Die Flurkarte von 1727
Wolfgang Schimmel - 1996
Auf kaiserlichen Befehl fertigten lüneburgische Landvermesser in den Jahren 1726 - 1728 Flurkarten mecklenburgischer Städte an. Diese Karten sollten wahrscheinlich als Beweismittel in dem damals anhängigen Streit über den Steuermodus zwischen der Ritterschaft und den Städten dienen.
Ein Exemplar der im Maßstab von ca. 1:3000 gefertigten Karten wurde jeweils dem Rat der Stadt übergeben, ein weiteres wurde bei der damals in Mecklenburg - Schwerin wirkenden Kaiserlichen Kommission aufbewahrt und gelangte später in den Besitz des Staatsarchivs Hannover, wo sich heute noch ein Teil derselben befindet.
Auf diesen Karten ist jedes Flurstück mit einer Nummer versehen, die einen Hinweis auf den jeweiligen Besitzer gibt. Die Liste aller Besitzer findet sich jeweils in der Legende.
Aus alten Schriftstücken geht nun hervor, daß im Mai 1727 durch den Artillerielieutenant C. G. Hermanns und den Conducteur F. H. Brückmann die Vermessung der Neukalener Feldmark erfolgte. Im Ergebnis dieser Arbeiten entstand eine große Flurkarte und eine schriftliche Aufstellung aller Äcker, Wiesen, Weiden und Gärten mit den Namen der Besitzer, der Größe und des Ertrages.
Eine Kopie der Flurkarte von 1727 hängt im Rathaussaal
Nachzeichnung der Flurkarte von 1727
"Carte Von der Stadt Nienkahlden und deren Gantzen - Feldt - Marck Nebst Specificatio derer Sämbtlichen Bürger - Nahmen und Freyen Theile, wie solche nach denen Nummern angezeiget und distinguiret"
[Nachzeichnung der Flurkarte von Neukalen 1727 im PDF-Format]
Bereits 1815 suchte man nach der Karte, fand sie auch wieder. Am Ende des 19. Jahrhunderts war sie erneut verschwunden. Bis 1991 wußte niemand mehr etwas von der alten Karte. Damals stöberten Herr Krüger, Herr Kohls und Herr Schimmel auf dem Rathausboden, um nach älteren Zeugnissen der Neukalener Geschichte Ausschau zu halten, die für Veröffentlichungen des neugegründeten Heimatvereins von Interesse wären. Durch Zufall stießen sie im Gebälk des Daches auf die zusammengerollte Karte. Der Fund war für Neukalen eine kleine Sensation. Mit dieser alten Flurkarte von 1727 ist der Stadt Neukalen ein kulturhistorisch wertvoller Schatz erhalten geblieben.
Im März 1995 besah sich die Berliner Restauratorin Patricia Engel die Karte. Sie bezeichnete den Zustand der Karte als zwar restaurierungsbedürftig, aber dennoch erstaunlich gut. Teilweise hat sich das Papier von dem Leinengrund gelöst, und jedes Aufrollen läßt kleine Papierstückchen abfallen. Es wäre deshalb sehr wichtig, eine Sicherung von fachkundiger Hand zur Erhaltung in Angriff zu nehmen. Das ist nicht gerade billig. Bis das hierfür notwendige Geld zur Verfügung steht, wird die Karte gut verwahrt.
2001 entschloß man sich, die Karte dem Landeshauptarchiv in Schwerin als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen mit der Bitte um Restaurierung und Anfertigung einer Kopie. Etliche Jahre tat sich nichts in Schwerin. Im September 2013 erkundigte sich unser Bürgermeister, wie es mit der versprochenen Restaurierung und Anfertigung einer Kopie aussieht. Frau Krüger vom Landesarchiv Schwerin entschuldigte sich für das Versäumnis: "... Bedingt durch die Rekonstruktion unseres Haupthauses, das vollständig geräumt wurde, waren auch die Restaurierwerkstatt und die Fotostelle über Jahre in Notquartieren ausgelagert worden. Aus diesen zogen sie in den Jahren 2011 - 2012 erneut um. Erst ab September diesen Jahres besteht im neuen Ersatzquartier der Restaurierungswerkstatt die Möglichkeit, Großformate zu restaurieren..."
Am 26.5.2014 erhielt unser Bürgermeister die Mitteilung aus Schwerin, daß die Restauratorin Frau Wallow die Neukalener Karte aus dem Jahre 1727 restauriert hat. Die Karte befindet sich jetzt gerollt in einem großen Kasten im Magazin des Landesarchivs Schwerin und ist unter 12.12-2, Neukalen, 1727, Signatur XXIX registriert.
Wir erhielten eine CD mit sechs Einzelscans. Das "Printzentrum" in Rostock fügte die einzelnen Abschnitte zusammen und druckte die Karte in etwas verkleinertem Maßstab aus. Die Tischler Egbert und Lorenz Neumann rahmten die Karte sauber ein, so daß sie im Rathaussaal angebracht werden konnte. Anläßlich der Stadtvertretersitzung am 28.8.2014 wurde sie feierlich enthüllt und kann nun von jedem Besucher in Ruhe betrachtet werden.
Im Osten zum Kummerower See hin (oben) und im Westen (unten) sind die großen Sumpf- und Weideflächen der Peeneniederung zu erkennen. Die Stadt selbst zeigt sich in ihrer ursprünglichen kreisförmigen Anlage. In der Mitte befinden sich Kirche, Rathaus und Schule. Deutlich eingezeichnet sind auch die beiden Haupttore: das Mühlen- und das Malchiner Tor. Außerhalb des Mühlentores an der Peene ist die Wassermühle mit den beiden Wasserrädern zu erkennen. Im Nordosten der Stadt ist mit einem F das fürstliche Amt bezeichnet. Die Scheunen der Ackerbürger liegen außerhalb des Stadtgebietes. Auch zahlreiche Gärten sind zu sehen. In Richtung Dargun, Lelkendorf, Schlakendorf, Salem und Malchin führen die alten Feldwege. Sehr interessant sind die zahlreichen Flurnamen, die zum Teil noch heute bekannt sind, so z. B.: "Heydahls Berg", "Rathmer - Dieck", "Gart Brock", "Der Werder" ...
Dieser Ausschnitt aus der Karte von 1727 zeigt die Stadt Neukalen
Im unteren rechten Teil der Karte ist vor den einzelnen Namen der Besitzer folgendes eingetragen:
"Carte Von der Stadt Nienkahlden und deren Gantzen - Feldt - Marck Nebst Specificatio derer Sämbtlichen Bürger - Nahmen und Freyen - Theile, wie solche nach denen Numern angezeiget und distinguiret
A. zeiget die Stadt,
B. " " Stadt - Kirche
C. " das Rath Haus
D. " " Mühlen - Thor
E. " " Malchinsche Thor
F. " " Fürstl. Ambt
N. I. Fürstl. Amts - Länderey
II. Kirchen - Land, so zum Fürstl. Ambt gelegt
III. Kirchen - und Pfarr - Acker
IV. Kirchen - Länderey, so denen Bürger - Häusern beygelegt, und speciel angedeütet
V. St. Jürgen Land
VI. Arm - Kasten Land
VII. Cämmerey Land
Auf der Karte ist jedes Flurstück mit einer Nummer versehen. Zu den einzelnen Nummern der Ackerstücke (sie sind auf der Nachzeichnung nicht vorhanden) gehören folgende Namen:
1. Bürger Meister Martens
2. " " Ahrens
3. Stadt - Richter
4. Senator Justus
5. " Bremer
6. " Lüders
7. " Meyer
8. David Danckwarth
9. Jürgen Müller
10. Michel Kasch
11. Witt. Bieschoffen
12. Johann Lehms
13. Christian Krüger
14. Hinrich Krüger
15. Jürgen Blohm
16. Thomas Leverentz
17. Hans Ahrens
18. Witt. Schlodtmanns
19. Witt. Ziels
20. Christ. Wulff
21. Joch. Cummeldühr
22. Christoph Henning
23. Jacob Kasch
24. Matth. Richter
25. Jacob Mayburg
26. Joach. Gamm
27. Caspar Müller
28. Carsten Schefoth
29. Christoph Wulff
30. Claus Lange
31. Jürgen Wrede
32. Jürgen Lorentz
33. Caspar Schmidt
34. Hans Hinr. Lübcke
35. Jacob Kirchhoff
36. Simon Kayser
37. Christoph Bruhn
38. Alexand. Flinck
39. Joach. Hartwig
40. Witt. Hennings
41. Johann Stoss
42. Adam Rötge
43. Fried. Busch
44. Matth. Zehl
45. Joel Steimbke
46. Joach. Sost
47. Jacob Lehms
48. Johann Müller
49. Jürgen Hildebrandt
50. Christoph Hahn
51. Witt. Kaschen
52. Joach. Schwartz
53. David Matthias
54. Joach. Martens
55. Joach. Danckwarth
56. Joh. Wichmann
57. Joch. Ruthenberg
58. Joach. Bünger
59. Ludwig Zander
60. Adam Bennwitz
61. Johann Hartwig
62. Christoph Klut
63. Claus Müller
64. Witt. Dreyers
65. Joh. Fried. Ohlrich
66. Hans Joach. Seemann
67. Johann Martens
68. Jacob Gehrcke
69. Michel Hass
70. Johann Rohfinck
71. Michel Kluth
72. Jacob Gernentz
73. Christoph Schefoth
74. Hans Maans
75. Peter Stüdemann
76. Joach. Wietz
77. Ulrich Brockmann
78. Andreas Schröder
79. Joh. Kohlmeyer
80. Casp. Radtmann
81. Gabriel Gnitke
82. Jacob Schröder
83. Johann Warlmann
84. Nicol. Tessmann
85. Gottfried Buchholtz
86. Hans Joach. Steimbke
87. Christoph Steimbke
88. Joach. Kasch
89. Witt. Campsche
90. Thomas Fabian
91. Hinrich Sonntag
92. Witt. Kirchhofs
93. Wittwe Schweinstein
94. Joach. Sonntag
95. Witt. Starrsche
96. Adam Ulrich
97. Hinrich Schröder
98. Jacob Ross
99. Christoph Prehn
100. Otto Isermann
101. Witt. Marrdausche
102. Thomas Wulf
103. Christopher Kirchhoff
104. Christ. Lang
105. Jacob Kirchhoff
106. Christoph Müller
107. Johann Kobow
108. David Stuth
109. Jacob Bohl
110. Vollrath Schwartz
111. Fried. Carnatz
112. Michel Carnatz
113. Johann Steffen
114. Albrecht frömbd
115. Dreves
116. der Cantor
117. Hüttenbecker
118. Hinrich Buhr
119. Gehrken Wittwe
120. Sohsten Witt.
121. Hinrich Falgos
122. Matth. Krüger
123. Lembke
124. Bürger Meister Martens Witt.
125. Grossmann
126. Wulffs Wittwe
127. Otto Falgos
128. Hans Hinr. Bölcke
129. Hinrich Grossmann
130. Hinrich Suhr
131. Hinrich Meineke
132. Witt. Schwovius
133. dt. Jölstein
134. Clages Lauw
135. Russowen Witt.
136. Gosthard frömbd
137. N. Stein
138. N. Martens frömbd
139. N. Christ. Behr
140. Hinrich Lehms
141. Telckow, frömbd
142. Christ. Bünger
143. Peter Kasch
144. Hans Hering
145. Finders Erben
146. Büngers Witt.
147. Samuel Krisow
148. Hinrich Lehms
149. Fried. Krüger
150. Hinrich Peters
151. Hans Ahrens
152. Christ. Scharping
153. N. Krüger
154. Ahrend Rath
155. Hans Krüger
156. Joh. Isermann
157. Christ. Falgos
158. Buschen Wittwe
159. Caspar Hennig
160. Kohlmann
161. Jacob Lembke
162. der Stadt - Diener
163. Burmeister
164. Sonntags Wittwe
165. Joch. Kirchhoff
166. Wittwe Fabians
167. Berdaus Wittwe
168. Andreas Wulff
169. N. Bendt
170. Casp. Hass
171. Richter der Töpffer
172. Joch. Schröder
173. Schneider nach Basedow
174. N. Wulffgahn
175. Warlemann von Malchin
176. Christoph Behrend
177. Witt. Schröder
178. Witt. Lehms, frömbd
179. Bernhard
180. Jochen Moller
181. N. Thomes
182. Wichmanns Wittwe
183. Bennen Witt.
184. Hinrich Meyer
185. Magnus Flint
186. Andr. Wrehde
187. Jörs Wittwe
188. Joach. Fabian
189. Michel Wichmann
190. N. Ruthenberg frömbd
191. N. Dreyer, frömbd
192. Peter Stertmann
193. Richard Krüger
194. N. Behrend
195. N. Starck
196. Dragunsche Kirche
197. Johann Witte
198. Hans Hinrich Hennig
199. Krügers Wittwe"
Erklärung dazu:
- "frömbd" bedeutet fremd; dieses Land gehörte also einem Fremden, welcher nicht in Neukalen wohnte.
- "N." ist so zu verstehen, daß der Vorname nicht bekannt war.
- "Witt." Abkürzung für "Witwe".
Ganz unten auf der Karte steht:
"Gemessen und Auffgenommen von dem Artillerie Lieutenant C. G. Hermanns und Conducteur J. H. Brückmann."