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Zur Geschichte des Sports in Neukalen

 

Mario Heinzel

 

 

Motorsport / Motocross

 

   In unserer Reihe über den Sport in Neukalen widmen wir uns in dieser Ausgabe dem Motorsport. Dieser bereicherte das Stadtgeschehen ab den frühen fünfziger Jahren. Geburtsort und immerwährender Mittelpunkt war die Werkstatt von Wilhelm Schulz am Bahndamm. Das war jener Mann, der im ersten Jahr nach dem Krieg 346 kleine Kochherde aus Schrottblech für die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt anfertigte. Das brachte ihm den unvergessenen Spitznamen "Kochhexenschulz" ein. 1954 gesellte sich Willi Schmiedeberg dazu. Er fuhr zu diesem Zeitpunkt schon Sandbahnrennen für die BSG Lok Malchin. Als Neukalener suchte er einen geeigneten Ort für die Wartung seiner Maschine und fand diesen in Wilhelm´s Werkstatt. Da hatten sich die richtigen zusammengetan. Willi´s Sohn, Uwe Schmiedeberg, erbte das Technikwissen von beiden und wurde neben einem guten Sandbahnfahrer, auch Chefmechaniker und Lehrmeister beim späteren mehrfachen DDR-Meister MC Kraftverkehr Malchin. Zusammen mit Kurt Tetzlaff und Steinmetz Behrendt gelang es den dreien, einige junge Leute für den Sport und die Technik zu begeistern. Zunächst erfolgte alles in Eigenregie. Erste Bahnerfahrungen sammelten die Burschen auf der Bahn in Dargun. Zu ihnen gehörten Siegfried Warnitz, Paul Groß, Klaus Matznick, Horst Schäfer, Uwe Schmiedeberg, Ewald Schwarz, Klaus Lange, Manfred Rahmel, Kurt Krüger, Gerhart Lange und Manfred Leverenz. Viel Zeit und ihr weniges Geld steckten sie in ihre Maschinen. Hunderte von Stunden, sehr oft zum Ärger ihrer Eltern, bastelten sie an ihren Jawa, KT oder AWO (Klaus Lange besaß die einzigste Viertakt-AWO). Wenn sie nicht weiter wußten, bei Wilhelm am Bahndamm gab es immer einen Rat und auch oft das passende Ersatzteil. Im Frühjahr 1958 begannen sie in den Judentannen, hinter dem Sportplatz Richtung Sandkuhle, mit dem Bau einer eigenen Crossbahn. Unter der Anleitung der "Alten" zogen die Jungs Schneisen durch Wald und Flur. Das alles nur mit Schaufel und Spaten. Die Bahn wurde vor ihrer ersten Benutzung mit genügend Schweiß gewässert.

   Aus Versicherungsgründen trat die Neukalener Motorsportgruppe 1958 dem ADMV Teterow bei. Jetzt konnten auch die ersten Rennen gefahren werden. Bei Veranstaltungen in Teterow und Neustrelitz konnten sie sich erstmals unter Wettkampfbedingungen beweisen und schnitten gut ab.

   Am 5.10.1958 war es dann soweit. Man hatte Motorsportler aus der Umgebung zum ersten Neukalener Motorsporttag eingeladen. Auf dem Programm standen ein Gelände-Geschicklichkeitsturnier und Handicapläufe. Die Neugier auf die frische Bahn ließ die Teilnehmerzahl über die Erwartungen hinausschießen, so daß Rennleiter Willi Schmiedeberg Probleme bekam, das Programm an einem Tag durchzuziehen. Auch eine auf mehrere hundert geschätzte Zuschauerzahl schien dem Rennen einen guten Rahmen zu geben. Das Wetter spielte mit, die gastronomische Versorgung durch die Fahrerfrauen brach nicht zusammen. Nun fehlte nur noch der Erfolg, und der sollte auch nicht ausbleiben. Beim Geschicklichkeitsrennen - hier hieß es mit einer Straßenmaschine über einen Geländekurs, der gespickt war mit natürlichen Hindernissen, Wippen und Slalomstangen, schnell und sicher (bei jedem Fehler gab es Strafsekunden) zu kommen - gab es den ersten Neukalener Sieg durch Ewald Schwarz in der Klasse 5 - 175ccm.  Neben weiteren guten Ergebnissen gab es auch noch zwei Siege durch Klaus Matznick. Er gewann mit seiner BK 350 die Geländefahrt und das Handicaprennen. Das alles geschah vor den wachsamen, sportbegeisterten Augen von "Rennärztin" Frau Dr. Voigt und ihrer netten Assistentin. Sie waren gleich zur Stelle, wenn es kleinere Blessuren zu versorgen gab. Die Preise für die Sieger und Platzierten entsprachen damals den Möglichkeiten der Vereine. Neben den obligatorischen Urkunden gab es z.B. Vasen, Bilder, eine Oberhemdtasche, Buchbeschwerer oder manchmal einen Silberlöffel dazu.

   Der Handicaplauf (offene Klasse) wurde durch das seit 1930 stattfindende Bergringrennen bekannt. Die Gründer dieser Veranstaltung, Carl Schröder und Willi Peters, waren an diesem und bei vielen späteren Renntagen Ehrengäste der Neukalener.

 

1.5.1958 in Teterow

 

1.5.1958 in Teterow

 

Von links: Kurt Tetzlaff, Wilfried Schoknecht, Wilhelm Schulz, Manfred Rahmel, Georg Behrendt, Ewald Schwarz, Paul Groß, Klaus Matznick, Vater Flackmann, Horst Schäfer, Günter Flackmann


Werkstatt Schulz

Werkstatt Schulz

 

Von links: Manfred Rahmel, Wilhelm Schulz, Alfred Stübs


Klaus Matznick (1)

Klaus Matznick (2)

Klaus Matznick

 

 

7.10.1958, von links: Wolter, Schwarz, Kümmel

 

7.10.1958

 

Von links: Wolter, Schwarz, Kümmel

 

 

   Im Jahr 1959 erhielt der Neukalener Motorsport noch einen weiteren Qualitätssprung. Unter dem Vorsitz von Kurt Tetzlaff wechselte die Gruppe innerhalb des ADMV von Teterow nach Malchin. Jetzt gehörte sie zum MC Kraftverkehr Malchin. Dieses wurde, wie schon der Beitritt vor einem Jahr, ordentlich gefeiert. Der Fußboden im Saal vom Hotel Seemann am Markt mußte einiges aushalten, aber daran war dieser ja gewöhnt. Hier trafen sich die Motorsportler, besonders im Winter  wenn sie ihr Krafttraining in der Turnhalle absolviert hatten auf das eine oder andere Bierchen. Ohne Maschinen versteht sich, denn Fahren unter Alkohol wurde schon damals zu Recht beäugt und bestraft. Das Vorhandensein eines Trägerbetriebes wie dem Kraftverkehr machte die Sportler jetzt mobiler. Sie konnten Einladungen von Rennen in weiter weg liegende Orte annehmen. So kamen sie jetzt auch als Gruppe über die Bezirksgrenzen hinweg. Meistens ging es mit einem alten "ELO-Granit" übers Land. Eine dieser Fahrten nach Grevesmühlen blieb vielen wegen einer lustigen Randerscheinung im Gedächtnis. Auf der Rückfahrt von dort ging es dem "ELO" nicht besonders gut. Er stotterte und qualmte aus allen Poren. Hinten auf der Ladefläche saß neben vielen anderen auch die Frau von Klaus Lange. Die Gisela, frisch blond gefärbt wie heute noch, hatte natürlich während der Fahrt ein Kopftuch auf. Sie freute sich, daß die Gesichter ihrer Mitfahrer immer dunkler wurden. Doch bei der Ankunft in Neukalen drehte sich das Blatt. Als sie dort ihr Kopftuch vom Kopf nahm, hatte sie mit schwarz gefärbtem Haar das Schmunzeln auf ihrer Seite und Geld für das "Färben" gespart.

   Aus dem Jahr 1959 gibt es ein beachtliches Zeitdokument. Am 16. August beim 2. Neukalener Geschicklichkeitsturnier standen die Schmiedebergs mit einer Kamera an der Bahn in den Judentannen und drehten beeindruckende Aufnahmen vom Renngeschehen sowie von dem ganzen Trubel darum. Darauf sind viele Aktivisten jener Zeit zu sehen. Neben den schon genannten zum Beispiel der Schornsteinfeger Heiner Timm, die Teterower Robert Damann und Erwin Flörie sowie die Edelhelfer Alfred Stübs und Erich Kabel. Über diesen Erich gibt es auch etwas Lustiges zu berichten. In der Bahnhofsstraße blieb einmal eine Maschine stehen, entweder von Paul Groß oder Klaus Matznick. Diese wurde vor Ort von Erich durchgecheckt und von ihm wieder angeschoben. Doch als er hinten aufspringen wollte, um mit zu Wilhelm in die Werkstatt zu fahren, gab der Fahrer Gas. Erich hing noch zehn Meter wie ein Schluck Wasser hinten dran, dann wurde es ihm zu heiß am "Allerwertesten", und er mußte loslassen. Da wo vorher ein Stück Stoff sein Hinterteil verbarg, da blitzten jetzt zwei abgeschrammte Backen hervor. Sicherlich ein köstlicher Anblick, wie er sich durch Neukalens Straßen nach Hause schlich.

 

Wilhelm Schulz und Kurt Tetzlaff wachen über die Schmiedeberg - Maschinen

 

Wilhelm Schulz und Kurt Tetzlaff
wachen über die Schmiedeberg - Maschinen

 

 

Klaus Matznick und Ewald Schwarz

 

Klaus Matznick und Ewald Schwarz

 

 

Urkunde Ewald Schwarz (1)

 

Urkunde Ewald Schwarz (2)

 

Urkunde Ewald Schwarz (3)

 

Urkunden für Ewald Schwarz

 

 

1959, von links: Helmut Möller, Klaus Matznick, Schröder

 

1959

 

Von links: Helmut Möller (2. Platz), Klaus Matznick (1. Platz), ... Schröder (3. Platz)


Von links: Timm, Horst Schäfer, Ewald Schwarz, Otto Vandrey

1959

 

Von links: Timm, Horst Schäfer, Ewald Schwarz, Otto Vandrey


Ewald Schwarz (1)

Ewald Schwarz

 

 

Ewald Schwarz (2)

 

Nr. 132 Ewald Schwarz, 1959 bei den "Judentannen"

 

 

Horst Schäfer in Waren 1961

 

Horst Schäfer in Waren 1961

 

 

In Erfurt?

 

In Erfurt? In der Mitte Wilhelm Schulz,
daneben Robert Damann, Steinmetz Behrendt, Schmiedeberg

 

 

Waren 1963

 

Waren 1963

 

Von links: Ewald Schwarz, Mertens (dt. Meister), Koch

 

 

   Drei Disziplinen besetzte die Sektion jetzt. Auf der Sandbahn war es Uwe Schmiedeberg, der für die Neukalener erfolgreich Rennen bestritt. Klaus Matznick war der Mann für die Geschicklichkeitsläufe, heute besser bekannt als Trial. Mit seiner MZ BK 350 aus Zschkopau (früher DKW) holte er bis zu seinem Wegzug aus Neukalen viele Preise nach Hause. Ob in Pasewalk, Anklam oder Prenzlau, er stand auf dem Podest und gehörte somit zu den Besten in den Nordbezirken. In der Disziplin Geländelauf glänzten vor allem Horst Schäfer und Ewald Schwarz. Neben vielen regionalen Siegen wurden sie 1963 Bezirksmeister. Dies ermöglichte ihnen die Teilnahme an den DDR-Meisterschaften in Merkers. In der "Kalistadt" stießen sie mit ihren Maschinen (Marke Eigenbau) an ihre technischen Grenzen. Dort hatten die 175-ccm von Ewald und die 250-ccm von Horst keine Chance gegen die Werksmaschinen. Sie hatten mit der Teilnahme schon Großes erreicht.

   Ab dem Jahr 1963 bis zur langsamen, hauptsächlich gesundheitsbedingten, Auflösung 1966 zogen die Motocrosser in Richtung Heidetal. Der Verlauf der alten Bahn in der Nähe des Sportplatzes und des Wohnhauses Schnürer rief "späte" Proteste auf den Plan. Inwieweit da die Kirche, in Person von Pastor Beencken und seine Fußball spielenden Jungs eine Rolle gespielt haben, blieb bei den Nachforschungen im Dunkeln. Die Motorsportler gaben sich geschlagen und beschlossen, im Heidetal eine neue Bahn zu errichten. Noch einmal wurden alle Kräfte aufgeboten und viele Stunden geleistet. Doch das Ergebnis sollte sich auch diesmal sehen lassen, so jedenfalls war die eindeutige Meinung der neutralen Streckenbeobachter. Krönung der Bahn war der von Paul Groß gezimmerte Sprecherturm. Paul gehörte auch zu jenen Fahrern, die diese doch sehr schwierige Strecke offiziell abnahmen. Nur schade, daß diese Bahn nur ein richtiges Rennen im Jahr 1964 sah. Bei diesem stürzte auch Horst Schäfer. Ein Schienbeinbruch und eine komplizierte Knieverletzung bedeuteten für ihn das Laufbahnende. Der Nachwuchs trainierte ohnehin mehr in Dargun, und für sie sollte es mit dem Motorball bald eine neue sportliche Zielsetzung geben.

   Alle diese Ereignisse hatten den schon zu Beginn dieser Erinnerungen genannten Ausgangspunkt: die Werkstatt von Wilhelm Schulz. Er ließ seine eigentliche Arbeit liegen, sofern seine Jungs da waren. Mit Karl Niehusen, der bei Wilhelm in die Lehre ging, gab es dort einen weiteren technisch begabten Ansprechpartner. Wo das Problem auch lag, hier gab es für alles eine Lösung. War es die fehlende Schraube, ein Schuss vom Spezialöl oder ein kleines Schnäpschen, egal, keiner wurde so nach Hause geschickt. Hier befand sich auch das damalige "Büro" des ADMV. Chefkassiererin Hanni Gültzow fand Gefallen am Werkstattgeruch und war oft dort anzufinden. Über den ADMV wurde viel gesellschaftliche Arbeit bis weit in die heutige Zeit hinein organisiert. Auch stimmt die Behauptung nicht, es sei ein "Männer unter sich Verein". Wo es nur ging, waren die Frauen mit dabei. Fast jeder der Fahrer, der "gebunden" war, konnte seine bessere Hälfte für seinen Sport begeistern. So waren sie mit an der Strecke, halfen bei der Versorgung und Organisation oder gingen auch mit Kind und Kegel mit auf Reisen. "Hut ab vor den Damen", das sagen sie noch heute. Nur an die Maschinen durften sie nicht. Das war "Männersache".

   Diese Sportart ist vor einigen Jahren wieder richtig in Neukalen angekommen. Einige junge Leute, allen voran Christof Henke und Mattias Schubert, "rauften" sich zusammen, um ihr Hobby Motorsport gemeinsam zu erleben. Sie wurden unter Leitung von Roman Orlowski eine Sektion beim TuS Neukalen und schufen sich am Rande des Malchiner Waldes (hinter der Ziegelei und diesmal mit schwerer Technik, aber auch genauso viel Fleiß) die dritte Motocrossbahn in der Neukalener Geschichte. Die beiden erstgenannten fuhren im Jahr 2006 auch schon die ersten größeren Erfolge ein. Und das in einer interessanten Disziplin, dem Motor-Biathlon. Bei den deutschen Meisterschaften wurde Christof 4. (250-ccm Suzuki) und Mattias 7. (85-ccm Jamaha) in der Einzelwertung, und beide landeten mit ihren jeweiligen Mannschaften auf dem 1. Platz. Im nächsten Jahr gehen die Jungs mit eigener Neukalener Mannschaft an den Start. Daß diese Aussicht nicht den einen oder anderen alten Strategen an die neue Bahn lockt, sollte jetzt kein Zufall mehr sein.

 

 

 

Motoball

 

   Einer der jungen wilden Neukalener Motocrosser machte ab Anfang der siebziger Jahre eine "große" Karriere im Motorsport. Als Vater des Motoballes in Malchin schaffte er es auf die erste Seite aller Sportzeitungen der DDR. Manfred Rahmel mußte 1964 nach einem Unfall die Cross-Strecken als Aktiver verlassen und mußte seine Maschine in die Ecke stellen. Doch da sollte sie nicht lange bleiben. Wenn er schon nicht selber Gas geben konnte, wollte er wenigstens mit Rat und Tat dabei sein. So folgte er ein Jahr später dem Ruf seines "Meisters" Wilhelm Schulz. Der war inzwischen Vorsitzender des MC "Mecklenburger Schweiz" Malchin, und Manfred übernahm die Motocrossabteilung des Clubs. Seine Arbeit als Busfahrer beim Kraftverkehr Malchin als Trägerbetrieb erwies sich hier natürlich als Vorteil.

 

Straße der Freundschaft 49, links Manfred Rahmel

 

Straße der Freundschaft 49, links Manfred Rahmel

 

 

   Beim Motocross stagnierte Ende der sechziger Jahre die Entwicklung. Zu groß wurden die Unterschiede zwischen Werks- und Eigenbaumaschinen. Eine neue Disziplin des Motorsports war 1965 in unserem Land angekommen. Aus Anlaß der Friedensfahrtankunft im Erfurter Georgi Dimitroff - Stadion fand das erste Spiel zwischen MC Energie Erfurt und dem MC Gotha statt. Gemeinsam mit Alfred Stübs (später Hauptschiedsrichter der 1.Liga) fuhr er zu einem Spiel des damaligen DDR - Meisters Betonwerke Dresden. Eine ganz fürchterlich staubige Sache. Aber irgendwie war da was dran. Das mußten die Jungs zu Hause sehen, und sie hatten eine Idee. Da Motorsport und Bergring ein Begriff sind, schloß man für Pfingsten 1968 ein Werbespiel zwischen den Dresdnern und dem MC Straßenwesen Radebeul ab. Das Spiel gab den letzten Anstoß, und der Gedanke so etwas in Malchin aufzubauen wurde jetzt auch in die Tat umgesetzt. Im Frühjahr 1969 fuhren sie noch einmal nach Dresden, um sich mit technischen Details vertraut zu machen. Und sie erfuhren auch, daß dieser Sport viel Geld und noch mehr Zeit benötigt. Doch das schreckte nicht ab, war man es doch aus Cross-Zeiten gewöhnt.

 

Ewald Schwarz und Mechaniker Stübs

 

Ewald Schwarz und Mechaniker Stübs

 

 

   Alfred Stübs, LKW-Fahrer beim Kraftverkehr, fungierte als erster Konstrukteur und Monteur zugleich. Er wollte bauen und durfte das in der Kfz-Werkstatt von Meister Wilhelm Schulz in Neukalen. Es wurden alte MZ RT 125 aufgekauft, egal ob intakt oder Schrott. Manfred Rahmel kannte in der näheren und weiteren Umgebung jeden Schrottplatz. Und wenn sich mancher damals gewundert haben mag, warum der Bus an ungewöhnlichen Stellen stoppte, einer wußte warum. Und dann kam auch VP-Obermeister Erhard Heidmann und ließ ganz beiläufig wissen, der oder jener habe sein Motorrad zur Verschrottung aus dem Verkehr gezogen. So hatten sie bald genug einsatzfähige Maschinen zusammengeschustert, und auch die 40 cm großen Spezialbälle fanden unter Schwierigkeiten doch den Weg ins noch unbekannte Malchin.

   Am 6.10.1969 kam es in Stavenhagen dann zur Premiere für die Malchiner Motoballer. Gegner war das gestandene Betonwerkerteam aus Dresden. Die Elbflorenzer pusteten die "unerfahrenen" Gastgeber förmlich vom Platz und gewannen 11:0. Einen Tag später gab es vor 1200 Zuschauern in Malchin ein 10:0. Im "Mecklenburger Hof" in Stavenhagen, wo man sich stärkte, wurde den Dresdnern gesagt: "Mit euch geht das ja schon ganz gut" - aber zu den Malchinern geblickt: "Doch was wollen die Schuljungen hier?" Die Ergebnisse und der Begriff "Schuljungen" weckten den Ehrgeiz der Burschen noch mehr.

   Es verfloß auch gar nicht so viel Peenewasser bis zum ersten Erfolgserlebnis der Newcomer. Am 25.10.1969 feierten sie einen grandiosen 6:0 Sieg über die ASG Berlin Karlshorst. Angriffsspieler Klaus Lange eröffnete damals den Torreigen für die Malchiner. Selbstbewußter geworden, gaben sie nun ihre Teilnahmemeldung zur 2. DDR-Liga ab. Malchins Flotte wuchs, brauchte und suchte ein Meer zum Segeln. Ein neues Problem. Wer regierte den Sport in Malchin, na klar König Fußball. Und der hatte sich auch auf dem Hartplatz an der Warener Straße eingenistet, auf den die Motoballer so scharf, aber auch zum Teilen bereit waren. Anfangs führte da sozusagen kein Motoball - Weg über das Fußballfeld. Bis Bürgermeister Willi Autenrieb die Sache in die Hände nahm. Und siehe da, von diesem Zeitpunkt an spielten sie sich ein, die Fußballer, die Motoballer und der Schulsport. Und weil die Motoballer die PS - Kräftigsten sind, ebnen sie den Platz nach jedem Spiel. Und bald sagte man: "Wir hatten in Malchin noch nie ein so gutes Spielfeld". Also bitte.

 

   Als Motoballkind begann Malchin den Punktspielbetrieb 1970 in der 2. Liga und mußte erst einige Paar Schuhe austreten, um auf eigenen Füßen stehen zu können. Das ging nicht nur im Spielgeschehen, sondern mußte schon im Training geübt werden. Aber ständig Motorenlärm nach Feierabend in der Stadt? Man entsann sich eines ehemaligen Reitplatzes am Hainholz, etwa zwei Kilometer außerhalb. Der sportfreundliche Rat der Stadt schenkte ihn den Motoballern als Trainingsplatz. Dieser wurde in vielen tausend Stunden nach und nach ausgebaut. Das Jahr 1970 wurde mit dem 3. Platz abgeschlossen. Weil die zweite Mannschaf eines Klubs nicht aufstiegsberechtigt ist, kam Malchin gemeinsam mit Radebeul ins "Oberhaus" - sprich 1.Liga. Die ganze Sache erforderte nun doch einen "Spezialklub". Nun wurde das Jersey, das der MC Malchin trug, zu eng. Punktspiele in der ganzen Republik, Materialfragen, geregeltes Training, Verkehrserziehung, Touristik, Rallysport und eine Frauen- und Jugendgruppe. Das war zu viel Programm. Die Freunde des Motoballsportes trennten sich von ihrem Mutter-Klub und bildeten, 27 Mann (unter ihnen viele Neukalener) stark, den MC Kraftverkehr Malchin. Dem besonderen Engagement des damaligen Betriebsdirektors des VEB Kraftverkehr Malchin, Günter Großkopf, ist es zu verdanken, daß dieses bereits im Januar 1971 möglich wurde. Nun waren die Spezialisten unter sich. Vorsitzender wurde jener Günter Großkopf, Geschäftsführer war Manfred Zarembik, Trainer und Mannschaftsleiter Manfred Rahmel und für die Öffentlichkeitsarbeit war Karin Fröhlich verantwortlich. Ein Stern begann aufzusteigen, und am Ende der Saison steht ein vierter Platz in der Eliteliga der DDR. Auf dem Gelände des Kraftverkehrsbetriebes ist aus Beton-Altteilen eine Werkstatt entstanden, in der jeder Motoballer wirken darf oder besser wirken muß, um Neues zu bauen und bei Spielen Ramponiertes zu reparieren. Nur an das Zurichten der normalen Serienmotoren für den Motoball-Einsatz geht keiner. Das ist Geheimnis und Vorrecht von Chefmechaniker und Lehrmeister Uwe Schmiedeberg, der in der Lehrwerkstatt nach Feierabend die Pferde zum Wiehern bringt. Ihm zur Seite stehen mit Joachim Glöde, Hans Goldenbaum und Alfred Stübs erfahrene Leute. So ganz nebenbei wurde auch erwähnt, daß in dieser Werkstatt bereits 1972 ein auf Elektroantrieb umgebauter Wartburg als Fahrschulwagen entwickelt wurde. Manfred Zarembik war der Herr der Zahlen und Fakten. Er wußte zu jedem Spieler immer auch die entsprechenden Daten. Manfred Rahmel wußte sie auch, aber mehr auf die praktische Art. So kannte er von seinen zehn Stammspielern (Karl-Heinz Mieckley, Klaus Gieseler, Ulrich Suhr, Georg Kaps, Dieter Duglinski, Peter Gieseler, Peter Kaps, Gerhard Stübs, Ralf Wascher und Theodor Körner) selbst das kleinste sportliche Detail. Jeden Mittwoch trainierten sie in der Halle, um die Kondition zu fördern. Jeden Sonntag, gleich ob Sommer oder Winter, ob Sonne oder Schnee ging es auf den Trainingsplatz im Hainholz, um dort die Gewöhnung an das Motorrad zu schulen. Das galt ab 1973 auch für die sich um Jochen Krüger und Hanning Glasow formierende zweite Mannschaft, und nicht zu vergessen die 12- bis 16jährigen die mit der guten alten RT zu üben beginnen. Auch in dieser Altersklasse spielten schon einige Neukalener, wie z.B.: Leo und Dieter Reetz, Volker Gamm und Peter Waschk. Das war die Arbeit von Manni, wie sie ihn oft nannten. Ein Journalist schrieb einmal über ihn ganz treffend: "Alle seine Bewegungen, selbst wie er die Mütze abnimmt und zur Seite legt, verraten Gelassenheit, zeigen, wer sich ihm anvertraut, der ist in guten Händen, kommt ans Ziel, wie der Bus, den er täglich chauffiert. Manfred Rahmel ist der Motoballer von Malchin, er ist eben der Vater des Ganzen. Nur wahrhaben will er es nicht, zu bescheiden."

   Die 4 x 20 - Minuten - Jagd auf den mit 250-ccm-Motoren ausgerüsteten Maschinen (Spritverbrauch ca. 30 Liter je Motorrad) nach und mit dem Ball, der 1000 Gramm Gewicht nicht überschreiten darf, hat die Malchiner fasziniert. 1250 Zuschauer kamen im Schnitt zu den Heimspielen, und bis zu 300 Schlachtenbummler fuhren mit Sonderbussen und PKW zu entscheidenden Auswärtsspielen. Zu internationalen Vergleichen (z.B. 1973 gegen den international erfahrenden UdSSR -Meisterschaftsdritten Riga) und bei Länderspielen kamen bis zu 5000 Zuschauer in die Arena.

   1972 gelang dann zum ersten Mal der große sensationelle Wurf. Der MC Kraftverkehr Malchin wurde - ohne auch nur einen einzigen Punkt abzugeben (20:0) und mit nur zwei Gegentreffern (46:2) - DDR-Meister. Nicht genug damit, siegten die Mannen um Manni Rahmel auch im Endspiel des von der Redaktion "Illustrierter Motorsport" gestifteten Pokals.

   Der Durchbruch war geschafft. Bis 1975 blieben sie ununterbrochen die Nummer eins im Land. Viermal holten sie auch den Pokalgewinn, letztmalig 1981. 1974 beauftragte der ADMV den MC Kraftverkehr Malchin mit der Durchführung des ersten Trainingslager für die neu gegründete Nationalmannschaft. Die besten Spieler des Landes, unter ihnen Georg und Peter Kaps, Peter Wascher und Peter Gieseler aus Malchin, trafen sich im Ferienlager Neuhäuser bei Basedow. Ein Höhepunkt für alle Sportfreunde war das Übungsspiel der Nationalmannschaft gegen das Team des MC Kraftverkehr. Die Mannschaft des Gastgebers war auf dieses Spiel gut vorbereitet und kämpfte vor 4000 Zuschauern mit großem Einsatz. Die "eigenen" Leute sorgten für den 3:1 Sieg der Landesauswahl. Weitere Spieler, z.B. Karl-Heinz Mieckley und Klaus Gieseler schafften später den Sprung in die Elitetruppe. Mit Alfred Stübs, Roland Volkmann und Günter Herbst besaß Malchin drei hoch anerkannte Schiedsrichter. Einige Spiele fanden auch auf dem Neukalener Sportplatz an den Judentannen statt; so 1977 gegen Apolda vor gut 2500 Zuschauern, unter ihnen ein achtjähriger Junge der Ihnen heute diese Geschichte aufs Papier brachte.

   Ende der siebziger Jahre kam dann der große Generationswechsel in der Mannschaft, der den Siegeszug der Rahmel - Schützlinge etwas bremste. Die "Kaps" und "Gieseler" waren nicht voll zu ersetzen. Jedoch sind vier Vizemeistertitel, dritte und vierte Plätze bis 1989 Beweis für die damalige Spitzenstellung der Malchiner Motoballer mit "Neukalener Ursprung".

   Manfred Rahmel ist seinem Hobby bis heute treu geblieben. Noch heute sieht man ihn auf unterschiedlichster Weise auf zwei Rädern durch die Stadt und übers Land fahren. Mit Leib und Seele Motorsport!

 

Motoballer mit Manfred Rahmel (rechts)

 

Motoballer mit Manfred Rahmel (rechts)

 

 

Motoball

 

Motoball

 

hintere Reihe von links: Manfred Rahmel, Hanning Glasow, Horst Kaps, Peter Kaps, Klaus Gieseler, Ralf Wascher, Georg Kaps, Gerd Stübs;
untere Reihe von links: Atze Sommerfeld, Peter Gieseler, Hans Goldenbaum, Herbert Lau;


Motoball, DDR-Meistermannschaft mit Betreuern

Motoball, DDR-Meistermannschaft mit Betreuern

 

hintere Reihe von links: Theo Körner, Ralf Wascher, Gerd Stübs, Peter Kaps, Dieter Duglinski, Georg Kaps, Uli Suhr, Klaus Gieseler, Karl-Heinz Mieckley, Peter Gieseler;
vordere Reihe von links: Alfred Stübs, Willi Duglinski, Uwe Schmiedeberg, Manfred Zarembik, Manfred Rahmel, Günter Herbst, Joachim Glöde, Bruno Fröhlich;