Der Markt
Wolfgang Schimmel
2011
Schon bei der Stadtgründung 1281 wurde das annähernd quadratische Zentrum eingerichtet, auf welchem dann die St. Johannes Kirche, das Rathaus und später die Schule ihren Platz fanden. Der Marktplatz stand damals wie heute im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Hier versammelte sich einst die Bürgerschaft zum sogenannten Bürgerrecht. Der Bürgermeister verlas die Anordnungen zum Verhalten in der Stadt und auf der Feldmark, was als "Morgensprache" bezeichnet wurde. Außerdem klärte er kleinere Streitigkeiten und beantwortete Anfragen der Bürger.
Am Markt und den beiden Hauptstraßen standen zweistöckige Wohnhäuser. Hier wohnten die besser gestellten Bürger. In jeder Ecke des Marktes befanden sich ursprünglich Brunnen - ab dem 19. Jahrhundert waren es dann Pumpen - für die Wasserversorgung der Einwohner.
In dem Privilegium vom 30.4.1560 gestattet Herzog Johan Albrecht ausdrücklich, daß jährlich ab Sonntag vor Michaelis für zwei Tage ein offener freier Jahrmarkt durchgeführt werden kann. Das muß großen Anklang gefunden haben, denn 28 Jahre später - am 22.11.1588 - wird bei der Erneuerung des städtischen Privilegiums durch den Herzog Johann die Veränderung getroffen, daß fortan zweimal im Jahr für je zwei Tage ein Jahrmarkt durchgeführt werden darf. 1702 kam noch ein Vieh-, Pferde- und Krammarkt hinzu, so daß es im Jahr drei Jahrmärkte gab: im Frühjahr, im Herbst und vor Weihnachten. Ende des 19. Jahrh. gab es neben den 3 Krammärkten noch einen Gänsemarkt und wöchentlich einen Ferkelmarkt. Die Jahrmärkte waren ein bedeutendes Ereignis. Es war alles zu kaufen, was das Herz wünschte, und die Landleute hatten an diesen Tagen alle Geld in der Tasche. Zu diesem Ereignis kamen Händler von weit her, die ihre Stände und Buden aufbauten. Die Stadt hatte durch das eingeforderte Budengeld zusätzliche Einnahmen, so am 21.10.1852 zum Beispiel 3 Reichsthaler 12 Schilling.
Der Markt auf einer Karte von 1727
(Nachzeichnung)
1 = Marktplatz 2 = Brunnen 3 = Rathaus 4 = Schulhaus
5 = Friedhof
Mitten auf dem Marktplatz befand sich jahrhundertelang der Schandpfahl, an welchem Personen bei kleineren Vergehen zur Strafe mehrere Stunden angekettet werden konnten. Er mag anfänglich auch benutzt worden sein, allerdings ist in den sonst recht ausführlichen Schriftstücken nach dem 30jährigen Krieg kein derartiges Urteil zu finden. Am 27.11.1800 räumte man den uralten Schandpfahl weg, sicherlich weil er sehr lange nicht mehr benutzt und auch nicht mehr zeitgemäß war.
Der mit einer Feldsteinmauer eingefriedete Platz rund um die Johannes - Kirche diente seit der Stadtgründung als Friedhof. Ab 1780 richtete man auf dem späteren Schulplatz einen neuen Friedhof ein, der Michaelis 1782 eingeweiht wurde. Zu diesem Zeitpunkt war von der alten Feldsteinmauer nur noch ein kleines Stück übrig. Diese Steine sollten später zur Pflasterung um die Kirche verwendet werden. Einige Steine der alten Feldsteinmauer dürften sich also noch um die Kirche herum finden lassen.
Nach einer gewissen Ruhezeit ebnete man die Gräber des alten Kirchhofes ein. Es kam die Franzosenzeit und damit gab es andere Sorgen. Niemand dachte an eine ordentliche Gestaltung des Platzes. Die Stadt hatte 1779 zwei Gärten bei der Bleiche als Fläche für den neuen Friedhof hergegeben und dafür den Bereich um die Kirche im Austausch erhalten. Sie war also zuständig. Um 1836 war der ursprüngliche Friedhof um die Kirche herum immer noch nicht ordentlich hergerichtet und diente als Abstell- und Sägeplatz. Kirchenprovisor J. F. Müller hatte sich deshalb mehrfach an den Magistrat gewandt. Da sich nichts änderte, schrieb er am 5.12.1836 erbost an den Landesherrn. So heißt es in seinem Brief: "... doch kann ich bei dieser Gelegenheit den allgemeinen Wunsch, daß der in der Stadt um die Kirche belegene unbefriedigte Kirchhofsplatz, welcher zeither so vielfältig gemißbraucht zur Baustelle, und Sägeplatz von den Einwohnern benutzt auch zu Holzlagerstelle hat dienen müssen, möge befriedigt werden, weil dadurch so mancher Unfug gesteuert wird, Ew. Königl. Hoheit unthgst. anheim zu stellen... Auch dürfte zur Verschönerung und Zierde der Stadt eine Anpflanzung von Lindenbäumen innerhalb dieser Befriedigung höchst wünschenswerth sein..."
In der Folgezeit wurde der Platz gründlich aufgeräumt und die Anpflanzung der Linden vorgenommen. Leider mußten diese Linden jetzt gefällt werden, da sie auf Grund der Umweltverschmutzung und den vielen Beschneidungen ihr Lebensende erreicht hatten.
Das 1854 angefertigte Geländer aus Eichenholz um den Kirchplatz war schon 1876 morsch und zerfallen. Es sollte jetzt ein eisernes Geländer angefertigt werden. Der Magistrat ließ sich von den Schlossern der Stadt einen Kostenvoranschlag vorlegen, wobei er folgende Lieferungsbedingungen stellte:
"Betr.: Eisernes Geländer um die Kirche
1. Deutsches Eisen ist zu nehmen.
2. Die Pfosten müssen 3 Fuß, 4 Zoll lang und quadratisch sein.
3. In jedem Pfosten sind 2 Löcher für die Riegel zu bohren.
4. Jeder Riegel ist 6 Fuß lang zu machen von Rundeisen mit 1 Zoll Durchmesser.
5. Die Pföste sind in den Löchern der Steine mit 2 eis. Keilen und Einguß von Schwefel und Eisenspänen zu befestigen.
6. Die 6 Pfähle an den 3 Kirchentüren, daß die Riegel herausnehmbar sind.
7. Die Steine, mit Löchern versehen, werden von der Stadt am Kirchplatze geliefert, während das Eingraben derselben und alles Übrige, der Unternehmer zu beschaffen hat.
8. Bis zum 15. Mai 1877 muß das Geländer zum Aufstellen fertig sein.
Neukalen, d. 14. Oktober 1876
Reinhard Wasserstrat F. Bremer Dr. Willgohs"
Die Stadt erhielt folgende Anschläge:
1. Schlossermeister Lembke mit 1243 M 30 Pf
2. Schmiedemeister Pietschmann mit 1140 M
3. Schlossermeister Stahl mit 1100 M
4. Schlosser Klüver mit 1050 M
5. Schmied Wilken mit 840 M
Den Zuschlag erhielt Schmied Wilken, welcher das Geländer, wie gewünscht, 1877 fertigstellte. Bis heute hat sich ein großer Teil dieses eisernen Geländers erhalten, muß nun aber ebenfalls bei der Neugestaltung des Marktplatzes weichen.
Das Geländer um den Kirchenplatz von 1877
Älteren Einwohnern wird noch der 1905 auf dem Markt aufgebaute schöne gußeiserne Gaskandelaber in guter Erinnerung sein. Etwa 1964 wurde er leider entfernt und an seiner Stelle ein einfacher Betonmast für die Beleuchtung aufgebaut.
1787 erfolgte die Pflasterung des Marktplatzes; ob er davor auch schon gedämmt war, läßt sich nicht mehr sagen. Das alte Kopfsteinpflaster erhielt 1973 eine Schwarzdecke.
In diesem Jahr wird der Marktplatz nun vollkommen neu gestaltet. Die Neukalener freuen sich, daß "ihre gute Stube" wie es der Bürgermeister beim ersten Spatenstich am 9.2.2011 ausdrückte - ein ansprechendes Aussehen erhalten wird, welches gleichermaßen dem historischen Charakter wie den neuzeitlichen Ansprüchen gerecht wird.