Die Neukalener Kirchenglocken
Pastor Martin Kühn / Wolfgang Schimmel
Die Neukalener Kirchenglocken sind wohl jeder und jedem durch ihren Klang bekannt. Hoch oben über der Stadt verrichten sie Ihren weithin hörbaren Dienst. Die Zeiten, zu denen die Glocken erklingen, sind vielen vertraut. Im Zeitalter der elektronischen Musik und der Verstärker sind Glocken wie Rufer aus einer anderen Zeit und Welt.
Glocken gab es auch schon zu Zeiten und in Kulturen, von denen wir heute nur noch wenig wissen. Vorläufer der Glocke sind Muscheln oder getrocknete Fruchtschalen, die mit Tierzähnen oder Steinen gefüllt waren. Solche Rasseln waren zu allen Zeiten und bei allen Völkern im Gebrauch. Sie sollten Geister und Dämonen beeinflussen und schädliche Einflüsse fernhalten. Die Vorläufer der Glocke wurden also schon zu ur- und frühgeschichtlichen Zeiten bei kultischen Anlässen genutzt.
Bronzeglocken sind nach Überzeugung der Historiker ab etwa 1500 v. Chr. in China bekannt, später dann auch in Nordafrika und in Europa. Es gab in diesen Zeiten kleine Glöckchen als auch größere Glocken mit und ohne Klöppel. Glocken waren immer Kult- und Signalinstrumente.
Die Entwicklung von kleinen Glocken bis hin zu den Turmglocken ist nicht mehr nachzuvollziehen. Es fehlen zuverlässige Quellen. Aber auch die Christen gebrauchten die Glocken schon früh. Iro-schottische Mönche führten auf ihren Missionsreisen Glöckchen mit sich. Mit der Ausbreitung des Christentums verbreitete sich auch die Glocke als Signalinstrument in Klöstern. Sie rief zu den Tageszeit- bzw. Stundengebeten und teilte so den Tag ein. In dieser Zeit hat sich vermutlich der Übergang von der Hand- zur Turmglocke vollzogen. Im 7. Jahrhundert ist ein breiter kirchlicher Gebrauch der Glocke auch außerhalb der Klöster nachweisbar. Es wurden Glocken verschiedener Größe mit entsprechend unterschiedlichem Klang benutzt. Am Klang waren die religiösen Übungen, zu der die Glocke rief, erkennbar. Glocken wurden für ihren besonderen Dienst, nämlich die Menschen zum Gebet und zur Andacht zu rufen, geweiht.
Bevor in schriftlicher Form Bekanntmachungen verbreitet werden konnten, hatten die Glocken - neben ihrem "kirchlichen" Dienst - auch immer "weltlichen" Dienst zu verrichten. Ihre akustische Reichweite sorgte dafür, daß Botschaften in einem entsprechenden Umkreis schnell verbreitet wurden. Auch hier verkündete die Art des Läutens und die Benutzung verschiedener Glocken einen frohen oder traurigen, einen feierlichen oder gefährlichen Anlaß. Glocken läuteten z.B. auch immer die Nacht ein. Sie wurden im Volksmund Bier-, Wein oder Saufglocke genannt, weil sie die Schließung aller Gastwirtschaften verkündeten. Die Stadtpolizisten durchforsteten dann die Schenken nach späten Zechern und belegten sie mit entsprechenden Strafen.
Das vertraute Glockengeläut erklang früher nicht nur für die Neukalener Einwohner. Bei Wind und Wetter gingen auch die Leute aus Salem zum Gottesdienst nach Neukalen. Sie kamen meistens zu Fuß den Salemer Kirchsteig entlang in die Stadt. Ursprünglich waren sie die einzigen auswärtigen Mitglieder der Neukalener Kirchgemeinde. Bis Salem reichte der Klang der Glocken wohl nicht. Bei Beerdigungen mußten die Glockenläuter - Pulsanten hießen sie früher - vom Kirchturm aus aufpassen, wenn der aus Salem kommende Leichenzug bei den Aposteleichen zu sehen war. Dann begann das Totengeläut.
Nach dem 30jährigen Krieg kamen die Schlakendorfer, Karnitzer und viel später noch die Franzensberger zur Neukalener Kirchgemeinde hinzu.
Beim Tod des Landesfürsten oder anderer hochgestellten Persönlichkeiten mußte je nach Anweisung mehrere Tage täglich eine Stunde geläutet werden. Das hatten die Neukalener Hausbesitzer der Reihe nach zu besorgen. Dafür durften sie dann die sogenannte "Glockenläuterwiese" benutzen.
Die Neukalener Kirche hat außer zwei kleineren Glocken, die zum Uhrwerk gehören, drei größere Glocken.
Nach Ausweis eines Inventars von 1811 war die eine der beiden älteren Glocken 1583, zur Zeit des Pastors Adam Rasche, von M. Benedictus Heine in Anklam und die andere 1599 von Clawes Bincke in Wismar gegossen worden. 1845 wurde diese beiden Glocken - zur Zeit des Pastors Heinrich Bröcker - von dem Giesser Friedrich Schünemann umgegossen.
Zur Zeit des 1. Weltkrieges beschlagnahmte man überall im Lande die Glocken, um diese einzuschmelzen und daraus Kanonen zu gießen.
Nach § 7 der Bekanntmachung vom 1. März 1917, betr. Beschlagnahme, Bestandserhebung und Enteignung, sowie freiwillige Ablieferung von Glocken aus Bronze, mußte der jeweilige Pastor eine Bestandserfassung (Anmeldung) durchführen. Pastor Hohmann meldete damals:
"Neukalen: 3 Glocken aus Bronze über 20 kg im Turme.
I. Soli deo gloria 0,93 m Durchmesser
II. vivos ego et mortuos voco 1,16 m Durchmesser
III. O rex gratiae, Jesu Christe, veni cum pace 1,38 m Durchmesser.
Schlakendorf: 1 Glocke aus Bronze unter 20 kg im Turme."
Am 14.3.1917 schrieb er:
"Pfarramt Neukalen
betr: Beschlagnahme der Glocken.
Die Glocken in Neukalen und Schlakendorf haben m. E. keinen besonderen Kunstwert. Von den 3 Glocken in Neukalen würde die I oder III zu erhalten sein. Beim Aus- und Einbau muß auch die unter den Glocken stehende Uhr fortgenommen und wieder aufgestellt werden. Die Frage unter 7. ist mit "nein" beantwortet unter der Voraussetzung, daß alle 3 oder doch 2 Glocken fortgenommen werden. Die kleine Glocke in Schlakendorf müßte erhalten bleiben, weil sie die einzige Glocke dort ist und weil der Einbau der Ersatzglocke den Übernahmepreis überschreitet."
In einem Zeitungsartikel (1. Beiblatt zu Nr. 154 der Mecklenburger Nachrichten) vom 12.5.1917 schreibt ein Herr Joseph über die Glockenbeschlagnahme in Mecklenburg-Schwerin sehr anschaulich folgenden Beitrag:
"Von den vielen Beschlagnahmen der Kriegszeit hat wohl keine mehr in das Gefühlsleben der Bevölkerung, vor allem der Landbevölkerung, eingegriffen als die der Kirchenglocken. Stehen doch unsere Landbewohner in einem außerordentlich nahen Verhältnis zum Geläut ihrer Kirchen, das sie ihr ganzes Leben hindurch bei allem, was sie Freudiges und Trübes erleben, mit seinem Klang begleitet. Daneben kann allerdings auch nicht verkannt werden, daß in ihrem Unterbewußtsein meist auch noch eine uralte Erinnerung an jene magischen Kräfte mitspricht, welche die alte Volksanschauung in den Glocken wirksam sehen wollte. Wer sich in das eigenartige Gebiet der Glockenkunde vertieft hat, wird aus den alten Glockensagen - auch wir in Mecklenburg haben ja derlei - ein merkwürdig reiches Bild phantasievoll phantastischen Volksdenkens gewinnen. Es ist zweifellos, daß nur aus diesen Anschauungen heraus eine große Zahl der an die Kirchenglocken sich anknüpfenden Sitten und Volksgebräuche entstanden ist; nicht minder aber dürfte sich aus diesem persönlichen Verhältnis zu den Glocken auch jene liebevolle künstlerische Ausgestaltung und Beschriftung erklären, die sich bei den weitaus meisten Glocken - wenigstens in unserer Heimat - findet. Wer zum erstenmal Gelegenheit hat, viele Glockenstühle zu ersteigen, wird immer wieder von Staunen erfaßt, wie unendlich viel Schönes oder doch zum mindestens Interessantes ihm nach nicht selten lebensgefährlichem Aufstieg dort droben auf luftiger Höhe entgegentritt; er ist verblüfft über diese Fülle schöner Formen und origineller, häufig ins Gebiet der "Kuriositäten" abschweifenden Darstellung, die in den allermeisten Fällen im Dunkel der Türme erst mühsam erspäht werden müssen, und die an ihren oft ganz unzugänglichen Stellen, etwa am Aeußern eines Kirchturms, zunächst wie eine höchst unwirtschaftliche Verschwendung anmuten. Er wird mit Verwunderung die in ihrer lapidaren Wucht so gewaltig wirkenden und mit höchstem künstlerischen Können hergestellten Inschriften zu lesen versuchen (meist ohne Erfolg, weil der derbe Holzbau des Glockenstuhls den Umblick hindert), jene Inschriften, die dort nur ein einziges Mal wirklich sprechen konnten, damals als sich die festliche Menge vor der Kirchentüre zur Glockenweihe drängte, und dann niemals wieder! Es liegt etwas Großes im Grundcharakter der Glockenkunst, etwas echt Künstlerisches, da all dies Schöne nicht für Menschenaugen, sondern um seiner selbst willen und zur Ehre des Höchsten erdacht und geschaffen wurde. Die Kriegsnotwendigkeit zwingt, nun auch mit rauher Hand nach den Glocken zu greifen, und damit ist die Gefahr entstanden, daß ein reicher Schatz alten Kunstguts der Zukunft verloren geht. Aber die Heeresverwaltung hat vorgesorgt und im Interesse von Kunst und Kulturgeschichte zahlreiche Ausnahmen zugelassen."
Auf Veranlassung des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde sollte der jeweilige Pastor vor Abnahme der Glocken die Inschriften, Bräuche bei der Taufe, der Aufhängung und Abnahme der Glocken, besondere Läutearten, Volksglauben, Sagen im Zusammenhang mit den Glocken festhalten.
Am 12.7.1917 schrieb Pastor Hohmann:
"Die Kirche zu Neukalen hat drei Glocken; sie hängen im Turm der Kirche, von denen die 2 größeren abzuliefernden in einer Linie in der Richtung von Osten nach Westen, so daß die kleinste nach Westen hängt. Alle drei Glocken sind im Jahre 1845 von dem Glockengießer Friedrich Schünemann zu Demmin gegossen. S. Schlie I 522. Sie haben alle die gleiche und zwar gewöhnliche Glockenform und sind abgesehen von einer Verzierung am Rande um Krone und Kranz der Glocke glatt und schmucklos. Einen besonderen Kunstwert haben sie nicht. Der Klang ist gut. Ihr Durchmesser beträgt 0,93m 1,16 m 1,38 m, demnach ist das Gewicht auf 500, 930 und 1600 kg anzunehmen. Auf der Vorder = Südseite hat die kleinste die Inschrift: Soli deo gloria, die mittlere: Vivos ego et mortuos voco, die größte: O rex gratiae, Jesu Christe, veni cum pace. Auf der Rückseite - Nordseite steht bei der kleinsten und bei der mittleren: Fudit Friedericus Schünemann Demminensis Anno Domini MDCCCXLV, bei der größten: Dom: Friedericus Franciscus II Magnus dux Megalopolensis patronus Henricus Bröckert Pastor Joh. Friedr. Müller Provisor Wiebcke Custos Fudit Friedericus Schünemann Demminensis Anno Domini MDCCCXLV.
Weiter ist zu bemerken:
1. Gebräuche bei der Taufe und Aufhängung und Abnahme der Glocken sind nicht festzustellen. Bei der bevorstehenden Abnahme der beiden großen Glocken wird in folgender Weise verfahren werden. Es wird ein besonderer Gottesdienst gehalten und noch am Schluß desselben mit sämtlichen Glocken geläutet. Von da ab werden die beiden großen abzuliefernden Glocken nicht mehr gerührt. Bei Beginn und nach Beendigung der Abnahme giebt die noch vorhandene kleine Glocke ihren Schwestern das Abschiedsgeläute.
2. Eine besondere Läuteart bei bestimmten Gelegenheiten ist nicht üblich.
3. Der Volksmund spricht nichts von diesen Glocken.
4. Ein Glauben an ihren Schutz und Kraft ist nicht vorhanden.
5. Besondere Sagen sind nicht festzustellen.
Im Turm der Kapelle zu Schlakendorf ist eine kleine dünne Glocke v. gew. Form ohne Verzierung und ohne Inschrift. Sie hat einen Durchmesser von 43 cm und würde nach der Tabelle das anzunehmende Gewicht von 54 kg erreichen. Die Entstehungszeit und der Gießer sind unbekannt. Es ist von ihr nichts besonderes zu bemerken. Sie verbleibt als Läuteglocke."
Unter Punkt 5 irrte Pastor Hohmann. Entweder wußte er es nicht oder wollte es nicht vermerken. Im Volksmund hieß es von den Neukalener Glocken, daß sie rufen: "Hanna Susanna, dee mi got, is doot, licht in'n Heidaal" oder aber: "Schad is, bar is, dat dei Lihrjung dod is". So hat es jedenfalls der Heimatkundler Wossidlo festgehalten.
Am 27.7.1917 schrieb Pastor Hohmann:
"Anbei übersende ich
1. Ein Gutachten des H. Hofmusikdirektors Emp in Schwerin über den Klang der Glocken zu Neukalen:
Gutachten: Das Geläut der drei Glocken cis - e - a in der Kirche zu Neukalen hat einen besonders schönen Klang. Auf jeden Fall ist den beiden größten Glocken ein besonderer Klang von großem Wert zuzusprechen. Für eine Beschlagnahme kommt die kleinste Glocke in Frage, da sie in nicht ganz reinem Klangverhältnis zum Geläut steht.
N. 27.7.1 7 Adolf Emp Hofmusikdirektor
2. eine Bescheinigung des Unterzeichneten betr. Prüfung der Kirchenglocken durch Herrn Hofmusikus Direktor Emp.
3. den Antrag des Unterzeichneten vom 11.7.1917 betr. vorläufige Zurückstellung der hiesigen Kirchenglocken. Auf Grund des Gutachtens des H. Hofmusikdirektors Emp bitte ich um Zurückstellung der hiesigen drei Glocken. Ich gestatte mir, auf mein Anschreiben v. 21.6.17 hinzuweisen, in dem hervorgehoben wurde, daß zum Ausbau der Glocken besondere technische Hülfe durch die Firma Ohlsson nötig sei. Hinzufügen möchte ich noch, daß wenn nur die kleinste Glocke, deren Gewicht 500 kg beträgt, ausgebaut wird, die Kosten den Übernahmepreis übersteigen werden.
An den Kreisbeauftragten in Stavenhagen
G.W. H. P."
Pastor Hohmann bat später erneut:
"Da die Glocken der Kirche zu Neukalen m. E. besonderen musikalischen Wert haben, bitte ich gehorsamst, dieselben deswegen einstweilen von der Beschlagnahme zurückzustellen und eine Begutachtung durch den vom Großherzg. Minist. d. J. bestellten Sachverständigen vornehmen zu lassen."
Es half alles nichts. Die Glockengießerei M. & O. Ohlsson in Lübeck bekam den Auftrag zum Abnehmen der Glocken in Neukalen. Am 21.8. 1917 nahm die Firma die kleine Glocke mit einem Gewicht von 411 kg ab und berechnete dafür 123,30 Mark. Ein Jahr später - am 14.8.1918 - wurde auch die größte Glocke abgenommen. Beide Glocken blieben leider nicht erhalten und wurden eingeschmolzen.
Pastor Hohmann schrieb darauf an die Kreisbehörde in Stavenhagen:
"Neukalen, den 5 Oktober1918.
In der Kirche zu Neukalen ist, nachdem die kleinste und größte Glocke nunmehr abgeliefert sind, noch die mittlere Glocke im Gewicht von 930 kg vorhanden. Ich bitte, dieselbe als Läuteglocke von der Enteignung u. Beschlagnahme zu befreien. Die Kapelle in Schlakendorf besitzt nur eine Glocke im Gewichte von ca. 54 kg. Ich bitte dieselbe auch weiter von der Beschlagnahme zu befreien.
Gehorsamst W. Hohmann
Pastor."
Die Antwort lautete:
"Nach den zurzeit geltenden Bestimmungen werden die letzten Glocken allgemein nicht enteignet, auch wenn sie von dem Kunstsachverständigen in die Klasse A gesetzt werden. Beschlagnahmt sind sie aber auf alle Fälle."
Als der Krieg und die nachfolgende Inflationszeit überstanden waren, konnte man endlich wieder an ein neues Geläut denken. Pastor Hohmann schrieb am 4.7.1929:
"An die Vertretung der Stadt Neukalen.
Der Kirchgemeinderat hat beschlossen, ein neues Geläute für die Kirche zu Neukalen mit den Tönen cis - e - fis von der Klangstahlglockengießerei Schilling und Lattermann in Apolda herstellen zu lassen. Das neue Geläute soll mit der Läutevorrichtung System Schilling versehen werden.
Die Gemeinde Neukalen hat von den drei Glocken die größte und die kleinste abgeben müssen. Die mittlere hat sie noch. Diese würde aber, da ihr Ton zwischen e und f liegt und somit nicht rein ist, für ein neues Broncegeläut nicht verwendbar sein.
Wir haben uns mit den Glockengießereien Ohlssen - Lübeck, Störmer - Erfurt und Schilling - Apolda, die auch Klangstahlglocken gießt, in Verbindung gesetzt.
Vertreter aller drei Firmen sind hier gewesen. Eine Deputation unserer Gemeinde ist nach Apolda gereist und hat dort Bronceglocken und Klangstahlglocken neben einander gehört und gesehen. Nach langen Beratungen und unter Anhörung der Gemeinde und Hinzuziehung Sachverständiger aus und außerhalb der Gemeinde haben wir insbesonders aus Rücksicht auf die Kosten für Klangstahlglocken entschieden. An die Glockenberatungsstelle beim Oberkirchenrat ist eingehend berichtet. Ihr Gutachten ist zustimmend. Die Lieferung der Glocken erfolgt in ungefähr 3 Monaten unverbindlich. Ein Exemplar des noch abzuschließenden Vertrages sowie ein Buch über die Firma Schilling und Lattermann lege ich zur Kenntnisnahme bei, bitte aber um Rückgabe dieser Anlage etwa innerhalb 14 Tagen.
Die nach Abzug der Vergütung für die abzuliefernde Glocke verbleibende Summe von 6350 M ist bis auf 1500 M durch Sammlung, Zuwendung und Anleihe, besonders aus Kirchenökonomie und St. Georgs Stiftung gedeckt.
Zu dem noch fehlenden Betrag von 1500 M bitten wir die Stadtvertretung um Gewährung einer Beihilfe von 1000 M. Wir hoffen dann den Rest von 500 M und die aus dem Vertrag noch erwachsenden Kosten von ca. 300 M durch eine Haussammlung in der Stadt und Land Gemeinde zu decken. Hochachtungsvoll
W. Hohmann Pastor"
Die in Apolda gefertigten und auf cis - e - fis gestimmten Klangstahlglocken erhielten folgende Inschriften:
1. Ein feste Burg ist unser Gott
2. Eins aber ist not Luk 10,42
3. Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen, 1 Joh. 3,1.
Einholung der neuen Glocken vom Bahnhof
am 22. September 1929
Am Sonntag, den 22. September 1929 wurden die drei Glocken mit großer Beteiligung der Gemeinde vom Bahnhof abgeholt und zur Kirche geleitet. Unter Beaufsichtigung eines Monteurs aus Apolda wurden sie dann in der folgenden Woche durch einen Mauerdurchbruch in den Turm eingeholt und im Glockenstuhl aufgehängt. Die Kosten betrugen mit Einschluß der Läutevorrichtung und des Umbaues des Glockenstuhls 9579,17 Reichsmark. Die alte Bronzeglocke wurde abgenommen und von der Firma Schilling & Lattermann anderweitig verwendet.
Landessuperintendent Consistorialrat D. Leo weihte die neuen Glocken in einem Festgottesdienst am Sonntag, dem 29. September 1929 ein.
Erstmals erklang das wohltönende Geläut und ließ wohl keinen Einwohner Neukalens unberührt.
Im Sommer 1958 wurde eine elektrische Läutevorrichtung für das Läuten der drei Glocken beschafft. Das Ein- und Ausschalten der Maschinen wurde der damaligen Küsterin übertragen. Die Finanzierung konnte durch freiwillige Opfergaben der Gemeinde erledigt werden.
Die Neukalener Glocken wiegen 2200 kg, 1300 kg und 880 kg. Wenn alle drei Glocken bei vollem Geläut zum Klingen kommen, entwickeln sie Schubkräfte von insgesamt ca. 12 Tonnen. Diese Kräfte müssen durch Glockenstuhl und Turm aufgefangen und abgeleitet werden.
Um die Glocken am Klingen zu halten waren und sind immer wieder kleine und größere Reparaturen nötig. In den letzten Jahren wurden diese von der Firma Guhl durchgeführt. Dadurch und durch das Engagement der Christen am Ort rufen auch heute noch die Glocken zum Gebet und zum Gottesdienst und erfreuen Einheimische und Gäste der Stadt mit ihrem wohltuendem Klang.