Erinnerungen an meinen Großvater Emil Rothenhäuser
Es waren immer besondere Persönlichkeiten, die die Geschichte unserer Heimatstadt Neukalen maßgeblich prägten und beeinflußten. Zu ihnen gehörte auch der Malermeister Emil Rothenhäuser. Er war nicht nur in Neukalen geachtet und angesehen, sondern auch in den umliegenden Dörfern durch sein unermüdliches Schaffen und berufliches Können bekannt.
Marie - Luise Thiede
(2000)
Mein Großvater Emil Rothenhäuser wurde am 14.11.1857 in Neukalen geboren. Über seine Vorfahren ist noch folgendes bekannt:
Der Schustergeselle Johann Heinrich Carl Rothenhäuser, geb. am 28.3.1792 in Lieseburn im Großherzogtum Bergen, kam im Frühjahr 1813 - wohl als Geselle auf Wanderschaft - nach Neukalen. An anderer Stelle heißt es, daß er aus Lippstadt stammte (Vater: Peter Rothenhäuser, Mutter: Anna Gertrude, geb. Schippen?). Sein Name wurde Rotenhäuser (1818), Rothenhäuser (1824), Roten Häuser (1837) oder auch Rotenhausen (1837) geschrieben. Er arbeitete als Schustergeselle in Neukalen. Am 2.10.1817 heiratete er in Neukalen Maria Sophia Friederica Peters, geb. 8.5.1792 in Waren, die im Frühjahr 1815 nach Neukalen gekommen war. 1818 legte Heinrich Rothenhäuser seine Meisterprüfung ab und wurde am 1.6.1818 als Bürger der Stadt Neukalen aufgenommen. Bekannt wurde er durch die Anfertigung einer besonderen Art von langschäftigen Stiefeln, welche man vorher in Neukalen nicht kannte.Die Familie Rothenhäuser wohnte zuerst beim Ackersmann Jacob Zarpentin am Markt (heute Markt Nr. 17). 1820 kaufte Schustermeister Heinrich Rothenhäuser für 250 Rthlr. das Haus hinter der Malchinschen Straße an der Ecke neben dem Hause des Tischlers Penz von seiner Schwiegermutter, die Witwe des Tischlers Peters, geb. Penz in Waren, die es aus dem Nachlaß der verstorbenen Ehefrau des Gastwirts Pagenkopf 1820 erhalten hatte. 1828 erwarb er dann das "Haus in der Burgstraße zwischen Köster und Heincke Nr. 146" (heute Amtsstraße Nr. 3) vom Maurer Andreas Mann für 525 Reichsthaler.
Als Kinder des Heinrich Rothenhäuser sind bekannt:
1. Christoph Adolph Heinrich Rothenhäuser, geb. 6.3.1818 in Neukalen (Schustermeister), gest. 26.11.1900 an Altersschwäche.
2. Friederica Maria Christina Rothenhäuser, geb. 28.4.1820 in Neukalen (sie war mit dem Schlachter Lüders verheiratet), gest. 22.12.1875 an Schwindsucht.
3. Johann Joachim Heinrich Rothenhäuser, geb. 28.1.1822 in Neukalen (Schustermeister), gest. 14.5.1867 an Schwindsucht.
4. Carl Georg Franz Rothenhäuser, geb. 21.7.1823 in Neukalen (Schneidermeister), gest. 3.11.1908 an Altersschwäche.
5. Johann Friederich Martin Rothenhäuser, geb. 7.7.1825 in Neukalen (Schustermeister), gest. 14.6.1864 an Unterleibsentzündung.
6. Henriette Juliane Maria Rothenhäuser, geb. 27.12.1827 in Neukalen (sie war mit dem Tischlermeister Carl Waterstrat verheiratet), gest. 11.9.1914 als Witwe.
7. Sophia Maria Hanna Rothenhäuser, geb. 4.9.1832 in Neukalen (sie war mit dem Seilermeister Christoph Johann Martin Gössler in Dargun verheiratet).
8. Johanna Christiana Heinrica Dorothea Rothenhäuser, geb. 27.9.1835 in Neukalen, gest. 3.5.1836 an Krämpfe
Schustermeister Heinrich Rothenhäuser starb am 19.2.1862 an Altersschwäche in Neukalen. Sein Sohn Carl Georg Franz Rothenhäuser heiratete am 14.11.1851 in Schorrentin: Sophia Maria Christiane Ulrich (geb. 4.2.1829 in Warsow, gest. 16.3.1900 an Magenkrebs). Er war Schneidermeister und wohnte weiterhin im Elternhaus Amtsstraße 3. Am 3.11.1908 verstarb er an Altersschwäche. Sie hatten folgende Kinder:
1. Louise Henriette Friederike Rothenhäuser, geb. 10.12.1852 in Neukalen, gest. 11.3.1861 an der Englischen Krankheit.
2. Albert Helmuth Martin Rothenhäuser, geb. 23.9.1855 in Neukalen (Schneidermeister), gest. 12.10.1926.
3. Emil Heinrich Christian Rothenhäuser, geb. 14.11.1857 in Neukalen (Malermeister), gest. 10.5.1940.
4. Robert Carl Friedrich Rothenhäuser, geb. 7.2.1860 in Neukalen.
5. Luci Maria Sophia Rothenhäuser, geb. 24.6.1862 in Neukalen, gest. 27.7.1866 an Gehirnentzündung.
6. Bertha Maria Lisette Rothenhäuser, geb. 20.9.1864 in Neukalen, gest. 3.8.1865 an Brechruhr.
7. Erdmann Carl Georg Johann Rothenhäuser, geb. 22.12.1866 in Neukalen
8. Erna Sophia Bertha Rothenhäuser, geb. 7.9.1869 in Neukalen (sie war verheiratet mit dem Bäcker Carl Clasen), gest. 27.2.1940.
Freilassungsschein für Carl Rothenhäuser 1844
Emil Heinrich Christian Rothenhäuser ist mein Großvater, über den ich noch ausführlicher berichten will. Zuerst noch einiges zu seinen beiden Brüdern.
Ein Bruder - Schneidermeister Albert Rothenhäuser - wohnte im Elternhaus in der Amtsstraße Nr. 3 bis zu seinem Tod 1926. Ich erinnere mich an ihn nicht mehr, aber an seine Frau. Sein Sohn fiel im 1. Weltkrieg; dessen Frau starb sehr früh an Tuberkulose, und die Tochter aus der Ehe, Paula Rothenhäuser, wurde also von der Großmutter Rothenhäuser aufgezogen. Sie lebt heute in den USA. Es geht ihr gesundheitlich nicht gut.Ein anderer Bruder meines Opa, Robert Rothenhäuser, lebte in der Nähe des Harzes in Haldensleben. Was er beruflich machte, weiß ich nicht mehr. Er hat es aber gewiß auch zu Wohlstand gebracht, wie ich mich - von einem Besuch Ende der 30er Jahre - erinnere.
Mein Großvater, Emil Rothenhäuser, wurde Malermeister. Nach der Gesellenprüfung ging er - wie es damals ja vielfach gemacht wurde - auf Wanderschaft und kam bis nach München. Die Stadt soll ihn sehr fasziniert haben, so daß er beschloß, eine Kunstschule zu besuchen, um künstlerisches Malen und Bildermalen zu lernen.
Emil Rothenhäuser als Geselle in München
Nach seiner Meisterprüfung, kam er etwa 1885 von seiner Wanderschaft nach Neukalen zurück und machte sich hier selbständig. Er heiratete am 9.11.1888 Erna Henriette Caroline Schröder, eine Neukalenerin und recht vermögend von Haus aus. Sie brachte allerlei Besitz in Form von Grund und Boden mit in die Ehe. Anfangs wohnte mein Großvater Emil Rothenhäuser noch bei den Eltern (heute Amtsstraße 3), ab 23.1.1888 dann in seinem Haus in der Schulstraße 145 (heute Friedrich Ludwig Jahn - Straße 1) und richtete hier seine Malerwerkstatt ein.
Das Haus war sehr solide, sehr geräumig, mit einer großen Diele, die mein Opa dann wunderschön mit Wandmalereien versehen hatte. An der Amtsstraße gab es im Anschluß an das Wohnhaus eine große Malerwerkstatt, mit großer Toreinfahrt. Es war viel Hofraum dabei, Stallungen und Platz für Farbenkammern. Opa hatte immer große Vorräte an Farben, Tapeten etc. Er wurde immer im Großen beliefert von den Farbenwerken Dräger in Lübeck. Jedenfalls war er dort gewiß ein guter Kunde. Er erhielt in jedem Jahr zu Weihnachten von dort eine größere Niederegger Lübecker Marzipantorte (die Klassische mit dem Holstentor), und das war gewiß zu der Zeit etwas besonderes.
Die beiden Töchter von Emil Rothenhäuser:
Käthe (links) und Marie (rechts)
Meine Großeltern hatten zwei Töchter, Marie - meine Mutter - wurde am 13.8.1898 geboren, Käthe am 11.1.1891. Käthe heiratete den Schlachtermeister Gustav Glasow in Neukalen, Marie heiratete Dr. med. Wilhelm Vierheller in Neukalen.
Aus Erzählungen weiß ich, daß mein Großvater maßgeblich an der farblichen Innenausgestaltung der Kirche in den Jahren 1887 bis 1891 mitgearbeitet hat. 1898 erneuerte er die aus Eichenholz geschnitzte Pietas, welche noch heute in alter Schönheit in der Kirche zu bewundern ist. Im Sommer 1907 strich er die Innenwände der Kirche und die Orgel neu. 1899 wurden ihm die Malerarbeiten am Rathaus und den beiden Nebengebäuden übertragen.
Käthe Glasow, geb. Rothenhäuser
mit ihren Kindern Gertrude und Karl-Heinrich
(etwa 1918)
Mein Großvater war aber nicht nur beruflich ein recht angesehener Mann in Neukalen. Er war ab Dezember 1899 bis 1925 als Bürgerrepräsentant und Stadtverordneter tätig. Während dieser Zeit war er Mitglied des Forstamtes und im Schulvorstand (ab 13.1.1903 an Stelle des Ackerbürger Schlapmann). Sein Rat war hier genauso gefragt, wie in den Vereinen, in welchen er sehr aktiv mitwirkte. So war er schon am 8.11.1886 in die Reihen der Freiwilligen Feuerwehr eingetreten. Außerdem war er viele Jahre Mitglied im Gesangverein und natürlich im Schützenverein. Ab 1895 bis 1919 war er Offizier und von 1919 bis 1934 sogar Altermann der Schützenzunft. Mein Großvater hatte im Rat sehr viel Einfluß auf die Errichtung des Kriegerdenkmals an der Peene genommen. Er hat bei der feierlichen Einweihung am 19. Oktober 1930 auch eine Rede gehalten.
Emil Rothenhäuser (1925)
Meine Großeltern waren recht sozial eingestellt. Sie kümmerten sich oft um Menschen, die in Not waren. Ich erinnere mich an zwei einflußreiche Freunde, die mein Opa hatte. Onkel Tiede war Reeder und Schiffsmakler in Wismar. Er hatte in Hafennähe am Spiegelberg ein großes Patrizierhaus und noch einige andere Immobilien, die es noch gibt; die aber heute dem Verfall preisgegeben sind, wie ich hörte. Er war auch eine Zeit lang dänischer Konsul. Die Familie war in Wismar sehr einflußreich und bekannt.
Onkel Köster lebte in Hamburg und war Viehhändler und am Hamburger Schlachthof wohl in guter Position tätig. Jedenfalls war ich als Kind mit meinem Opa bei ihnen zu Besuch in einer hochherrschaftlichen Villa - so habe ich es in Erinnerung.
Diese beiden Herren kamen über etliche Jahre gerne - auf Einladung meiner Großeltern - zum Schützenfest nach Neukalen. Onkel Köster war ein Neukalener Kind, von Onkel Tiede weiß ich es nicht.
Mein Opa war - wenn ich mich recht erinnere - ein sehr guter Schütze, so daß Oma ständig Angst hatte, er könne Schützenkönig werden. Sie hatte Sorge um den ganzen Rummel, der damit verbunden war. Aber dann wurde er es eines Tages doch. Ich war ganz besonders stolz darauf. Es war sehr aufregend, als er als König am Abend nach Hause gebracht wurde, und als rechts und links der Haustür je ein Schilderhaus aufgestellt wurde, in dem ein Schütze Wache hielt, und als der ganze Verein ihn am nächsten Morgen zum Frühstück besuchte und dann zum Ausmarsch ins Gartsbruch abholte. Ich habe mehrere Jahre Blumen gestreut im Schützenzug, aber in dem Jahr natürlich besonders gerne. Opa war beim Königschuß immer recht großzügig. Das wußten auch meine Freundinnen und waren dort gerne bei mir, weil Opa recht spendabel war. Schützenkönig war er - so denke ich - ein Jahr vor der Nazi - Zeit.
Schützenfest, vorne von links:
Emil Rothenhäuser, August Kähler und Losehand
Mein Großvater hatte einen gut gehenden Betrieb und - soweit ich mich erinnere - zwei oder drei Lehrlinge bzw. Gesellen, die ja zu der Zeit mit am Mittagstisch bei meiner Oma waren. Einige Güter in der Nähe Neukalens gehörten zu seinem Kundenkreis. Da wurden dann von dort Pferd und Wagen geschickt, Material und Leute aufgeladen, und dann blieben sie - zum Beispiel in Lelkendorf im Schloß - bis die anfallenden Arbeiten fertig waren und sie wieder nach Neukalen zurückgebracht wurden.
In den Wintermonaten war natürlich nicht so viel zu tun. Und dann ging der Kunst- und Bildermaler an´s Werk! Opa malte Bilder, seine Motive waren Landschaften, Ansichten, Stillleben; so weit ich es erinnere, nur in Öl, aber da bin ich mir nicht so sicher. Wir hatten zu Hause im Eßzimmer ein großes, wunderschönes Stilleben hängen. Es sind ja wohl auch heute noch etliche Gemälde im Umlauf.
Eine schöne Kindheitserinnerung blieb: Ich saß neben Opa, wenn er an der Staffelei arbeitete, in der Ofenröhre brutzelten Bratäpfel, und auf dem Tisch dufteten Omas selbstgebackene braune Pfeffernüsse.
Wir zogen 1936 bzw. 1937 aus Neukalen fort nach Dahmen am Malchiner See. Bei der Renovierung des Arzthauses dort war Opa noch tätig. Aber bald danach, am 1. September 1938, gab er seinen Beruf auf und meldete sein Malerhandwerk ab. An der Staffelei wird er gewiß noch länger gearbeitet haben.
Am 2.7.1938 starb meine Oma. Opa zog dann zu Tante Käthe Glasow, die ihn bis zu seinem Tod am 10. Mai 1940 betreute.
Der Markt,
gemalt von Emil Rothenhäuser um 1930
Ölgemälde von Emil Rothenhäuser