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Wie ich meinen Vorfahr Friedrich in Neukalen fand

 

Bernd Görtz

 

Die Beschreibung einer familiengeschichtlichen Suche

in Pommern und Mecklenburg

 

Erlangen, im August 2012

 

 

Es begann mit einem Ahnenpass

 

   Ich selbst bin 1938 in Breslau geboren worden und wusste, dass mein Großvater Gustav Görtz aus Kolberg in Hinterpommern kam. Er ging als Zimmergeselle 1907 auf Wanderschaft, die Walz wie man damals sagte, und blieb dann in Breslau „hängen“. 1945 wurden wir aus Schlesien vertrieben und machten einen neuen Anfang in Hildesheim, später in Karlsruhe. Dort studierte ich Nachrichtentechnik und war als Dipl.-Ing. in Karlsruhe und Erlangen bei einem großen Elektrokonzern angestellt.

   Als ich im Jahr 2000 aus dem Berufsleben ausschied und nun plötzlich die Zeit hatte, meine Vorfahren zu erforschen, ahnte ich nicht, dass ich dabei einmal in Mecklenburg, in Neukalen, landen würde. Es war eine lange und intensive Suche, die ich hier schildern möchte.

   Glücklicherweise hatte meine Tante wie so viele um 1943 einen Ahnenpass erstellt und dieser war dann die Grundlage meiner Suche. Die Tante war aber, was die Görtz-Vorfahren betraf, nicht über Kolberg hinausgekommen. Der Pass endete bei einem Ehepaar Friedrich Görtz und seiner Frau Johanna Kaeselitz. Er war Torkontrolleur in Kolberg gewesen und starb dort im Jahre 1854. Woher war er jedoch gekommen? Er und seine Frau waren nicht in Kolberg geboren worden und hatten dort auch nicht geheiratet. Eine aufwändige Suche begann, denn es gab zunächst keinen Hinweis zu seiner Herkunft, zumal ein Großteil der Kolberger Kirchenbücher den letzten Krieg nicht überlebt hat. Dass die Suche zehn Jahre dauern würde hatte ich damals nicht geahnt. Vielleicht wäre ich dann auch entmutigt worden.

   Natürlich befragte ich auch meine Tante, ob sie zu unserem Friedrich Görtz noch Informationen hätte, die nicht mehr in den Ahnenpass aufgenommen wurden. Auch da war noch einiges vorhanden. „Irgendwo habe ich gelesen, dass Friedrichs Vater ein österreichischer Adliger war“, bekam ich als Auskunft. Und weiter: „Ich habe sogar noch um 1943 nach Österreich einen Brief geschrieben und darin um die Geburtsurkunde gebeten, aber leider ist mir der Ort völlig entfallen“. Eine Antwort auf diesen Brief hatte meine Tante nie bekommen. Sie war also an einem „toten Punkt“ angekommen, wie man das in der Genealogie bezeichnet.

   Sollte an dem Adel etwas dran sein? Es gab sie ja, die österreichischen Görtz von Astein und Görtz von Zertin, also gleich zwei Adelsgeschlechter, die den Namen Görtz trugen. Unser Friedrich Görtz war aber nicht adlig. Falls er ein Sohn eines Adligen gewesen sein sollte, so müsste er unehelich geboren worden sein, und sein Vater müsste ihn offiziell anerkannt haben. Möglich wäre das schon gewesen. Wie also an dieser unübersichtlichen Stelle weiterarbeiten? Soll man jetzt alle möglichen Geburten der Adelsgeschlechter Görtz in Österreich durchsuchen? Wie sich bald herausstellte, wäre das ein unmögliches Unterfangen gewesen. Also erst mal in Kolberg ansetzen und möglichst alle relevanten Dokumente prüfen, derer man habhaft werden kann. Eine gute Quelle schien da das Staatsarchiv in Stettin zu sein, zumal das die Magistratsakten der Stadt Kolberg aufbewahrte.

   Ein glücklicher Fall, dass es sie noch gab! Noch glücklicher, dass Dr. Stefan Sienell sich inzwischen die Mühe gemacht hatte, aus diesen die Kolberger Neubürger zwischen 1813 und 1852 abzuschreiben und schon 1998 in einem Heft zu veröffentlichen. Meinen Friedrich Görtz fand ich als Neubürger dort zwar nicht, aber den Zuzug seines Sohnes Carl Friedrich Ferdinand, der in Stettin geboren worden war und das Sattlerhandwerk in Demmin erlernt hatte. Er hatte das Bürgerrecht der Stadt Kolberg am 30. Januar 1845 erworben. Sein Vater war auch angegeben, nämlich der Torkontrolleur Görtz am Gelder Tor.

   Immerhin gab es hier mehrere Ansatzpunkte zur weiteren Suche. Friedrichs Sohn Carl Friedrich Ferdinand war in Stettin geboren worden. Später war er in Demmin Sattlerlehrling gewesen. Folglich mussten seine Eltern in Stettin und in Demmin bzw. in der Nähe von Demmin gelebt haben. Leider gab es zum Alter von Carl Friedrich Ferdinand keine Angaben, aber volljährig musste er schon sein, um ein Bürgerrecht erwerben zu können. Ich schätzte ihn also auf 25 Jahre und seine Geburt somit in die Zeit um 1820. Die Aufgabe war also, diese Geburt bzw. den Taufeintrag in einem der Stettiner Kirchenbücher zu finden.

 

 

Die Suche in den Stettiner und Küstriner Kirchenbüchern

 

   Man hat den Ort, man hat den Namen und auch das ungefähre Geburtsdatum, d.h. es sollte ein Leichtes sein, den entsprechenden Taufeintrag zu finden. So könnte man es annehmen. Jedoch gab es damals schon mehr als zehn Kirchengemeinden in Stettin und Umgebung. Obwohl diese fast durchgehend verfilmt worden und somit leicht zugänglich waren, ist die Durchsicht aller dieser Taufbücher eine ziemliche Arbeit. Das Ergebnis war ernüchternd, ich fand nämlich diesen gesuchten Eintrag nicht! Wie konnte denn das möglich sein? Carl Friedrich Ferdinand muss doch in Stettin geboren worden sein! Jetzt kam ich auf eine Möglichkeit, an die ich bisher noch nicht gedacht hatte. Sein Vater Friedrich war Torkontrolleur, also preußischer Beamter. Der Werdegang der Torkontrolleure war damals Berufssoldat, Grenzaufseher oder Zöllner und in fortgeschrittenem Alter Torkontrolleur. Es wäre ja möglich gewesen, dass Friedrich zur Zeit der Geburt seines Sohnes Berufssoldat gewesen sein könnte. In Stettin gab es zu dieser Zeit neben der Garnison mehrere Regimenter, die nun auch untersucht werden mussten. Und da wurde ich fündig. Friedrich Görtz war 1819 Unteroffizier im Infanterie-Regiment 9, genannt Kolbergsches.

 

Taufeintrag Carl Friedrich Ferdinand Görtz, geboren am 8.8.1819

 

Taufeintrag Carl Friedrich Ferdinand Görtz, geboren am 8.8.1819

 

 

   Es war ein sehr schwer lesbarer Eintrag, der zudem von Fehlern nur so strotzte. So wurde aus dem Namen Kaeselitz eine „Kesenitz“. Zweifelsfrei handelte es sich aber um den gesuchten Eintrag. Zwei Dinge wusste ich jetzt. Einmal war Friedrich Görtz im Jahre 1819 Unteroffizier im Infanterie-Regiment 9, und er musste vor dem 08.08.1819 geheiratet haben. Zudem kannte ich einige Taufpaten, nämlich einen Prediger Kasten, eine Witwe und eine Jungfrau Kaeselitz. Jetzt konnte man versuchen, die Eheschließung von Friedrich Görtz und Johanna Kaeselitz zu finden. Eigentlich müsste ein solcher Heiratseintrag im Regimentskirchenbuch zu finden sein.

   Ich will es kurz machen, ich fand ihn nicht! Auch nicht im Garnisonskirchenbuch von Stettin und auch nicht in den Kirchenbüchern der alten Regimenter, aus denen sich das Infanterie-Regiment im Jahre 1808 gebildet hatte. Hier stoßen wir nämlich noch auf ein zusätzliches Problem. Durch die Heeresreform im Jahr 1807 blieb in der preußischen Armee nichts mehr so wie es war. Alle Regimentsbezeichnungen änderten sich von der altpreußischen Armee zur neuen preußischen Armee. Falls also Friedrich Görtz schon vor 1807 in der altpreußischen Armee Soldat gewesen war, dann sind die in Frage kommenden Regimenter nur schwer zu ermitteln.

 

 

Aus Friedrichs preußischer Militärzeit

 

   Friedrich war also um 1819 Unteroffizier im Preußischen Infanterie-Regiment 9. Sinnvoll war es also für mich, jetzt nach Literatur zum Infanterie-Regiment 9 zu suchen. Ich fand hierzu ein interessantes Werk, nämlich „Bagensky, Geschichte des Preußischen Inf. Regt. 9“. Diesem Buch war eine Gedächtnistafel angefügt, in der vermerkt war, dass der Unteroffizier Friedrich Görtz das Eiserne Kreuz erster Klasse erhalten hat. Das geschah bei Mannschaftsdienstgraden nur ganz selten und es war ein wichtiger Hinweis zur Weitersuche. Genaueres fand ich im Geheimen Staatsarchiv in Berlin. Friedrich Görtz erhielt diese hohe Auszeichnung für seinen Einsatz in der Schlacht bei Ligny. Das war eine der blutigsten Schlachten der Befreiungskriege, welche am 16.06.1815, zwei Tage vor der Schlacht bei Belle-Alliance (Waterloo), stattfand. Friedrich muss bei der Rückeroberung des Ortes St. Amand beteiligt gewesen sein. Dem Eisernen Kreuz erster Klasse muss eines zweiter Klasse vorangegangen sein. Hier findet man im Ordensarchiv den Füsilier Görks (Görtz) vom 9. Inf. Rgt., Füsilier-Bataillon 9. Kompanie, der 1814 in Hogstraten/Westmalen das EK II erhielt. Sicherlich handelt es sich hier um meinen Friedrich Görtz.

   In den Listen der Träger des Eisernen Kreuzes im Geheimen Staatsarchiv in Berlin fand ich dann auch Friedrich Görtz unter Angabe seines Wohnortes zur Zeit der Erstellung der Listen. Er wohnte 1823 in Lipsa bei Ruhland an der sächsischen Grenze.

 

 

Grenzaufseher zur sächsischen und mecklenburgischen Grenze

 

   Lipsa gehörte zur Kirchengemeinde Hermsdorf. Friedrich war dort Grenzaufseher und die Geburten von zwei Töchtern konnte ich im dortigen Kirchenbuch finden. Bertha Albertine Emilie wurde dort am 25.11.1823 und Adelheit Alwine Terese am 15.09.1825 geboren. Friedrich wurde dann sicherlich nach Dauban an derselben Grenze versetzt, denn wie schon aus dem Ahnenpass bekannt, wurde dort unser direkter Vorfahr August Leopold Adolf am 22.02.1827 geboren.

   Bisher hatte ich also schon fünf Kinder ermitteln können. Über die Herkunft des Friedrich konnte ich damit jedoch nichts erfahren. Weitere Kinder in Dauban konnte ich schon wegen der fehlenden Kirchenbücher nicht finden.

   Jetzt erinnerte ich mich daran, dass sein erster Sohn Carl Friedrich Ferdinand in Demmin das Sattlerhandwerk erlernt hatte. Der war 1819 geboren worden, d.h. er müsste eigentlich um 1833 seine Lehrzeit angetreten haben. Versetzungen von Grenzaufsehern wurden in den Amtsblättern der preußischen Provinzen angezeigt. Also durchsuchte ich die in Frage kommenden Jahrgänge des Amtsblattes Stettin. Wieder wurde ich fündig. Friedrich Görtz wurde am 14.03.1834 aus dem Haupt-Zoll-Amts-Bezirk Hoyerswerda in gleicher Eigenschaft nach dem Haupt-Zoll-Amts-Bezirk Demmin versetzt. Wenn man sich die Geschichte anschaut ist das durchaus schlüssig, denn 1834 trat auch Sachsen dem Zollverein bei und die Grenzbewachung entfiel damit. Friedrich musste sich also eine neue Stelle als Grenzaufseher suchen und fand diese an der Grenze zu Mecklenburg. Diese Grenze wurde eigentlich erst kurz vor der Gründung des Bismarck-Reichs 1871 aufgehoben. So vermutete ich, dass Friedrich Görtz weitere Kinder in Demmin taufen ließ. Das war aber nicht der Fall. Ich fand dort keine Kindstaufen Görtz. Zunächst kam ich an dieser Stelle nicht weiter.

   Ich entschloss mich daher, das Staatsarchiv in Stettin zu besuchen und mir die Magistratsakten der Stadt Kolberg genauer anzusehen. In diesen befanden sich die Stammrollen aus der Zeit um 1845. Darin fand ich unter der Signatur 3379 schließlich Friedrich Görtz und seine Söhne.

 

Auszug aus Stammrolle Kolberg

 

Auszug aus Stammrolle Kolberg

 

 

   Hier konnte ich nun in Jubel ausbrechen, denn ich fand mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte. Es waren nämlich nicht nur die Geburtsdaten sondern sogar die Geburtsorte angegeben. So konnte ich die Geburt zweier Söhne von Friedrich dem Ort Verchen zuordnen und Friedrich selbst sollte am 11.09.1787 in Sommersdorf geboren worden sein! Also auf nach Sommersdorf, um dort nach seinem Taufeintrag zu suchen. Das Problem war aber, dass es sechs Orte Sommersdorf in Deutschland und weitere im alten Österreich-Ungarn gab. Ich habe sie alle geprüft, aber eine Taufe von Friedrich Görtz habe ich nicht gefunden. Das war zunächst eine herbe Enttäuschung.

   Da blieb ja noch der Ort Verchen. Tatsächlich war Verchen Grenzstation nach Mecklenburg. Friedrich versah hier seinen Dienst. Weitere acht Kinder wurden ihm in den Jahren von 1834 bis 1844 dort geboren. Freilich starben auch fünf dieser Kinder bald nach der Geburt. Immer wieder hielt ich Ausschau, ob nicht vielleicht ein oder eine Görtz als Patin bei seinen Kindern auftauchte. Das war tatsächlich einmal der Fall, denn bei der Taufe seines Sohnes Rudolf Theodor Joachim Ottomar 1834 in Verchen war eine Sophia Henriette Clasen geb. Görz aus Neukalen Patin. Es war das erste Mal, dass bei Friedrichs Kindern auch eine „Görtz“ auftauchte. Das konnte eigentlich kein Zufall sein, jedoch war ich sehr unsicher, da Neukalen ja hinter der damaligen Grenze zu Pommern in Mecklenburg lag.

 

   Hier als Beweis der Eintrag in dem Kirchenbuch von Verchen:

 

Taufpatin Sophia Henriette Clasen, geb. Görtz im Kirchenbuch Verchen

 

Taufpatin Sophia Henriette Clasen, geb. Görtz im Kirchenbuch Verchen

 

 

Gierz in Neukalen

 

   Ich habe nun in die Neukalener Kirchenbücher gesehen und fand dort auch eine Sophia Henriette Clasen, aber sie war eine geborene Giertz und nicht Görtz. Damit verwarf ich diesen Weg wieder, bis mich ein befreundeter Genealoge aufklärte, dass die Namen Görtz, Gerds, Gertz, Gerdes, Gierz, Giertz usw. alle denselben Ursprung haben, nämlich Gerhard. Jetzt suchte ich im Kirchenbuch von Neukalen nach weiteren Taufeinträgen auch zum Namen Giertz und wurde wieder fündig.

   Da wurde also dem Arbeitsmann Johann Joachim Gierz und seiner Ehefrau Catharina Ilsabe geb. Hasse am 03.12.1788 ein Söhnlein geboren, welches Christoph Joachim Friedrich genannt wurde! Die Vornamen Friedrich und Joachim passten, der Name Christoph war aber bisher nie aufgetaucht. Ich war also weiterhin unsicher, ob es sich tatsächlich um unseren Friedrich handeln würde.

 

Taufeintrag Christoph Joachim Friedrich Gierz im Kirchenbuch Neukalen

 

Taufeintrag Christoph Joachim Friedrich Gierz im Kirchenbuch Neukalen

 

 

   Jetzt nahm ich Kontakt zu dem Neukalener Heimatpfleger Schimmel auf. Der erzählte mir von allerlei Aktenmaterial, das in den Kreisarchiven Demmin und Malchin zu finden sei. Leider nur die Reste, da eine SED-Bürgermeisterin in den 80-ern vieles aus Platzmangel „entsorgt“ hatte. Ich fuhr aber ins Kreisarchiv nach Demmin und fand die Rekrutierungsunterlagen von Neukalen aus dem Jahr 1809.

   In diesem Eintrag vom März 1809 steht ganz eindeutig, dass Christoph Joachim Friedrich Giertz bereits Mecklenburgischer Soldat ist.

 

Auszug aus Rekrutierungsunterlagen Neukalen

 

Auszug aus Rekrutierungsunterlagen Neukalen

 

 

   Weiterhin fand ich ein Dokument, ebenfalls aus dem Jahre 1809, aber einige Monate später.

 

Auszug aus Rekrutierungsunterlagen Neukalen

 

Auszug aus Rekrutierungsunterlagen Neukalen

 

 

   Zu diesem Zeitpunkt war also der Aufenthalt des Christoph Joachim Friedrich Giertz unbekannt. Was war da in der Zwischenzeit geschehen? Wieso war der Soldat Giertz plötzlich verschwunden? Am 01.05.1809 war Friedrich Joachim Giertz noch in der Maßrolle des Mecklenburgischen Infanterie-Regiments 2. Bataillon 2. Kompanie mit 5 Fuß, 4 Zoll und 1 Strich (etwa 1,53m) angegeben. Ein Riese war unser Friedrich also auch für damalige Verhältnisse nicht und seine geringe Körpergröße erklärt auch den späteren Einsatz in Preußen bei den Füsilieren. Die Füsilier-Bataillone wurden damals mit den klein gewachsenen Rekruten besetzt.

   Das Mecklenburgische Infanterie-Regiment wurde am 24.05.1809 im Gefecht von Damgarten gegen das Freikorps Schill eingesetzt. Die Mecklenburger kämpften nur halbherzig und sympathisierten eher mit Schill. Bekannt ist, dass viele überliefen. Offensichtlich tat das Friedrich Görtz aber nicht, denn er wird wohl in Gefangenschaft geraten sein und meldete sich am 21. Juni wieder zurück. In der Maßrolle, die am 25. Juni 1809 in Greifswald aufgenommen wurde, ist Friedrich Joachim Giertz jedoch nicht mehr vermerkt. Warum, ist mir nicht bekannt. Mit Sicherheit kam unser Friedrich aber noch im Jahre 1809 in das Preußische Inf. Regt. 9 und zwar in das Füsilier-Bataillon, womit er dann in die Befreiungskriege zog.

   So weit so gut, aber war denn dieser Christoph Joachim Friedrich Giertz wirklich identisch mit unserem Friedrich Joachim Görtz, der im Inf. Regt. 9 diente? Absolute Klarheit kam dann vom Neukalener Heimatpfleger Schimmel. Der hatte nämlich, bevor die SED-Bürgermeisterin viele Dokumente vernichtet hatte, einiges daraus abgeschrieben was ihm interessant erschien. Darunter eine Erbschaftsangelegenheit aus dem Jahr 1817.

   „Der Schuhmachermeister Clasen erhält aus dem Nachlass des Tagelöhners Johann Jochim Geertz ein Haus. Den anderen Erben bezahlte er ihren Anteil. Diese waren: Seine Schwägerin, verwitwete Meyer und sein Schwager, der Königlich Preußische Unteroffizier Geertz, Regiment Colberg, Füsilier Bataillon, 9. Companie“.

   Jetzt war alles klar! Es war unser Friedrich, denn der war zu diesem Zeitpunkt Unteroffizier im Kolbergschen Inf. Regt. 9 in der 9. Kompanie im Füsilier-Batl. Jetzt gab es überhaupt keinen Zweifel mehr. Sophia Henriette Clasen, die Frau des Schuhmachermeisters, war Friedrichs Schwester. Um das noch zu untermauern, fand ich unseren Friedrich noch als Taufpaten bei der Taufe einer Clasen-Tochter im Jahre 1818 in Neukalen.

   Unter den Paten ganz rechts Nr. 3 steht: „der Mutter Bruder Friedrich Gierz“.

 

Taufpate Friedrich Gierz

 

Taufpate Friedrich Gierz

 

 

   Damit ist auch folgendes geklärt. Der Name wurde in Pommern immer „Görtz“ und in Mecklenburg „Giertz oder Gierz“ geschrieben. Manchmal auch Geertz oder Gerdes. Zweifellos wird die Familie um 1700 noch den Namen Gerdes gehabt haben, denn dieser ist die ursprüngliche friesische Namensform und stammt von Gerhard ab.

   Wie kam es aber zu den falschen Daten in der Kolberger Stammrolle, in der Friedrich mit seinen Söhnen aufgelistet ist und die ich im Stettiner Archiv fand?

Darin steht zweifelsfrei, dass der Torkontrolleur Friedrich Görtz am 11.09.1787 in Sommersdorf geboren wurde. Dort habe ich ihn jahrelang verzweifelt gesucht und nicht gefunden! Wie konnte es zu diesen falschen Angaben kommen? Ich habe dazu nur eine Erklärung. Friedrich hatte 1809 seinen Dienst in der mecklenburgischen Armee beendet. Nun war damals Mecklenburg und auch Preußen von den Franzosen besetzt. Die Franzosen rekrutierten zu dieser Zeit die jungen Mecklenburger für den Feldzug gegen Russland. Sie durften also nicht erfahren, dass Friedrich eigentlich Mecklenburger war, und so machte sich Friedrich zum Preußen, indem er den pommerschen Ort Sommersdorf als Geburtsort angab, der zudem genau gegenüber von Neukalen, aber auf der pommerschen Seite liegt. Gleichzeitig verfälschte er sein Geburtsdatum. Diese Angaben lagen sicherlich auch noch später weiterhin vor, da er sie wahrscheinlich nie korrigiert hatte, auch als die Franzosen weg waren.

   Vom Neukalener Heimatpfleger Schimmel erhielt ich ein Foto einer Gedenktafel, die noch bis zum Jahre 1964 in der dortigen Kirche hing. Sie wurde dann 1978 auf dem Kirchenboden gefunden und abfotografiert. Dann war sie verschollen, aber kürzlich wurde sie wieder aufgefunden und sie wurde nach notwendiger Restaurierung wieder in der Kirche angebracht. Auf dieser Tafel ist Friedrich Görtz (Gertz) als Sohn Neukalens angeführt.

   Leider sind die Kirchenbücher von Neukalen vor 1780 einem Brand zum Opfer gefallen und daher werde ich wohl kaum mit den Görtz weiter in die Vergangenheit kommen.

 

Grenzaufseher in Uniform

 

Grenzaufseher in Uniform

 

 

Der Altar in der Kirche von Neukalen. Vor diesem Altar muss mein Vorfahr Friedrich Gierz (Görtz) am 6.12.1788 getauft worden sein.

 

Der Altar in der Kirche von Neukalen. Vor diesem Altar muss mein Vorfahr Friedrich Gierz (Görtz) am 6.12.1788 getauft worden sein.

 

 

Das Geburtshaus von Friedrich Joachim Görtz in Neukalen in der Wallstraße 87

2010

Das Geburtshaus von Friedrich Joachim Görtz
in Neukalen in der Wallstraße 87

 

 

Bernd Görtz, der Autor des Beitrages, besuchte am 17. September 2012 die Kirche in Neukalen

 

Bernd Görtz, der Autor des Beitrages, besuchte am 17. September 2012 die Kirche in Neukalen