwohnern der Stadt gespendet     1266 M  60 Pfg.

  5. Von Auswärtigen gespendet     351 M  09 Pfg.

  6. Mitgliederbeiträge     124 M

  7. Sonstige Spenden     29 M  23 Pfg.

  8. Aus der Sammelbüchse     23 M  18 Pfg.

  9. Von der Armenkasse (Bettagscollecte)     50 M

10. Gartenpacht     15 M

11. Schulgeld     110 M  80 Pfg.

12. Zinsen     3  M  50 Pfg.

----------------------------------

Gesamte Einnahme     6973 M  40 Pfg.

 

II. Ausgabe

  1. Anzahlung für den Garten     1000 M

  2. Accordsumme für den Hausbau     5000 M

  3. Extrabauten     275 M

  4. Zur inneren Einrichtung     267 M  15 Pfg.

  5. An Stift Bethlehem     100 M

  6. An das Krankenhaus     66 M  66 Pfg.

  7. Zinsen     30 M

  8. An Frl. Fehlhaber     24 M

  9. Gerichtskosten     18 M  20 Pfg.

10. Feuerversicherung und Steuer     6  M  81 Pfg.

11. Porto u Insertion      18 M    6 Pfg.

12. Feuerungsanfuhr u Bevorratung     12 M

13. Verschiedenes     33 M  10 Pfg.

14. Straßenfegen u Reinigung des Hauses     18 M  51 Pfg.

-----------------------------------

Gesamte Ausgabe     6869 M  49 Pfg.

 

 

Gesamte Einnahme     6973 M  40 Pfg.

Gesamte Ausgabe     6869 M  49 Pfg.

--------------------------------------

Bestand     103 M  91 Pfg.

 

Am Ende des Jahres standen noch aus

Rechnung bei Brümmer für die Anlegung des Vorgartens pp     24 M  10 Pfg.

Rechnung bei Schlosser Stahl für Öffnungsvorrichtungen an den Fenstern     19 M  75 Pfg.

Rechnung bei Harm für Herstellung des Zauns u der Grotte     36 M  26 Pfg.

Rechnung bei der Wäscherin     7 M

Kontobuch beim Kaufmann     36 M  40 Pfg.

Einfriedigung des Vorgartens     15 M  35 Pfg.

Nachträgliche Insertionskosten     3 M  35 Pfg.

-----------------------------------

142 M  21 Pfg.

 

Da hiernach die für 1901 noch ausstehenden Rechnungen betragen     142 M  21 Pfg.

während der Kassenbestand sich auf     103 M  91 Pfg. 

beläuft,                                                                            

-----------------------------------

so ergiebt sich ein Unterschuß von     38 M  30 Pfg.

für das Jahr 1901.

 

 

   Die Reinigung des Hauses wurde ab 1902 durch die Schusterwitwe Krüger besorgt. Sie erhielt die Wohnung im Kleinkinderschulgebäude eine Treppe hoch im Nordgiebel - 1 Stube, 1 Küche und Kellergelaß - unter folgen­den Bedingungen:

   “1. Frau Krüger hat die sämtlichen Arbeiten, die zur Reinhaltung aller Räume im Gebäude der Kleinkinderschule sowie des Spiel­platzes und des Feuerungsraumes notwendig sind, nach Anweisung der Schwester zu verrich­ten. Sie hat täglich den Abort rein zu machen und an den vorgeschriebenen Tagen die Straße zu fegen. Sie hat sämtliche Feuerung zu tragen und auf Erfordern der Schwester die Öfen zu heizen oder hierbei Hülfe zu leisten.

    Sie hat ferner für die Schwester zu den Mahlzeiten, die diese nicht im Krankenhause einnimmt, das Essen von dort herüberzu­holen, auch sonstige notwendige Besorgungen für die Schwester auf deren Anweisung zu machen.

   2. Frau Krüger erhält die oberwähnte Wohnung unentgeldlich und ferner die zur Heizung ihrer Stube und Küche erforderliche Feuerung umsonst. Für jeden Sonnabend, an dem das Wohngebäude gereinigt wird, erhält Frau Krüger 50 Pfg.”

 

Die Kleinkinderschule auf einer Ansichtskarte von 1906

 

Die Kleinkinderschule auf einer Ansichtskarte von 1906

 

 

   Die Finanzierung der Kleinkinderschule brachte immer wieder Schwierig­keiten und war allein mit den Mitgliedsbeiträgen, die sehr niedrig lagen, nicht zu bewerkstelligen. Man war weiterhin auf Spenden sowie Unterstützung aus kirchlichen und städtischen Mitteln angewiesen.

   “Unsere Kleinkinderschule ist in schwere Bedrängnis gekommen. In Folge der mit den Jahren erfolgten Steigerung der Ausgaben kann die Schule, zumal in den letzten Jahren die Einnahmen aus Mitgliederbei­trägen erheblich geringer geworden ist, mit ihren regelmässigen Ein­künften selbst bei aller­grösster Sparsamkeit nicht mehr auskommen. In Folge dessen hat sich schon für das Jahr 1912 ein Unterschuss von 270 M ergeben und auch für die Folge wird mit einem Unterschuss von ca. 200 M jährlich gerechnet werden müssen, falls es nicht gelingt, die Einnahmen zu steigern.

   Der Vorstand wendet sich daher an seine Mitglieder mit der herz­lichen Bitte, dass jeder nach seinem Können seinen Beitrag erhöht, und insbesondere wendet er sich an diejenigen Einwohner die selbst Kinder in die Schule schicken, bisher aber gar keine oder nur ge­ringfügige Beiträge gezahlt haben mit der Bitte, dass sie für die Folge Beiträge in der Höhe, die ihren Verhältnissen angemessen ist, zeichnen mögen.

   Von den Erfolg dieses Aufrufes wird es abhängen, ob der Betrieb der Schule in der bisherigen Weise fortgeführt werden kann oder ob der Vorstand, so schwer es ihm würde, daran denken muss, die Bethle­hems - Schwester durch eine andere Persönlichkeit zu ersetzen. Eine solche Massnahme würde aber zweifells der Schule sehr schaden und möglicher Weise einen erheblichen Niedergang zur Folge haben, da nur die Bethlehemsschwestern über die zur Leitung einer solchen Schule erforderliche Vorbildung verfügen.

   Der Vorstand würde sich daher im Interesse der Schule und der ganzen Stadt freuen, wenn unser Aufruf bei Allen Erfolg haben würde. Die Beiträge sollen fortab in halbjährigen Teilbeträgen am 1. Juni und 1. Dezember eines jeden Jahres, also erstmalig am 1. Juni 1913 erhoben werden. In die anliegende Liste bitten wir die Zeichnungen einzutragen.

   Neukalen, den 12. März 1913.

   Der Vorstand

Barten     Hohmann     Aug. Stüdemann

W Bruger     E. Rothenhäuser"

 

Annonce im

 

Annonce im "Neukalener Tageblatt" vom 5.5.1920

 

 

Die Kleinkinderschule auf einer alten Ansichtskarte (vor 1925)

 

Die Kleinkinderschule auf einer alten Ansichtskarte (vor 1925)

 

 

   Vom Vorstand der Kleinkinderschule wurden regelmäßig Mitgliederversammlungen und Weihnachtsfeiern durchgeführt. So wurde z. B. am 22. 12. 1926 im Lokal des Gastwirts Tübbicke eine Weihnachtsfei­er veranstaltet.

 

   Da die Geldmittel für die Kleinkinderschule stets knapp bemessen waren, trat der Verein mit folgender Bitte an die Öffentlichkeit:

 

   “Der Vorstand der Kleinkinderschule Neukalen e.V.     

   Neukalen, den 21. Juni 1927.

   Der unterzeichnete Vorstand der Kleinkinderschule in Neukalen wendet sich, um das Fortbestehen der hiesigen Kleinkinderschule, das infolge völliger pekuniärer Mittellosigkeit aufs äußerste gefährdet ist, zu sichern, an die Einwohner hiesiger Stadt mit der Bitte, durch freiwillige Gaben, eine Anstalt zu erhalten, deren Eingehen ein großer Schade für unsere Stadt bedeuten würde. Die Kleinkinderschule hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahre bis zum Eintritt in die Schule, welche zu Hause die nötige Aufsicht und erziehende Pflege nicht haben können, vor schädlichen Einflüssen auf Leib und Seele zu bewahren und in ihren geistigen Fähigkeiten in einer dem zarten Kindesalter entsprechenden Weise zu wecken und zu fördern.

   Wie die Kinder die Zukunftshoffnung einer jeden guten deutschen, christlich gesonnenen Familie sind, so soll daher auch ein Jeder nach seinen Kräften dazu beitragen, daß der Fortbestand einer An­stalt gesichert wird, die den Eltern, wenn sie außerhalb des Hauses ihrer Arbeit nachgehen, die Sorge abnimmt um das Wohlergehen ihrer Kinder und ihnen Gewähr bietet, daß ihre Kinder sich in sicherem Schutz befinden. Durch den neuerlichen Beitritt zum Evangelischen Ver­bande für Kinderpflege in Mecklenburg ist auch die Gewähr gegen­seitiger Anregung und Förderung auf dem gesamten Gebiete evangeli­scher Kinder­pflege geboten.

   Der Vorstand der Kleinkinderschule e.V.

Ziegler     Hohmann     Aug. Stüdemann     Wilhelm Bruger     Otto Stein"

 

 

   Da der Verein der Kleinkinderschule e.V. die Mittel für die Erhaltung des Kindergartens nicht mehr aufbringen konnte, beschloß der Vorstand auf seiner Sitzung am 29. Juli 1930, “der Stadt anheimzugeben, die Verwaltung der Schule zu übernehmen.” Der Rat empfahl darauf, die Kleinkinderschule zu schließen. Die Sache wurde der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt, die am 15.10.1930 folgendes beschloß:

   “Die Angelegenheit wird zurückgestellt. Der Rat wird gebeten, zur nächsten Sitzung eine Aufstellung über das Vermögen und die Schulden der Kleinkinderschule vorzulegen, sowie eine Aufstellung darüber vorzulegen, welche Kosten eventuell entstehen würden, wenn die Kleinkinderschule von der Stadt übernommen würde."

 

   Bürgermeister Ziegler schrieb am 12. Februar 1931 an das Landeswohlfahrtsamt in Schwerin:

   “Infolge Ausbleibens der privaten Zuschüsse ist das Fortbestehen der hiesigen Kleinkinderschule aufs Äußerste gefährdet. Bereits im vorigen Jahre ist es dem Verein der Kleinkinderschule nur möglich gewesen, durch einen erhöh­ten Zuschuß der Stadt und eine einmalige Beihilfe der Landeskirchenkasse das Fortbestehen der Schule vorüber­gehend sicher zu stellen. Es war jedoch nur möglich, einen Teil des vorhandenen Defizits durch diese Zuschüsse zu decken, und so ging der Verein mit schwerer Sorge in das laufende Wirtschaftsjahr. Was der Verein befürchtete, hat sich eingestellt, nämlich, dass es trotz aller Be­mühungen nicht möglich gewesen ist, neue Einnahmequellen zu schaffen. Wenn auch die Stadt einen Teil des Unterschusses, der sich am Ende des Jahres 1930 auf 900 RM. stellte, decken wird, so ist sie zu einer Deckung des ganzen Unterschusses infolge anderer dringender Fürsorgepflichten nicht in der Lage. Der Vorstand des Vereins der Kleinkinderschule richtet daher an das Landeswohlfahrtsamt die erge­benste Bitte, ihm durch Gewährung eines Zu­schusses behilflich zu sein, einen wichtigen Teil des Fürsorgewesens, nämlich das Bestehen der hiesigen Kleinkinderschule zu gewährleisten. Bei der heutigen schwierigen Wirtschaftslage sind die Frauen der arbeitenden Bevölke­rung mehr als je darauf angewiesen, durch Mitverdienen zum Lebensun­terhalt der Familie beizutragen. Infolgedessen vernotwendigt sich eine Beaufsichtigung der Kinder, was in der Kleinkinderschule ge­währleistet wird. Der Vorstand bittet um wohl­wollende Berücksichti­gung seines Gesuches und hofft, keine Fehlbitte getan zu haben.”

 

   Die Stadtverordnetenversammlung beriet am 28.3.1931 erneut über diese Angelegenheit:

   “Es wurde einstimmig beschlossen, einen weiteren Betrag 800 RM in den Etat einzustellen und dem Vorstand des Vereins der Kleinkinderschule die Anregung zu geben, bei den Eltern der Schulkinder darauf hinzuwirken, daß sie dem Verein mit einem Jahresbeitrage von 1 RM beitreten und von denjenigen Schulkindern, deren Eltern dem Verein nicht angehören, das doppelte Schulgeld zu erheben.”

 

   Im April 1931 besuchten 38 Kinder die Kleinkinderschule.

   Etwa 1932 ging die Kleinkinderschule in den Besitz der Stadt über, der Pastor behielt sich aber das Mitspracherecht vor.

   Vom 1.10.1931 ab wurde der hinter der Kleinkinderschule belegene Garten an den Schuhmacher Henschel verpachtet für jährlich 20 RM.

   Der Verein “Kleinkinderschule” wurde am 24. März 1939 aufgelöst und das Grundstück mit Inventar der NS. Volkswohlfahrt e.V. in Berlin zum Betrieb einer Kindertagesstätte durch Vertrag vom 14. März 1939 überlassen. Die NS. Volkswohlfahrt e.V. in Berlin erwarb das Grundstück als Eigentum.

 

 

Als Leiterinnen der Kleinkinderschule
waren folgende Diakonissinnen tätig:

 

     Emma Rath     ab 1.9.1901 bis 24.8.1903
     Anna Hagemann     ab 24.8.1903 bis 1904
     Auguste Latz     1904 bis 4.10.1905
     Caroline Inehl     ab 4.10.1905 bis Juli 1909
     A. Pr. (?)     um 1913
     Marie Licht     ab 1922 bis nach 1945

 

Ansicht des Kindergartens mit Schwester Marie Licht 1932

 

Ansicht des Kindergartens mit Schwester Marie Licht 1932

 

 

Ansicht des Kindergartens am 26.8.1932 mit Frau Henschel

 

Ansicht des Kindergartens am 26.8.1932 mit Frau Henschel

 

 

Kindergartengruppe mit Schwester Marie Licht 1933 (1)

 

Kindergartengruppe mit Schwester Marie Licht 1933

 

 

Kindergartengruppe mit Schwester Marie Licht 1933 (2)

 

Kindergartengruppe mit Schwester Marie Licht 1933

 

 

Der Garten im hinteren Teil des Kindergartens (Aufnahme von 1935)

 

Der Garten im hinteren Teil des Kindergartens
(Aufnahme von 1935)

 

 

Kindergartengruppe 1937 (links oben: Diakonissin Marie Licht

 

Kindergartengruppe 1937
(links oben: Diakonissin Marie Licht)

 

 

Das Gebäude der Kleinkinderschule auf einer Ansichtskarte um 1940 (rechts)

 

Das Gebäude der Kleinkinderschule
auf einer Ansichtskarte um 1940 (rechts)

 

 

Rechnung vom 21.1.1946

 

Rechnung vom 21.1.1946

 

 

Kindergärtnerinnen 1949 (1)

 

Kindergärtnerinnen 1949

 

 

Kindergärtnerinnen 1949 (2)

 

Kindergärtnerinnen 1949
von rechts: Rosemarie Sondermann, Gerda Lüssow, Helga Kohfeldt, Gottraud Lucka, Sigrid Nowack

 

 

Kindergärtnerinnen mit Kindergruppe 1949

 

Kindergärtnerinnen mit Kindergruppe 1949

 

 

Kindergartengruppe 1949

 

Kindergartengruppe 1949

 

 

Kindergartengruppe um 1950

 

Kindergartengruppe um 1950

 

 

Kindergruppe um 1953/54 beim Frühstück mit Brot und Milch, Kindergärtnerin Marianne Foth

 

Kindergruppe um 1953/54 beim Frühstück mit Brot und Milch, Kindergärtnerin Marianne Foth

 

 

Faschingsfeier im Kindergarten 1955 (1)

 

Faschingsfeier im Kindergarten 1955 (2)

 

Faschingsfeier im Kindergarten 1955

 

 

Kinderkartengebäude um 1970

 

Kindergartengebäude um 1970

 

 

Frau Lucka mit ihrer Gruppe 1982

 

Frau Lucka mit ihrer Gruppe 1982