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Dei Kloppfisch

 

Eine Lausbubengeschichte. Nacherzählt von Arthur Koch.

 

 

   Diese Geschichte ist der Beilage “Ostmecklenburgische Heimat”, Jahrgang 6, 1933, Nr. 6, Seite 45 bis 47 entnommen.

 

   Glasermeister Wilhelm Koch wohnte am Markt 21 (das Haus wurde 1969 abgerissen) und hatte fünf Kinder: Arthur, Herbert, Werner, Gerhard und Siegfried (als Kind ertrunken). Die vorstehend Geschichte schrieb Arthur Koch, der im II. Weltkrieg in Rußland geblieben sein soll.

 

 

   "Dat hett sick verarwt," säden dei Kal'schen, wenn wedder 'nen dummen Streich von dei Koch'sche Gard vertellt würr. Un denn schüttelten sei - dat wir'n dei, dei dei Läbenslust von vier Jungs nich begriepen künnen - den'n Kopp un bedurten dei arme Mudder, dei jeden Abend bet spät in dei Nacht upsitten müßt, um all dei Löcker in 'ne Strümp, Hosen un Jacken tau stoppen. Dei Mudder wull öwer gornich beduert warden, dei freute sick, dat ehr Jungs "richtige Jungs" wieren. Un wenn't mal tau dull wier - Vadder wier in'n Krieg -, denn nehm sei 'ne schöne Klopppietsch un kreg denn dormit för'n Ogenblick wedder Räson in dei Band'n. In'n Urlaub müßt Vadder denn dat nahhalen, wat Mudder ehr Ansicht nah versühmt harr. Blot Vadder woll von dei nahdrägliche Prügelie nicks weiten; hei meinte, dat hei sick in'n Krieg naug prügeln müßt.

 

   "Man süll't ok würklich nich för möglich holl'n, vertellt Fru Krügern in'n Kopmannsladen un all dei annern Frugens, dei eigentlich doch so furchtbar wenig Tied harr'n, hürten nipping tau un rögten sick nich von'n Placken, "wat dei Blas' (so säd't sei würklich) ok anstellt, üm dei Lüd tau argern. Dor stäkt doch dat Blaud von Korl Koch, dei jo mit'n groten Damper versapen sien sall, bestimmt noch in. Dei güng jo morgens ok up'n Handstand nah dei Schaul, blot dorüm, dormit hei 'nen Lihrer, dei em begegen künn, nich grüßen brukt. Un einmal, dor hadd hei sick 'ne Haud Jungs kapert, un denn treckten's alltauhop nah de Weid'. Hier müßten dei annern Jungs för em in ehr Mützen - mien Lümmel wier ok dorbi -dei Käuh utmelken un hei söp de Melk ut. Taun'n Schluß würd 'ne Kauh fungen, ruckzuck sett't hei sick rup un scheest, as sühst mi woll, an den Kauhhirer, dei ganz ut dei Tüt' wier, vörbi. Nein, nein, un so ist es mit dese Blas' ok. (Fru Krügern sprök messingsch, wenn sei vör Entrüstung binah platzen müßt.) Denkens sick mal an, dor gahn dei Jungs in 'ne Stadt ümher und hemm'n sick hunnert Lose makt. Hunnert Lose, dat Stück tau ein'n Penning. Kaninken, Stallhasen, wull'ns verlosen. Ick heff ehr ok, weil unsen Nahwer sien Dochter doch so'n ihrlichen Indruck makt, twei Lose affköfft. (Hier möt ok dei getrueste Chronist den'n Namen weglaten, denn dei "lütt Diern von dunnmals" is hüt jo all 'ne grot' Dam', dei bald friegen will; sei würr sick nu doch woll 'nen bäten schenieren.) Ick hadd mi jo gliek denken künnt, dat dei Jungs gorkein Kaninken hemm'n, denn dei sünd jo väl tau fuhl, üm Fauder tau plücken. Na, un so is dat denn jo nu ok worden. Dei ganzen Lose hemm'ns verköfft un Kaninken hett keiner gewunnen. För dat Geld hemm'ns sick bi Tedje Albrecht Zigaretten köfft (föfteihn Stück för teihn Penning mit 'ne Spitz dorbi), un hüt lopens quittengäl in'ne Strat ümher. Ja, ja, dei arm Fru," schlöt Fru Krügern ehr Epistel, "dei brukt nich mihr seg'n: "Herrgott straf mi!" Dei is all straft naug!"

 

   Bäten würr noch von dit un'n bäten noch von dat vertellt, un as sei doch ümmer wedder up dat olle Tema trögkehmem, güngen's nah Hus, üm sick an demselben Abend noch einmal öwer dei verfluchte Blas' tau estimieren.

 

   An'n Nahmiddag wier dei Balkanexpreß, dei von Malchin nah Dargun führt, insniegt. Fräulein Bruger gew grad Teikenstunn'n bi dei groten Lümmels, dei all 'nen gauden Kopp gröter wier'n as sei. Sei hadd ehr leiwe Not, sick ümmer den'n richtigen Respekt tau verschaffen. Hüt woll't nu öwerhaupt nicks warden. Walter Flachshoor hadd, as dei Lihrerin mal 'nen Ogenblick ut dei Klass' rutgüng, an'n Abensims turnerische Glanzleistungen vörführ'n wull't. Dat hadd den'n Aben öwer doch woll nich so richtig paßt, denn in'n Moment leg dat böbelste Deil mit Flachshoor tausamen up'n Fautboden un dei Klass' wier ok in'n Uemseihn so vull Qualm, dat man sick binah gegensiedig nich mihr seihn künn. In dissen Larm bölkt mit'n Mal Korl Richter rin: "Dei Tog is insniegt, wer will mit?" Ja, wer wull woll nich mit. Gliek dei halwe Klass' lep mit rut, piel an Fräulein Bruger vörbi, dei grad sick wedder nah ehr Schützlinge ümseihn wull. Wat nützt ehr raupen, von dei Utgerückten kem keiner wedder trög. An'n annern Dag gewt 'ne Dracht Schacht un dei wier dei Spaß all wiert. So'n Lihrerin künn jo öwerhaupt nich haugen, dat wier jo blot so'n Gefäuhl, as wenn dei Hosendräger (wi drögen all weck!) 'nen bäten stramm sitten ded't.

 

   Bald hadd de Haud sick nu den'n ingesniegten Tog naug bekeken un wüßt nu nich mihr, watt anfangen. Dunn meinte denn Korl Richter, dat up'n Kumm'rowschen See hüt dei Isfischer wieren. Sei künn'n jo man dei Strietschauh nehmen, mal rupplopen un tauseihn, ob sei ein Gericht Fisch kriegen künn'n. Gustav Rahn, Paul Tietz, Korl Richter un Arthur Koch wier'n ok gliek mit inverstahn. Strietschauh, Fischbüdel un Geld halen güng fix un bald lepen denn dei vier den'n Kanal rup. Up'n See wier'n dei Fischer denn öwer nich mihr tau seihn. Bannig dämmerig würd't ok all un köller würd't ok. Oewer Fisch müßten dat sien un wieder würr lopen, irgendwo up'n See müßten dei Fischer jo stäken. Oewer tau fin'n wier'ns nich mihr, dei harrn woll all Fierabend un wier'n woll all in 'ne Aalbaud'. Nu wier't binah all stickendüster. Uemkihr'n wull'ns öwer nu nich mihr. Also: henn nah de Aalbaud'. Klock söß abends kemens dor an. Dei Fischermeister Glasow verdeilte öwer irst dei Fisch an dei Fischer, dei noch mit ehr'n Släden öwern See nach Pommern müßten un hadd dei vier Jungs in den'n Betrieb noch gornich seihn. Endlich würden sei öwer ok fragt.

 

   "Wo kamt ji denn noch her?" frög hei.

   "Von Nikalen. Gäbens uns man schnell för föfdig Penning Fisch, wi möten doch noch wedder trög öwern See," säden dei Jungs.

 

   Glasow gew ehr denn ok dei Fisch, schimpte grot un lütt öwer so'n bodenlosen Leichtsinn un wull ehr nu all 'ne Dracht Schacht gäben. Dei Jungs nehmen öwer dei Fisch, hürten nah dei Schimperie gornich henn un löpen, dei Klock wier nu intwischen ok söben worden, wedder los. Oewer noch hadd'ns kein teihn Minuten lopen, dunn künnens nich Hand vör Ogen seihn, wüßten ok nich mihr, in wecker Richtung Nikalen leg un hadden 'ne grugelige Angst, dat sei in dei Islöcker, dei sei nu nich mihr seihn künn'n, rinlopen deden.

 

   "Dat ick dor nich gliek an dacht heff," seggt Paul Tietz dunn, "dat's jo ganz einfach. Ick heff jo an mien Klock 'nen Kompaß. Dornah richten wi uns un denn kann jo gorkein Irrtum passieren.

 

   Dei Kompaß würr denn midden up'n See ruthalt, von alle Sieden bekäken, öwer jederein verstünn von'n Kompaß soväl, as dei Käuh von't Ballettdanzen. Sülbst Paul Tietz, dei sick als "Retter der Expedition" upspälen wull, müßt taugäben, dat em in'n Düstern dit Dings ok man wenig nützen künn. "Oewer," säd hei, un betonte dit stark, "ob ji dat glöben wullt orer nich, an'n helligen Dag heff ick dormit Jäger Pagels sien Boot tadellos lenkt." Dat letzte Wurt müßt hei doch hemm'n, wenn dei Kompaß ok nix nützen künn. Trög wull'ns nu nich mihr, stahnblieben künn'ns ok nich bet taun'n nächsten Dag, also müßtens henn nah Nikalen.

 

   Up gaud Glück lepens denn nu los un kemen ok ohne gröteren Unfall an Land. Hier würd'n denn dei Strietschauh ünner rutsnallt, denn nu süll't tau Faut wierer gahn. Von'n See wier'n sei doch nich mihr nah'n Kanal rinnerfunn'n.

 

   Intwischen wier'ns denn öwer in Nikalen ok all ängstlich word'n. Tauirst hadd sick dat rümspraken, dat dei Jungs Fräulein Bruger ut dei Schaul lopen wier'n, un nu taun'n Schluß kem keiner nah Hus. Paul Tietz sien Vadder künnens in'n Krieg nich bruken, trotzdem hei Offzier wier, (allerdings blot in dei Schützenzunft). Dei nehm dei Sak nu in dei Hand, denn dei Frugens rohrten in dei Stuw un künn'n sick nich beruhigen. Hei telefonierte nu in'n ganzen Bezirk rümmer un kreg denn ok von Glasow Bischeid, dat dei verfluchtige Rassel- band'n üm söben dor all weglopen wier. Nu güng dat mit dei Frugens ierst richtig los, denn dei Klock wier jo all half nägen. Half Nikalen wier up dei Bein un lurte bi Tietz in dei Möhlenstrat up Nahricht. Mit ungefihr föfdig Mann - meist wier'nt jo Frugens - trecktens denn nu los. Vörup güng Herr Tietz mit 'ne grot Taschenlamp un 'ne Batterie, dei twölf Stun'n brennen süll, denn kem Großvadder Brockmann, dei Gustav Rahn mit 'ne grot Stallücht un 'nen schönen "Weichsel" afhalen wull, un taun'n Schluß luter Niegliege mit un ahn' Büxen. Dei Rettungsexpedition treckte mit gemischte Gefäuhle, ümmer an'n Kanal lang, up't Is trugten sei sick nich, den'n See hentau.

 

   Von'n See kem ok mit gemischte Gefäuhle, einesdeils, weil ehr ein natt Johr, un dat woll nich so schlecht, vermauden wier, un annerndeils, weil ehr Herz vör luter Angst binah un'n ut dei Büx rutsacken ded't, dei Expedition, dei söcht würr. Gegensidig makten sei sick grugen. Välfach müßten sei öwer Torflöcker gahn, un wenn Korl Richter kein Irrlichter seihn künn, denn künn Paul Tietz bestimmt Irrwische seihn. Un Arthur Koch vertellte Gustav Rahn, hei hadd äben bestimmt 'nen Kobold seihn, künn öwer ok Schauster Bülow sien Geist wäst sien, weil dei jo ok ünnert Is versapen wier. Af un tau hürten sei denn ok "Paul un Korl" raupen. Denn glöwten's, irgendein Irrwisch wull ehr locken, dormit sei elendig versupen müßten. Un denn schlötens sick noch dichter tausamen, denn wenn nu einmal doch versapen sien süll, denn süll'ns doch ok all versupen.

 

   Up'n halben Weg dröpen sick beide "Expeditionen". Wenn ick as Chronist nicht irr, kreg Paul Tietz von sienen Vadder einen Kuß. (Wenn hei dat mit den'n Kompaß wüßt hadd, hadd hei woll bestimmt twei krägen). Großvadder Brockmann nehm öwer ganz plötzlich sienen "Weichsel" (nu wüßten's mit'n Mal all, wat hei mit den'n "Weichsel" wull) un slög dormit up sienen Enkel Gustav dahl. Dei hadd dat mit den'n "Weichsel" öwer fixer seihn, denn wuppdi hadd hei sienen Fischbüdel röwer öwer dei Schuller, un dei armen Fisch kregen vör dei verunglückte Expedition abends Klock teihn dei Släg. Dorvon müßten Rahns un Brockmanns an'n nächsten Dag "Kloppfisch" äten un Gustav Rahn behöll sienen Oekelnamen "Kloppfisch" vör ümmer.

 

   Fru Koch'n un Fru Richtern öwer glöw ick, hemm' sick düchtig freut, dat ehr Jungs, wenn's ok manchmal nix dögten, wedder tau Hus wier'n. Dei Tranen, dei sei rohrt hadden, wier'n an'n nächsten Morgen all wedder vergäten un dei Lümmels grüwelten sick niegen Schabernack ut.

 

   Sogor Fräulein Bruger hadd vör luter Uprägung vergäten, dei Schacht, dei sei dei Bengels eigentlich taudacht hadd, ut dei Armkass'  tau betahlen.

 

Lehrerin Else Bruger

 

Lehrerin Else Bruger
(geb. 27.7.1890 in Neukalen)

 

 

Zeichnung der Schule