Heimatdichter Ludwig Kreutzer
geboren: 12.2.1833 in Dömitz
gestorben: 9.4.1902 in Neukalen
Am 9. April 1902 verstarb in Neukalen der Volksschriftsteller Ludwig Kreutzer. Heute ist er leider in Vergessenheit geraten. Als vor einiger Zeit Herr Wolfgang Brockmann aus Berlin – ein Urenkel Ludwig Kreutzers – in unserer Stadt nach Spuren seines Großvaters suchte, mußte er leider enttäuscht feststellen, daß nichts mehr über seinen Vorfahren bekannt war.
Ludwig Kreutzer erblickte am 12. Februar 1833 in Dömitz als Sohn des Schulmeisters und Organisten Fritz Kreutzer und seiner Ehefrau Caroline, geb. Rodaß, das Licht der Welt. Nach einer kaufmännischen Lehre in Boizenburg, besuchte er zwei Jahre das Lehrerseminar in Ludwigslust und wurde danach 1857 als Lehrer in Parchim, 1860 in Ludwigslust und 1868 in Zehlendorf bei Güstrow. angestellt. Hier veranstaltete er Schultheateraufführungen, schrieb kleine Geschichten, Laienspiele und Verse, meist in plattdeutscher Sprache. Seine Geschichten wurden in billigen Ausgaben gedruckt und fanden so weite Verbreitung in der Bevölkerung. Jedes Jahr schrieb er eine Kalendergeschichte für den beliebten „Voß-und Haas-Kalender“. Bekannt wurden seine "Plattdütschen Sülverabendknäp" und "10 mecklenburgische Volkserzählungen".
1895 erblindete er und zog zu seiner Tochter nach Neukalen, Malchinerstraße 7. Seine Geschichten diktierte er seiner Ehefrau Johanna, geb. Hahn. Am 9. April 1902 verstarb Ludwig Kreutzer mit 69 Jahren an einem Nierenleiden. Er wurde in Neukalen auf dem Friedhof beigesetzt. Seine Witwe, Johanna Sophie Mathilde Kreutzer, geb. Hahn, verstarb am 1. Februar 1913 im Alter von 75 Jahren in Neukalen. Die einzige Tochter war mit dem Sohn des Schäfers Johann Brockmann verheiratet. Sie hatte mehrere Kinder und verließ später Neukalen. Es ist bedauernswert, daß seine Grabstätte auf dem Neukalener Friedhof heute nicht mehr vorhanden ist.
Daß Ludwig Kreutzer um 1900 ein recht bekannter Verfasser vieler kleiner Geschichten war, zeigt uns das beigefügte Vorwort zu einem Büchlein „10 mecklenburgische Volkserzählungen“ aus dem Jahre 1904.
Vorwort
Wenn heute die besten Namen unter den Volkserzählern genannt werden, dann wird Ludwig Kreutzer gewiß nicht mehr vergessen. Manche seiner größeren Erzählungen sind weit über die Grenzen unseres engeren Vaterlandes hinaus verbreitet. Die von dem Dichter verfaßten zahlreichen Theaterstücke haben schon sehr vielen durch ihren humorvollen Dialog und ihre spaßigen Situationen an festlichen Familien- oder Vereinsabenden köstliche Stunden bereitet. Am liebsten ist uns aber der Dichter in seinen kleinen Erzählungen. Gerade in diesen weht am deutlichsten der gesunde Odem heimatlicher Erde. Nach Form und Inhalt sind sie naturwahr, einfach, gesund, voll gelassenen trockenen Humors, aber auch voll echter Frömmigkeit und voll Liebe zu Fürst und Vaterland, und mit Recht rühmt man ihnen nach, daß sie sich fernhalten von aufdringlichen Tendenzen, die den künstlerischen Genuß stören. Darum wurden diese kleinen Geschichten auch von Anfang an sehr gerne gelesen, und der Dichter ist der großen Mehrzahl in unserem Volke bekannter als selbst Fritz Reuter. Alle Jahre war er jahrzehntelang mit seinen Kalendergeschichten bei mehr als Hunderttausenden ein gern gesehener Gast, in Schloß und Hütte.
Seit dem 9. April 1902 schläft der gemütvolle, von so vielen verehrte Erzähler. Der Gedanke, eine Anzahl der kleineren Erzählungen in würdigem Gewande herauszugeben, fand von allen Seiten freundliche Unterstützung. Ich danke auch an diesem Orte der treuen Gattin des verstorbenen Dichters, Frau Johanna Kreutzer, für ihre mannigfache Hülfe, ebenso dem Herrn Landes - Archivar Dunkelmann, der besonders durch Hergabe von alten Trachtenbildern die Arbeit des Malers wesentlich unterstützte.
Über den Buchschmuck, den unser Landsmann Adolf Jöhnssen gezeichnet hat, erübrigt sich zu schreiben. Die sorgfältigen, echt heimatlichen Bilder sprechen für sich selber. Die warme Auffassung der Handlung, vor allem aber auch die unserer Volksgestalten und das sichere Gefühl für die charakteristischen Schönheiten unserer Heimat werden nicht bloß denjenigen zusagen, die mit Nachdruck auch auf diesem Gebiete nach dem frischen guten Geruche der Heimatscholle rufen. Auch der goldene Humor, der sich an gar manchen Orten zeigt, wird in vielen den Wunsch erregen, daß dieser ersten Gabe an heimatlichen Bildern bald andere folgen möchten.
Der Preis des Büchleins ist trotz des reichen Schmuckes durch weites Entgegenkommen des Herrn Verlegers ein so niedriger, da0 auch aus diesem Grunde eien recht große Verbreitung der kleinen Sammlung möglich wird. Damit würde erreicht, was mir Absicht gewesen ist, dem von mir schon seit Knabenjahren herzlich geliebten und verehrten Dichter ein kleines Denkmal zu setzen, "nicht auf grüner Heide oder grauer Straße", wie er schreibt, "sondern in Deinem warmen Herzen, lieber Leser".
Wilhelm Schmidt - Rostock
Weitere Titel der Erzählungen von Ludwig Kreutzer sind u. a.: „Martin der Stellmacher“, „Die Waldjungfer von Wildberg“, „Die Blutigelhändler“ und „Die unheilvolle Erbschaft“.
Frau Hanna Milinski aus Hamburg, seit dem 1.1.1993 Mitglied im Neukalener Heimatverein, stellte uns zwei Gedichte zur Verfügung.
1897 widmete Ludwig Kreutzer dem Gastwirt Georg Kähler zu seinem 40. Geburtstag das folgende Gedicht:
Titelseite des Gedichtes von Ludwig Kreutzer:
"Seinem verehrten Freunde dem wirklichen Geheimen Gastrath Herrn Georg Kähler
gewidmet von L. Kreutzer
Neukalen d. 6 Mai 1897"
Min leiw Herr Kähler, Wohlgeburn!
Ick weit wat. Spitzen S' mal dei Uhrn!
Hüt is en groten, groten Dag,
Wo ganz wat Wichtiges geschach.
An'n sößten Mai - verstahn S' mi recht -
Dei sößte Mai, ja dei is echt -
Wier dat genau vör viertig Johr,
Dunn kem dei gaude Adebor
Bi Kähler in dat Hus rinfollen -
Verstahn S' mi recht, ick mein den Ollen -
Un hett 'n lütten Jungen bröcht -
Un in dei Weig em rinner leggt.
Wat makt dei Oll vör ein Gesicht!
Wat makt dei Jung vör ein Geschricht!
Den Ollen äwer kunn't nich schaden,
Wat hadd heir't Finster uptaulaten!
Ut't Finster wedder gung dei Storch.
Den Jungen näumten sei Georg.
Un as noch ludhals bölkt dat Gör,
Wer steiht dor buten vör dei Dör?
Gott Gambrinus, hei hadd spaziert,
Dei Brugeriegen revidiert
Un dorbi - wat nich oft ded kamen -
Sin Fru Korline mit sich nahmen.
Un Herr Gambrin und Fru Korlin,
dei kiken beid in't Finster rin.
Seihn sich den drallen Bengel an
Un freun sich, wat hei bölken kann.
Uns Gott Gambrin
Seggt tau Korlin:
"Hür, Mudding mi,
Dei Jung hett Pli,
Ne, wo so klauk hei üm sich kickt,
Ne, wo hei üm den Bort sich lickt!
As hadd hei drunken ein Glas Bier.
Un jankte ümmer noch nach mihr.
Un dei lütt Snut
Süht brun all ut,
Ne, kik mal hier,
As wier't von Bier.
Dat is dei richtige Kulör
As wenn hei nu all Gastrat wier.
Un wo dei lütten Knäweln gahn,
As schreiw mit duwwelt Krid hei an!
Un kik dei lütten Bein einmal,
As güng't den Keller up und dal.
Wat is dat Görending doch smuck:
All orndlich 'n lütten "Burmeisterbuk"!
Un ward dei Ollsch ein's äwerstraken:
"Ut desen Jung is wat tau maken.
Korlin, Korlin, Du sallst dat seihn,
Den Bengel ward ick mi erteihn."
Wat hei verspraken hadd sin Ollen,
Datt hett hei trug und ihrlich hollen.
Dei Biergott makte ohne Frag
Sich an den Lütten sine Mag.
Verschaffte ehr ein grot Gelat,
Worin Platz hadd ein gadlich Fatt.
Nu nehm hei em denn bi den Zopp
Un makte drunkhaft em den Kopp
Un makte em en vergnäugten Sinn,
Sett't em en lütten Windhund rin,
Dei kettelt Orching mit den Start,
Bet Orching utgelaten ward.
Makt flinke Arm em, fixe Bein,
As Brummküsel kunn hei sich dreihn
Gaww em en richtig'n Tungenschlag.
Un stärkt sin Kehl em jeden Dag.
Tauletzt, noch kreig hei sin Albining!
Un dunn würd Herr Georg irst fining.
As so nu alles wier taurecht,
Herr Gambrin em nach Kalen bröcht -
Un dor sitt hei nu drög un gaud,
Un is ein gor vergnäugtes Blaut.
Un ümmer fründlich bi sin Mäuh!
Blot männigmal eins flunkert hei.
Dat is kein Fehler, as man süht,
Wenn dat man mit Geschick geschüht.
So hett denn Gambrin in dei Daht
Vel Freud' an sinen Zögling hatt.
Blot eins bedurt hei in dei Still,
Dat Orch sin Buk nich vörwarts will.
Hei is so dünn un bliwwt so dünn,
Dat'n mit dei Pietsch em dörchhau'n künn.
Doch Gambrin denkt noch af un an,
Dat, wat nich is, noch warden kann.
Hüt is nu mal wedder dei sößte Mai,
Ne, wo ick mi doräwer freu!
Doch will ick lütt Minsch mi ok nich schanieren,
Un kam, üm Sei, Nawer, tau gratulieren.
Dor wünsch ick in all un in jeden Stück
Sei dusendmal Glück un noch dusendmal Glück,
Ick wünsch in dei Gaststuw Sei flotte Gäst,
Mit Geld in dei Taschen un grimmigen Döst.
Vel Reisende wünsch ick mit vele Moneten,
Dei nie nich un nüms dat Betahlen vergeten.
Un kümmt Sei 'n Drupp Water mal mit rin,
Dat dordörch dei Win ümmer schöner ward sin.
Un dat Sei ümmer un allemal
Gehursam sünd gegen ehr Ehegemahl;
Denn mulich is gegen dei Gattin nich
Niemals ein vernünftiger Gatterich.
Un vull stets dei Geldknipp un froh Sei all Dag;
Un drunkfast dei Kopp un gesund stets dei Mag;
Dat wünsch ick von Harten. Doch eins noch dorbi:
"Kam ick mal tau pumpen, denn pumpen S'ok mi."
Hurrah! Un Hurrah! Dei sößt Mai is dor,
För Sei Nawer Kähler Prost Nijohr = Nijohr!
Georg Kähler
geboren 6.5.1857 in Waren
gestorben 15.5.1900 in Neukalen
Besitzer des Gasthofes "Großherzog von Mecklenburg"
in Neukalen von 1882 bis 1900
1899 schrieb der Volksdichter Ludwig Kreutzer das folgende kleine Gedicht zum 70. Geburtstag von Christian Kähler (Vater von Georg und August Kähler):
"An Herrn Ch. Kähler.
Tau sinen säbentigsten Geburtsdag
Gott grüß Di mit Din säb'ntig Johr!
Mit Ehr'n dröggst Du Din grises Hohr,
Du hest vel lopen, rönnt un gahn
Un ihrlich dörch dei Welt Di slah'n.
Un brave Jungs hest Du ertrocken
Mit rode Backen, kruse Locken,
Dei frisch un fründlich sünd getacht,
Mit vele Gäud' un flitig Schacht.
Doch hadd ick Di dat sihr verdacht,
Wenn Din lütt Martha Du haddst schacht.
Drüm wünsch' ick Di von Kopp tau Faut
Gesundheit, Glück und frischen Maud
Un Freud so vel as Stiern an'n Heben,
Hurrah! Oll Kähler, dei sall leben
taum wenigsten noch twintig Johr
Un lustig dorbi immerdor.
Doch bidd' ick Di: bi Dine Jugend
Verlat niemals den Weg der "Tugend",
Krieg't nich mit Supen un mit Spelen,
Mit Schellen nich un nich mit Grälen,
Un schick Di gaud, d'rin hür Du mi,
Dat Dine Görn heww'n Freud an Di!
Zur Beherzigung von seinem
aufrichtigen Freunde
L. Kreutzer.
Neukalen, d. 24. März 1899."