„Deutsches Haus“
Heute ist diese frühere Gaststätte als „Bürgerhaus“ - Rektorstraße 13 - bekannt. Ursprünglich standen an dieser Stelle das 1805 erbaute Schulhaus und das Rektorhaus. Als 1862 ein neues Schulhaus eingeweiht wurde, nutzte die Stadt das alte Schulhaus als Armenhaus. Nach dem Tod des Rektors Billenberg 1874, der im Haus 185 (heute Rektorstraße 13) wohnte, kaufte Gottlieb Friedrich Christoff Lagemann (geb. 8.4.1826, gest. 25.6.1887) das „Rektoretablissement" und richtete hier eine Gaststätte mit einem kleinen Saal ein. Sein Sohn, Fritz Dethloff Theodor Lagemann (geb. 22.10.1855, gest. 12.7.1910) führte die Gaststätte weiter. 1894 ließ er sich vom Maurermeister Wilhelm Harm eine neue Gastwirtschaft weit außerhalb der Stadt an der Straße nach Malchin am Weg zum Gartsbruch erbauen (heute Standort der katholischen Kirche).
"Neukalener Wochenblatt" vom 6.2.1889
Im Oktober 1894 zog der vorherige Tischler Rudolf Carl Georg Wilhelm Gantzel aus Malchin nach Neukalen. Er hatte 1893 die Gaststätte Rektorstraße 13 vom Gastwirt Fritz Lagemann gekauft und das alte Haus abreißen lassen. An dessen Stelle erbaute er das heute bekannte zweistöckige Haus mit einer Gaststätte im Erdgeschoß und Wohnungen in der 1. Etage. Am 2.10.1894 eröffnete er die neue Gaststätte unter dem Namen "Deutsches Haus".
"Neukalener Wochenblatt" vom 4.10.1895
1902 bemühte sich Rudolf Gantzel um den Ankauf des städtischen Armenhauses, welches 1886 noch von der Stadt innen ausgebaut worden war, aber nun leer stand:
„… Mein Hintergrundstück steht mit dem Armenhause unter einem Dache, es ist dies für mich ja gerade nicht vom Vorteil. Durch Ungeziefer habe ich auch viel zu leiden, jetzt noch mehr, da es augenblicklich unbewohnt ist. Von meiner Seite aus würde ein sofortiger Abbruch geschehen und würde ich eine der Straßenfront entsprechende Mauer längs ziehen. Gehorsamst bitte ich den verehrlichen Magistrat nochmals, meinem Gesuche näher zu treten und mir evtl. Kaufsbedingungen mitzuteilen zu wollen. Eines verehrlichen Magistrats gehorsamster R. Gantzel - Gastwirt - Neukalen d. 10. Juni 1902.“
Auf der erweiterten Ratssitzung am 13.6.1902 wurde beschlossen, das Armenhaus unter festgelegten Bedingungen öffentlich meistbietend zu verkaufen. Rudolf Gantzel erwarb es dann für 1350 Mark. Das Gebäude wurde abgerissen und an diesem Ort der heute noch bekannte Saal errichtet.
Etwa ab 1907 verpachtete Rudolf Gantzel die Gaststätte an Wilhelm Wegener, ab 1911 an Gustav Strohfeldt, ab 1914 an einen Herrn Dethloff und von 1919 bis 1921 an Heinrich Kollmorgen. Ab etwa 1920 wurden im Saal des „Deutschen Haus“ die ersten Stummfilme gezeigt. Elfriede Fröber (geb. 20.3.1902, gest. 10.1.1994) spielte damals auf dem Klavier die Begleitmusik dazu. Ab Oktober 1921 bis März 1922 gehörte die Gaststätte Heinrich Siebald. Danach übernahm Bernhard Lettow das „Deutsche Haus“, der aber noch im selben Jahr Pleite machte. Auf der Stadtverordnetenversammlung am 22.9.1922 wurde der Beschluß gefaßt, daß die Stadt das Gebäude kauft. Ab 23.9.1922 gehörte es bereits der Stadt und ab 1.12.1922 wurde der Gastwirtschaftsbetrieb eingestellt. Bis Ende Februar 1923 erfolgte dann ein Umbau des Saales zur Turnhalle, wobei die vorhandene Bühne einstweilen noch belassen wurde. Den Kinoapparat kaufte der Hotelbesitzer Paul Behrend für 400000 Mark. Es war die Zeit der Inflation. Bis 1922 waren Kinoveranstaltungen durch fremde Vorführer auch in den anderen Sälen vorgenommen worden. Mit dem Verkauf des Vorführgerätes gab es dann in Neukalen bis nach 1945 nur noch Kinoveranstaltungen im „Hotel Behrend“. Das frühere Vorführungszimmer im „Deutschen Haus“ wurde entspr. einem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung am 6.4.1923 als Gewerkschaftszimmer eingerichtet und an das Gewerkschaftskartell vermietet. In die Wohnräume der 1. Etage zogen der Kommissar Otto Jessel und der Maurer Hannes Koch ein.