Der Pachtvertrag vom 17.7.1905 lautet:
„§ 1.
Sobald die neue städtische Gasanstalt seitens der Firma Carl Francke, Bremen, fertiggestellt und der Stadt Neukalen zum Betriebe für deren Rechnung übergeben sein wird, überträgt die Verwaltung der Stadt den Betrieb der Gasanstalt in seinem ganzen Umfange der Centralverwaltung von Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerken, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Bremen, auf die Dauer von 35 Jahren, beginnend mit dem Tage der erstmaligen Beleuchtung der Strassen mit Gas, welcher als Beginn des Vertrages durch ein Protokoll festzulegen ist.
Ueber das Inventar soll bei Inbetriebsetzung ein Protokoll aufgenommen werden.
Die Anwendung des § 567 B.G.B. ist ausgeschlossen. Die rechtzeitige Inbetriebsetzung liegt der Pächterin ob. Sie ist verpflichtet, bis zum Tage der Fertigstellung der Anstalt das zur Eröffnung des Betriebes nötige Material zu beschaffen, ebenso den Betriebsleiter und die nötigen Arbeiter, welche für den Betrieb bestimmt sind, einzustellen.
Dieser Vertrag ist seitens der Centralverwaltung von Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerken, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Bremen, während obigen Zeitraumes unkündbar, während die Stadt unter Innehaltung einer einjährigen Kündigungsfrist berechtigt sein soll, von dem Vertrage zurückzutreten und den Betrieb in eigene Regie zu übernehmen. Macht die Stadtverwaltung von dem Rechte der Kündigung Gebrauch, so hat an dem Tage der Uebergabe die Gesellschaft die Gasanstalt einschliesslich des Rohrnetzes in ordnungsmässigem, betriebsfähigem Zustande an die Stadt Neukalen zu übergeben und, sofern dieses nicht der Fall sein sollte, den ordnungsmässigen, betriebsfähigen Zustand herbeizuführen. Die an diesem Tage vorhandenen Materialien, Rohstoffe und dergl., Kohlen, Koks sowie sämtliche Materialien für Installation, Vorräte an Röhren und dergl. werden an diesem Tage von der Gesellschaft der Stadtverwaltung übergeben und von dieser zum Selbstkostenpreise, welcher den Tagespreis nicht übersteigen darf, übernommen.
Dies gilt auch für die Hausleitungen, welche für Rechnung von Gasabnehmern gelegt, an denen aber, weil die von den Gasabnehmern zu leistenden Zahlungen ganz oder teilweise gestundet sind, von der Pächterin das Eigentum vorbehalten ist, wenn die Pächterin, bevor sie die Stundung gewährt hat, sich mit dem Magistrat darüber, ob und unter welchen Bedingungen Stundung zu gewähren ist, verständigt hat.
Die Pächterin ist verpflichtet, der Stadtverwaltung das Eigentum an den Hausleitungen und den Anspruch gegen die Gasabnehmer auf Zahlung für Herstellung der Installation zu übertragen. erhält dann aber, bei der nach diesem Paragraphen vorzunehmenden Abrech-nung den rückständigen Preis für die Hausleitung.
Das auf dem Gasanstaltsgrundstück stehende Wohnhaus und die dort befindlichen Gärten dürfen von der Pächterin den Angestellten der Anstalt als Dienstwohnung und Dienstländereien überwiesen werden.
§ 2.
Die Gesellschaft verpflichtet sich, während der Dauer des Vertrages ein Gas zu liefern, welches in Bezug auf seine Zusammensetzung, Leuchtkraft, Heizwert und Reinheit denjenigen Bedingungen entspricht, welche unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der Gastechnik verlangt werden kann. Ueber die vertragsmässige Beschaffenheit des Gases hat gegebenen Falles lediglich ein vom Magistrat beauftragter Sachverständiger zu entscheiden.
Auch ist die Gesellschaft gehalten, das Gas stets in derjenigen Menge anzufertigen, vorrätig zu halten und mit ausreichendem Druck dem Verbrauchsgebiet zuzuführen, dass dasselbe allen Gaskonsumenten, besonders aber auch für die Strassenbeleuchtung, in ausreichender Helligkeit geliefert wird und geliefert werden kann. Die Gesellschaft ist verpflichtet, nach Massgabe des jeweiligen Regulativs, welches einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildet, an alle Anwohner von Strassen, in welchen ein Hauptrohr liegt, gegen Bezahlung Gas abzugeben, sofern seitens der Abnehmer dieses Regulativ durch Unterschrift anerkannt ist. Die Zuleitungen, Hausleitungen bis zur Gasuhr, Gasmesser, welche erforderlich sind, um das Gas abgeben zu können, ist Pächterin ausschliesslich berechtigt, aber auch verpflichtet, für ihre Rechnung zu liefern und aufzustellen. Soweit die Kosten nach Massgabe des angeschlossenen Regulativs hierfür nicht von den Abnehmern zu tragen und demnach die zu liefernden Gegenstände nicht Eigentum der Abnehmer werden, werden sie Zubehör oder Bestandteile der verpachteten Gasanstalt und gehen in das Eigentum der Stadtverwaltung über, sie gelten als mitverpachtet und bleiben in unmittelbarem Besitz der Pächterin, während Verpächterin nur mittelbaren Besitz verwirkt. Ein gleiches gilt von den mietsweise aufzustellenden Münzgasmessern mit Zubehör und den mietsweise abzugebenden Hausleitungen und Gaskochern. Der Gewinn oder Verlust aus der Herstellung der Installationen bleibt der Gesellschaft. Die Einnahme aus der Vermietung der Hausleitungen, Münzgasmesser, Gasmesser, Gaskocher, gehört ebenso wie diejenige aus dem Verkauf des Gases und der Nebenprodukte der Pächterin. Die Stadtverwaltung verpflichtet sich, zur Strassenbeleuchtung mindestens 50 Strassenlaternen aufzustellen und benutzen zu lassen. Die Bestimmungen des Satzes 5 und 6 am Ende finden auch schon Anwendung für die Aufstellung von Hausleitungen und Anschaffung von Münzgasmessern und Gaskochern, welche vor Eröffnung des Betriebes nach Vereinbarung mit Verpächterin erfolgen.
§ 3.
Die Maximal - Gaspreise werden wie folgt festgesetzt:
Für alle Privatkonsumenten, welche Gas zu Beleuchtungszwecken benutzen:
20 Pfennig für einen cbm
15 Pfennig für Gas zu gewerblichen Zwecken, wie Motore, Kochapparate, Heiz- und Kochöfen und dergl.
Falls der Jahreskonsum an Leuchtgas 150000 cbm übersteigt, ist Pächterin verpflichtet, das Gas für 19 bezw. 13 Pfg. zu liefern.
Die Stadtverwaltung erhält auf den auf städtischen Gebäude entfallenden Konsum an Leuchtgas von den nach obiger Skala sich ergebenden Summen einen Rabatt von 5 %, sie zahlt für Gas zu gewerblichen Zwecken, wie Motore, Heiz- und Kochöfen und dergl. ebenfalls 15 Pfg. pro cbm und bezahlt für das Gas zur Strassenbeleuchtung an die Gesellschaft für jede Brennstunde und Laterne 21/4 Pfg. In diesem Preise von 21/4 Pfg. ist die Lieferung und Instandhaltung der Glühkörper, sowie Unterhaltung der Laternen einbegriffen, ebenso das Anzünden und Auslöschen der Laternen.
Die Brenndauer der Strassenlaternen wird durch die Stadtverwaltung festgesetzt und ist hierfür von der Gesellschaft nach Rücksprache mit dem Magistrat vor Beginn der Brennzeit ein für das ganze Jahr gültiger Kalender aufzustellen. Die Zahl der Brennstunden pro Jahr soll mindestens 1000, aber an jedem Tage oder Nacht, sobald überhaupt angezün-det wird, nicht weniger als 2 Stunden betragen. In aussergewöhnlichen Fällen z.B. einem Schadenfeuer und bei Hochwasser ist die Stadtverwaltung, bei Gefahr im Vorzuge, berechtigt, die Strassenlaternen sofern dies nicht auf Anzeige von der Gasanstalt erfolgt, durch von ihr beauftragte Personen anzünden und sie so lange es ihr im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich erscheint, brennen zu lassen, sie hat aber binnen 24 Stunden dem Pächter anzuzeigen, wie viel Laternen und während welcher Zeit diese Laternen gebrannt haben.
Das Anzünden und Auslöschen der Laternen hat so viel vor der durch den Brennkalender festgesetzten Zeit zu beginnen, dass die Hälfte der Laternen zur festgesetzten Zeit brennt, bezw. gelöscht sein muss, sodass der Konsum genau den Zeitbestimmungen des Brennkalenders entspricht. Das Putzen der Laternen muss in jeder Woche mindestens einmal erfolgen und ist in diesem Preise einbegriffen.
§ 4.
Die Gesellschaft ist gehalten, während der Vertragszeit auf ihre Kosten alle Betriebseinrichtungen so im Stande zu halten, dass bei dem Uebergange des Betriebes an die Stadt mit Aufhören des Vertrages der Betrieb in derselben Weise ungestört weiter geführt werden kann. § 586 Abs. 2, Satz 1, B.G.B. kommt nicht zur Anwendung.
Pächterin hat auch die Versicherung sämtlicher Gebäude mit Zubehör und sämtlicher Utensilien gegen Feuer und Explosionsgefahr und alle sonstigen, mit dem Betriebe der Gasanstalt verbundenen Kosten zu übernehmen, auch dem Magistrat auf Verlangen jederzeit den Nachweis der ordnungsmässigen Versicherung zu führen.
Alle öffentlichen Lasten und Abgaben, welche mit dem Grundstück oder mit dem Betriebe in Verbindung stehen, jedoch mit Ausschluss jedweder städtischen Lasten und Abgaben, hat Pächterin zu tragen.
Neuanlagen, Umbauten, Erneuerungs- und Erweiterungsbauten hat die Pächterin nach vorhergehender Einigung mit der Stadt auszuführen und gilt diese Bestimmung solange dieser Pachtvertrag dauert. Reparaturkosten gehen zu Lasten des Pächters, besonders sind hiervon auch Kosten des Retortenersatzes inbegriffen. Das in den Fällen dieses Absatzes Satz 1 verwandte Kapital wird der Gesellschaft, soweit es nicht durch Verkauf oder sonstige Verwertung vorhandener Teile oder Zubehörstücke der Anstalt, oder durch Zahlung von Brandentschädigungsgeldern gedeckt ist, von der Stadtverwaltung zurückgezahlt, sobald die ordnungsmässige und vertragsmässige Verwendung nachgewiesen ist. Es ist dem Anlagekapital hinzuzurechnen und in derselben Weise wie dies von der Pächterin zu verzinsen. Jedoch werden die Kosten erst nach Ablauf jeden Geschäftsjahres festgestellt, von der Stadtverwaltung der Gesellschaft erstattet, dem Anlagekapital hinzugerechnet und vom Tage der Feststellung an, wie dieses verzinst. Diese letzte Bestimmung findet auch Anwendung auf die Kosten, welche durch Herstellung der durch die Pächterin auf Grund des § 2 (insbesondere Absatz 1 und 4) und § 1 des Regulativs anzulegenden Zuleitungen u. aufzustellenden Gasmesser entstehen.
§ 5.
Die Centralverwaltung von Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerken, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Bremen, bezahlt für die pachtmässige Benutzung der Gasanstalt mit Zubehör einen Pachtzins von 5 1/4 % des der Stadt erwachsenen Anlagekapitals pro Jahr. Dieses Anlagekapital wird festgesetzt nach dem sich bei der Abrechnung für den Bau ergebenden Betrag der Rechnungen für die Einrichtung der Gasanstalt, Rohrleitung nebst Zubehör in den Strassen, sowie der Rechnung für die Ausführung der sämtlichen Gebäude, auch des Wohnhauses und der zugehörigen Pflasterungs-, Entwässerungs- und Einfriedigungsarbeiten.
Zu den Gesamtkosten der Gasanstalt gehören auch die Kosten für die Aufstellung von Gasmessern, Gasautomaten, Anschaffungen für mietsweise aufzustellende Koch- pp. Apparate und mietsweise aufzustellende Installationen aller Art und für alle sonstigen zur Erzielung einer grösseren Rentabilität vor und während der Pachtzeit erforderlichen Aufwendungen, ferner die durch das Verfahren vor der Gewerbekommission erwachsenen und noch erwachsenden Kosten und das Honorar für den Sachverständigen.
Der ganze Betrieb der Gasanstalt geht auf Rechnung der Pächterin, welche darüber ordnungsmässig Buch zu führen und alle erforderlichen Beamten, Arbeiter und Hilfsarbeiter anzustellen hat. Aus dem Betriebsgewinn ist seitens der Gesellschaft die Verzinsung des nach Vorstehendem sich ergebenden Gesamt-An-lagekapitals mit 5 1/4 % pro Jahr zu leisten.
Sollte der Anfang der Pachtperiode Zuschüsse zwecks Entrichtung des Pachtzinses aus eigenen Mitteln des Pächters erforderlich haben, so sind diese zunächst durch die Betriebsüberschüsse späterer Jahre wieder auszugleichen. Auch verbleibt dem Pächter entweder bis zum Zeitpunkt der Deckung dieser Zuschüsse die Pachtung oder wenn die Stadt beabsichtigt, schon vor dem Ablauf der 35 Jahre zur Uebernahme des Werkes zu schreiten, so muss sie diese Auslagen erstatten.
Die Gemeinde hat jederzeit das Recht, die Bücher an Ort und Stelle durch die von ihr beauftragte Persönlichkeit einzusehen. Der Jahresabschluss wird durch einen beeidigten Bücherrevisor geprüft. Alle Verträge, welche der Pächter für das Werk abschliesst, unterliegen, soweit dieselben eine längere Verbindlichkeit als ein Jahr für das Werk enthalten, der Genehmigung durch die Gemeinde. § 537 des B.G.B. findet keine Anwendung.
§ 6.
Der Gemeinde steht ausser dem im § 2 festgesetzten Pachtsatz vom zweiten Jahre ab ein Recht auf Beteiligung am Gewinn des Werkes zu, und zwar beträgt dieser Anteil 50 % des bilanzmässigen Reingewinns.
§ 7.
Der Preis für Gasmessermiete einschl. Reparaturen stellt sich wie folgt:
3flammige Messer M 0,40 pro Monat
5flammige Messer M 0,50 pro Monat
10flammige Messer M 0,60 pro Monat
20flammige Messer M 0,80 pro Monat
30flammige Messer M 1,10 pro Monat
50flammige Messer M 1,50 pro Monat
60flammige Messer M 2,-- pro Monat
100flammige Messer M 3,-- pro Monat
150flammige Messer M 4,-- pro Monat
§ 8.
Streitigkeiten aus diesem Vertrage über die Güte der geleisteten Arbeiten und des verwandten Materials entscheidet, unter Ausschluss des Rechtsweges, ein von beiden Seiten gemeinschaftlich zu ernennender Schiedsrichter. Sollten sich die Parteien nicht auf einen Schiedsrichter einigen können oder sollte eine Partei sich durch dessen Entscheidung beschwert fühlen, so entscheiden zwei Schiedsrichter, von welchen beide Parteien je einen zu ernennen haben. Ist zwischen diesen beiden keine Einigung zu erzielen, so wird von demselben ein dritter als Obmann gewählt.
§ 9.
Das Zustandekommen dieses Vertrages ist davon abhängig, dass die Firma Carl Francke in Bremen für die ganze Dauer des Vertrages selbstschuldnerische Bürgschaft für die Erfüllung sämtlicher, der Pächterin obliegenden Verpflichtungen übernimmt.
Die Stadt ist berechtigt, schon bei Beginn eines jeden Betriebsjahres von der Firma Carl Francke, Bremen, die Ausstellung und Aushändigung eines Sichtwechsels in Höhe des einjährigen Pachtzinses zu verlangen.
§ 10.
Die Stempelkosten dieses Vertrages werden von beiden Parteien zu gleichen Teilen getragen.
Neukalen, den 17. Juli 1905
der Magistrat
Barten Aug. Lange
der Bürgerausschuß
Carl Soll H. Sonntag W. Fehlhaber
Bremen, den
Centralverwaltung von Gas-, Wasser- und Elektricitätswerken Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Bremen
R. Dunkel"