Frau Sanitätsrat Elfriede Voigt
Erzählt von vielen Neukalenern, aufgeschrieben von Frau Gisela Luck.
Frau Dr. Voigt, wie sie von vielen Leuten in Neukalen genannt wurde, ist in Malchin als Einzelkind unter guten bürgerlichen Verhältnissen in einem Haus in der Nähe der alten Post aufgewachsen. "Wie eine Puppe gekleidet," so ist sie einigen Malchinern in Erinnerung. Nach der Schule und dem Gymnasium begann sie ihr Medizinstudium und wurde Ärztin. Zur damaligen Zeit war es sehr mutig von ihr und muß als besondere Leistung gewertet werden.
Am 5. August 1955 eröffnete sie in der Bahnhofstraße 17a, in der prächtigen Villa der Familie Hasselmann, ihre freie Arztpraxis. So wie heute alle Ärzte in freier Niederlassung arbeiten, tat sie es als Einzige in Neukalen zu ihrer Zeit. Ihre Praxisräume befanden sich im Erdgeschoß, und in den oberen Räumen wohnte sie. Jeweils mit einer Sprechstundenschwester behandelte sie ihre Patienten und war sehr beliebt, vor allem auch wegen ihrer "Herzensbildung". Ein Lebensmotto von ihr war: Es ist nicht schlimm, wenn man wenig Bildung hat, aber Herzensbildung muß sein. Und damit meinte sie, daß es wichtig ist, wenn die Menschen höflich und respektvoll miteinander umgehen. Besonders beliebt war Frau Dr. Voigt bei den Bauern, denn sie teilte mit ihnen die Liebe zu den Tieren und zur Natur. So kamen die Patienten auf dem Weg zum Wartezimmer an der Treppe zu den Wohnräumen vorbei, und dort bot sich ihnen stets das gleiche Bild und jeder konnte es riechen: Auf fast jeder Treppenstufe standen die Futternäpfe für ihre vielen Katzenlieblinge. Es gab gekochten, rohen und geräucherten Fisch, wie in einem Katzenlokal. Gern fütterte sie auch die Pferde von Bauer Geß; die blieben schon stehen, wenn sie am Haus von Frau Dr. Voigt vorbeikamen. Auch die Pferde von Otto Koch lagen ihr am Herzen, wenn er auf dem Markt zum Milchgeschäft Maeting fuhr. Der Bauer Koch wollte aber keine Fütterung seiner Pferde und hat oft geschimpft und mit der Peitsche gedroht. Trotzdem versuchte sie es immer wieder. Auch all´ die streunenden Katzen auf dem Markt bekamen von ihr Futter.
Frau Dr. Voigt kümmerte sich aufopferungsvoll um ihre Patienten; saß oft nächtelang angezogen im Sessel, um stets bereit zu sein für einen dringenden Hausbesuch. So kam es im Winter schon manchmal vor, daß ein Bauer von den umliegenden Dörfern sie mit dem Pferd durch hohen Schnee zu seinen kranken Angehörigen holte.
Als sie aus gesundheitlichen Gründen ihre Praxis aufgab, verwirklichte sie sich ihren Lebenstraum: Ein eigenes Haus mit Stall und Tiere mitten in der Natur in Schwarzenhof. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod. Frau Dr. Voigt war eine willensstarke, lebendige Frau und manchmal "ein lustiges Haus"; sie hat ihr Leben genossen. Für ihre Patienten, die ihre Familie waren, und ihren Beruf hat sie sich voll aufgeopfert.
Elfriede Voigt
(geb. 13.2.1921, gest. 13.4.1992)
2009
In diesem Haus, Bahnhofstraße 17a,
hatte Frau Elfriede Voigt ihre Praxis