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Neukalen und die Franzosenzeit (1)

 

Wolfgang Schimmel

 

 

Nachdem am 14.10.1806 die Preußen und Sachsen bei Jena und Auerstedt von den Franzosen vernichtend geschlagen waren, flüchtete der preußische General von Blücher mit seiner versprengten Truppe in das neutrale Mecklenburg. Drei französische Armeen, unter Führung von Murat, Bernadotte und Soult, verfolgten ihn. Obwohl die mecklenburgischen Landesgrenzen Ende Oktober 1806 mit Neutralitätspfählen gekennzeichnet wurden, ignorierte die französische Armee diese, und so kam es am 1. Nov. 1806 zu einem Gefecht in der Gegend zwischen Silz – Nossentin und Jabel zwischen der preußischen Nachhut und dem französischen Cavalleriecorps unter dem Großherzog von Berg (Joachim Murat).

 

Mit der Unterbringung von vier Offizieren, zwei Gemeinen und sechs Pferden beim Gastwirt Johann Peter Kasch am 31.10.1806 begann auch für Neukalen die Zeit der Einquartierungen und Plünderungen.

Am 2.11.1806 zogen etwa 10 000 Franzosen, die zum Kavallerie - Korps des Großherzogs von Berg gehörten, von Demmin und Dargun kommend durch Neukalen und weiter in Richtung Malchin. Hierbei kam es zu zahlreichen Plünderungen. 600 Personen und 800 Pferde mußten in der Stadt untergebracht werden.

Als am späten Abend etwas Ruhe eingezogen war, kamen Bürgermeister und Rat im Rathaus zu einer ersten Besprechung zusammen:

 

„Actum Nienkalden den 2. November 1806.

Heute Mittag gegen 12 Uhr ist hieselbst ein Kaiserl. französisches Cavalleriecorps von 10 000 Mann Husaren und Cürassire unter Anführung des Princen Murat Großherzogs v Berg K. H. durchmarschirt und hat bey diesem Durchmarsche in den mehrsten Häusern der Stadt große Plünderungen und Excesse verübt, indem einzelnen Einwohnern große Summen an baarem Gelde, Metiehr und Pferde mit gewaffneter Hand und mit wirklicher Lebensgefahr von Seiten der Geplünderten abgenommen ist. Der Durchmarsch dauerte den ganzen Tag und wurden bey dieser Gelegenheit mehrere reitende Boten als Wegführer requirirt. Gegen Abend rückten mehrere hundert Mann und Pferde ein, welche auf ihr Verlangen mittelst Austheilung der gewöhnlichen Logisacarts zu 4 bis 8 u 10 Mann u eben so vielen Pferden in die Häuser der Stadt einquartiert wurden.

Die Anlage lit. A enthält das Verzeichniß der bequartiert gewesen Einwohner nebst dem, was bey dieser Gelegenheit consummirt ward und welches beträchtlich ist, da von Seiten der französischen Truppen überall keine Ordnung in der Bestimmung der zu verabreichenden Rationen und Portionen beobachtet, sondern alles der Willkühr u Forderung des einquartirten Militairs überlassen ist. Auch hat in Rücksicht der Einquartierung selbst, wenn gleich bey deren Regulirung anfangs die möglichste Gleichheit beobachtet worden, dennoch kein richtiges Verhältnis Statt gehabt, indem eines Theils bey Einquartirung der Pferde die Größe der Stallräume hauptsächlich berücksichtiget werden müssen, andern Theils aber auch von den fremden Militair die obrigkeitliche getroffene Ordnung und Eintheilung nicht beobachtet ist, sondern mehrere Einquartirte willkührlich andere als die ihnen angewiesene Logis gewählt hat. Es wird daher bey wiederhergestellter Ruhe, welche der Allmächtige bald verleihen wolle, die Egalisirung der Einwohner unter einander erschweret.

Nachrichtlich ist dieses bloß registrirt worden.

J. A. Wachenhusen

      Bmstr."

 

Am nächsten Tag kamen Bürgermeister Wachenhusen, die beiden Ratsleute Carow und Dolberg sowie der aus zwölf Personen bestehende Bürgerausschuß auf dem Rathaus zusammen und brachten zu Protokoll:

"Nachdem die in voriger Nacht hieselbst im Quartier gelegenen fremden Truppen sich gegen neun Uhr Vormittags aus der Stadt entfernt hatten, wurde die gegenwärtige Versammlung sofort angesezt, und als sich alle ladungsmäßig eingefunden hatten, proponirte der Bürgermeister folgendes:

1) Da es zu besorgen sey, daß die Durchmärsche fremder Truppen noch nicht aufhören mögten, so habe Magistratus beschlossen, diese Zeit über auf dem Rathhause Tag u Nacht permanente Sitzung zu halten und er fordere die Bürgerschaft auf, derselben beyzuwohnen.

2) Da zu besorgen stehe, daß bey ferner zu besorgenden vielleicht noch stärkerer Einquartierung es manchen Bürger an nöthigem Futterkorn für die Pferde fehlen möge und man hieraus bey dem leider bekannt gewordenen Ungestüm und schlechten Disciplin des fremden Militairs für Menschen wirklich dürftiger großer Gefahr besorgen müsse; so schlage er vor, daß jedem wirklich Akkerbau treibenden Einwohner durch einen sofort zu veranstaltenen Umlauf per ministram anbefohlen werde, heute Abend, bis 2 Scheffel Hafer auf dem Rathhause abzuliefern, woraus dann demjenigen, der kein Korn hat, das Nöthige gegen baare Bezahlung verabreicht werden könne.

3) Da es ferner leider mehr als allgemein bekannt sey, daß die Plünderungen der französischen Truppen, welche nicht zu verhindern zu seyn scheinen, da sie unter den Augen der Feldherrn und Officiere vorgehen und manchen des baaren Geldes beraubten, dessen man doch in heutigen schweren Zeiten so nothwendig bedürfe da ferner auch vorherzusehen sey, daß die hiesige Stadt - Cämmerey des baaren Geldes zur Bestreitung mancher erforderlichen beträchtlicher Auslagen, vielleicht gar zur Rettung des Ganzen vom allgemeinen Verderben ebensosehr bedürfen werde, als wenig die ausstehende Forderung der Stadt von den durch den Durchmarsch so sehr bedrückten Einwohner anders als durch Execution, die doch ohne die größte Härte nicht verfügt werden kann, beyzutreiben seyn würde, gleichwohl es ihm und der Bürgerschaft bekannt genug sey, daß noch wohl hie und da in den Häusern wohlhabender Bürger mancher Geldvorrath versteckt sey, welcher bey fernerer Plünderung gleichfalls genommen werden kann; so schlage er vor, daß durch einen Umlauf in der Stadt bekannt gemacht werde, daß die Cämmerey bereit sey, das in den Händen der Bürger noch befindliche baare Gelde auf dem Rathhause ad Depositur oder als ein zinstragendes Capital anzunehmen.

Von Seiten der Bürgerschaft wurden alle diese Vorschläge nun genehmiget und so nunmehr sowohl der Magistrat, als die Bürgerschaft die permanenten Sitzung auf dem Rathhause bey zu wohnen verhieß, so beschloß man auch einmüthig daß

ad 1) der Rathsdiener Fidler sofort in der Stadt ausgeschickt werden solle, um von jedem Akkerbau treibenden Einwohner die Lieferung von 1 Scheffel Hafer nach dem Rathhause zu requiren, wozu demselben sofort der Auftrag ertheilt ward.

ad 2) Uebernehmen der Stadtsprecher Sontag und der Viertelsmann Fischer, so wie der Stadtsprecher Clasen und der Viertelsmann Jacob Schröder den Umgang in den Häusern der Stadt und kehrten bald mit dem Bescheide zurück, daß sie das ihnen aufgetragene Geschäfte getreulich ausgerichtet hatten.

Demzufolge erschien auch bald darauf der Bürger Johann Müller und übergab dem Magistrat einen kleinen Beutel mit 199 1/2 Louis d´or 1) mit dem Anerbieten, solches der Stadt als ein zinstragendes Capital zu lassen.

Ohne auf dieses Anerbieten für jetzt einzugehen, nahm man dieses Geld für´s erste an, ertheilte dem Bürger Johann Müller darüber einen Schein und legte dies Geld sogleich in Gegenwart des Herrn Bürgermeisters Wachenhusen, des Herrn Senatoris Carow und der Stadtsprecher Clasen + Sontag an einem sicheren Orte nieder und beschloß, es dort bis auf den Nothfall oder zur wiederhergestellten Ruhe liegen zu lassen.

Sämmtliche Anwesende gaben sich dabey aber das heilige Versprechen, diesen Vorgang vor Jedermann geheim zu halten, indem sonst leicht zu befürchten sey, daß der jetzige Geldvorrath den französischen Truppen verrathen und die Stadt dann in Contribution gesetzt werden möge.

Da die Durchmärsche einzelner Truppencorps diesen ganzen Tag fortgedauert hat und dabey viele Requisitionen von reitenden Boten und Fuhrwerken vorgefallen sind, so ward mit allgemeiner Zustimmung das sub lit B angelegene Verzeichniß der Fuhrleute zu derjenigen Ordnung, wie dieselben künftig die Fuhren nacheinander mit zwey u zwey Pferden leisten sollen, so wie die sub lit C angelegene Reihe derjenigen, welche die reitenden Botendienste nacheinander leisten müssen aufgesetzt und solches dem Rathsdiener Fidler mit dem Anfügen übergeben, daß er hienach die Fuhren als reitende Boten nacheinander zu requiriren und davon ohne besondere Verordnung nicht abzuweichen habe.

Auch ward demselben angefügt, daß er stets zwey Fuhrwerke und zwey reitende Boten vorräthig halten müsse, um den Requisitionen sofort genügen zu können.

Der Rathsdiener Fidler berichtete, daß er dem ihm gewordenen Aufträge, wegen einer aus der Stadt zu requirirenden Haferlieferung nicht habe Folge leisten können, indem fast alle Einwohner der Stadt sich aus Furcht vor einer neuen französischen Invasion aus der Stadt entfernt und in den Brüchen versteckt hatten, daher er denn fast Niemand zu Hause getroffen habe.“

 

Mit der Besetzung Mecklenburgs durch französische Truppen begann für die Neukalener eine arge Zeit. In damaliger Zeit herrschte unter der Bevölkerung gewiß kein Überfluß. So wurde manch einem Einwohner das einzige Schweinchen, welches mühselig großgefüttert war und worauf sich die ganze Familie gefreut hatte, zum Weihnachtsfest einen guten Bissen zu haben, ohne weiteres im Stalle abgeschlachtet. Man nahm nicht bloß die Eier vom Nest, man nahm gleich die Henne dazu und drehte ihr auf der Stelle den Hals um. Rauchboden und Speisekammer waren in ein paar Stunden leer. Schnaps und Bier wanderten durch die immer durstigen Kehlen der Soldaten. Anfangs glaubten die Einwohner noch, daß sie den Schaden ersetzt bekommen. Auf Weisung des Magistrats schrieben sie ein viertel Jahr später die geplünderten Sachen auf. Eine erhoffte Entschädigung hat es aber nie gegeben. Es folgen der Originalität halber einige Aufstellungen:

 

„Waß mir die Fransosen haben Schaden gemacht bey ihrer Ankunfft am 2. Nov. 1806

  1. Erstlich wegenommen 31 Rthlr.                                            31 Rthlr.           -

  2. mein Dienstmechgen einen weisen muslin tug                        1 Rthlr.           -

  3. Ein telöffer Silbern                                                                                         16 Sch.

  4. Vor 4 Rthlr. weißbrodt                                                             4 Rthlr.

  5. Vier Kleinbrodt Stück 8 Sch.                                                                         32 Sch.

  6. in die 30sigen Botelliren wo 6 Podt Bier Eingehen

a St 3 ½ Schilling                                                                    2 Rthlr.         12 Sch.

  7. Ein Pottelli Brantewein Buldel kostet mir                                                      24 Sch.

  8. Noch zwei andere Botellin

      kostet mir Stück 12 Schilling                                                                         24 Sch.

  9. Daß Bier in die Bulden                                                            4 Rthlr.

10. 5 Kanne Branttewein                                                               2 Rthlr.           4 Sch.

11. 2 Pottellin Wein                                                                                             24 Sch.

12. 3 Viert Korn                                                                                                   36 Sch.

13. Hey                                                                                                                24 Sch.

14. Abentbrodt                                                                                                    16 Sch.

15. Koffe mit viel Zucker                                                                                    24 Sch.

16. Frühstück mit auff die reise ein Fundt Butter

     und Fleiß und Brodt und Branttwein                                                              24 Sch.

Johan Burmeister

                   Beckermeister

Noch habe ich ein Hemdt bezahl müsen vor 1 ½ Rthlr.“

 

 

„Schaden Rechnung von die ersten Franschzoßen in lag

haben sie mir genommen                                                                3 Rthlr.         24 Sch.

24 Köm bodeln a st 3 Schilling                                                       1 Rthlr.         24 Sch.

6 bodeln wo 6 pott in gehen a st 4 Schilling                                                        24 Sch.

Das Bir was in die potellien gewäst kost                                       3 Rthlr.         24 Sch.

2 große Bodeln mitt Brante wein

wo 4 pott in gehen macht                                                                2 Rthlr.         40 Sch.

4 Potellien Wein a st 14 Schilling                                                   1 Rthlr.           8 Sch.

Vor Hey                                                                                                               32 Sch.

6 Scheffel Habern                                                                           4 Rthlr.

habe die nacht 2 Offezier 3 gemein und 9 Pferde

Was die Offezir Verzehret haben macht                                        2 Rthlr.         16 Sch.

Die ge Mein haben Verzehret                                                        2 Rthlr.         36 Sch.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------

                                                                                        Sum     22 Rthlr.         36 Sch.

Nien Kalden

den 11ten Appril 1807                                                    Johan Glaevecke“

 

 

Jacob Meyer schrieb:

„Als die französchen Trouppen ihren Durchmarsch gehalten haben sie mir eine Pfeiffe welche 7 Reichsthaler kostet entwandt

An baarem Gelde 10 Reichsthlr. N 2/3.

Ein ganzes Fenster eingeschlagen welches 24 Schlg kostet. Summa 17 Rthlr. 24 Schlg.“

 

„An baarem Gelde                                                                       36                      -

An Silber und Pretiosen                                                                  7                      -

Eine Zuckerzange u. Teesieb                                                         3                      -

Ein silberbeschlagener Pfeifenkopf                                             10                      -

Korn – Brod u. Hafer 4 Scheffel

Grob und Feinbrodt – Butter – Fleisch                                          5                    16

30 Fl. Lübecker Wein                                                                   10                      -

1 Fl. Arrack                                                                                    1                      -

40 Bouttellen mit Bier, Entenblut

Eingemachte Stachel u. Bickbeeren                                              2                      -

 

Einquartierung:

Die Nacht vom 2. auf 3ten Nov.

3 Offiziers                                                                                      6                      -

1 Unteroffizier                                                                               1                      -

7 Pferde                                                                                         3                      -

                                                                  -------------------------------------------------

                                                                                 i/Sa:              79 Rthlr.

Noch eine Landkarte auf Leinwand u.

eine dto. ohne L. welche von der

Militärbeh. requiriert sind                                                             5 Rthlr.

 

Neukalen, d. 17. März 1806                     Suderow

                                                                        Pastor“

 

 

„Eine goldne Uhr m. Kette:                                                        100 Thlr.             -

½ Dtz. Eßlöffel schwer                                                                16

8 Stck. Teelöffel schwer 8 Loth                                                    5                    16

Ein goldener Ring                                                                          5                      -

An baarem Gelde ungef.                                                              60                      -

                                                                              --------------------------------------

                                                                  in Summa:                186 Thlr.           16 Sch.

Neukalden

d. 18. März 1807                    JEJustus, Ww.“

 

Es sollen hier nicht alle Schadensrechnungen der Einwohner wiedergegeben werden, nur noch einige Bemerkungen dazu: Entwendet wurden besonders silberne Löffel, Kleidungsstücke, Franzbrandwein, Bier, Geld, auch ein „balwier Meesser“, „2 gute Mouselinene Frauens Tücher“ usw. Fast aus jedem Haushalt wurden 1 bis 2 Scheffel „Mangkohre“ (Kaffeersatz) geklaut. Die Stadt mußte zwei komplette Sielengeschirre zur Verfügung stellen, und dem Kirchenprovisor Dollberg wurde ein Pferd abgenommen, welches er später mit 65 Rthlr. Wert angab.

Von den Franzosen wurden drei Schilderhäuser angefertigt und wohl an den Stadttoren aufgestellt. Bei den Gastwirten Joachim Schmidt, Johann Peter Kasch und Jacob Zarpentin blieben am 3. November 1806 noch ein Offizier und zehn Gemeine sowie am 4. November elf Gemeine im Quartier.

Der größte Teil der Einwohner hatte sich aus den Häusern entfernt und versteckte sich in der Umgebung. Stadtsprecher Sontag und Viertelsmann Rudolph Fischer wurden beauftragt, die Einwohner aufzufordern, zur Vermeidung von Unordnung bei weiteren Einquartierungen in ihren Häusern zu bleiben. Man faßte den Beschluß, daß zur Sicherheit vor französischen und anderen herumstreifenden Maradeurs und Räuberbanden jede Nacht 24 Mann zur Bürgerwache unter Anführung eines Ausschußbürgers in der Stadt umher gehen.

 

Am 4. November 1806 sollten zwei französische Cürassierregimenter von Demmin kommend durch Neukalen nach Malchin ziehen. Alles war wieder in Aufregung. Zum Glück blieb Neukalen verschont, denn diese Regimenter erhielten kurzfristig den Befehl von Warsow aus in Richtung Güstrow zu marschieren (sicherlich über Schorrentin und Lelkendorf).

 

Carl Voß schrieb:

„Es waren damals schwere Zeiten für unser kleines Heimatstädtchen. Nicht allein die andauernden Durchmärsche größerer Truppenverbände; sondern kleine Trupps von 50 - 100 Mann waren diejenigen, welche am meisten zu fürchten waren, da solchen Truppen jede Ordnung und Manneszucht fehlte. Sie drangen in die Häuser ein und nahmen alles Eßbare, was sie fanden. Wo sie nichts fanden, kehrten sie alles von unterst zu oben; schnitten die Betten auf und ließen Daunen und Federn fliegen. Oftmals wurden die Mannsleute obendrein noch halb tot geschlagen und die jungen Frauen und Mädchen vergewaltigt.“

 

In Folge der vielen Requisitionen und Plünderungen der durchziehenden Truppen war das Brotkorn schon knapp geworden, und so wurde dann in einer Rats- und Bürgersitzung vom 12. Nov. 1806 beschlossen:

„1. daß das noch auf dem Mahlamt vorhandene Mehl auf dem Rathause eingeteilet, gleichfalls das noch vorhandene Brot verkauft werden soll und zwar in Gegenwart des Magistrats, eines Ausschußbürgers und Viertelmanns. Solches soll an bedürftige Einwohner verkauft werden; doch soll darauf geachtet werden, daß solche Einwohner der Stadt, von denen man glaubt, daß sie solches nicht bedürfen, kein Brot erhalten.”

 

Die Angst vor Durchmärsche und Einquartierungen führte dazu, daß der Magistrat - genau wie die Nachbarstädte - reitende Beobachter und Boten aussandte, um Informationen über Truppenbewegungen, Truppenstärke, vermutliche Marschrichtung und das Betragen einzuholen. Somit konnte die Bevölkerung sich in den umliegenden Brüchen rechtzeitig in Sicherheit bringen.

War die Stadt wieder von fremden Truppen frei, so benachrichtigten Späher die in den Brüchen verborgenen Einwohner und man zog mit Kind und Rind, wie der landläufige Ausdruck damals lautete, seinen heimischen Penaten wieder zu.

 

Mit Befehl vom 11.11.1806 wurde Mecklenburg im Namen Napoleons in Besitz genommen.

 

Am 15.11.1806 sollte Neukalen 7500 Pfund Brot und eine Quantität Brandwein für die französische Armee nach Malchow liefern. Die umliegenden Dörfer mußten dazu das nötige Korn liefern, wobei sich die Küsserower Bauern anfangs weigerten. Nach Malchow wurden dann 7600 Pfund Brot a 2 1/2 Schilling = 395 Rthlr. 40 Schilling und Kornbrandwein zu 92 Rthlr. gebracht.

 

Als die Franzosen die Reste der preußischen Armee unter Führung Blüchers bei Lübeck aufgerieben hatten, kehrten sie wieder in unsere Gegend zurück. Besonders Dargun wurde arg mitgenommen. Es gab für die Franzosen in Mecklenburg keinen Feind mehr. Sie wandten daher ihre Streitkräfte gegen die Bundesgenossen Preußens, die Schweden. Letztere waren in Pommern aufgetreten, hatten Stralsund mit etwa 10 000 Mann besetzt und behaupteten sich gegen den Marschall Mortier. Die Folge davon war, daß Mecklenburg von neuen französischen Armeekorps überflutet wurde, die für die Fortsetzung des Krieges in Pommern, besonders für die Belagerung Stralsunds, bestimmt waren. Anfang Dezember 1806 durchzog ein Regiment Chasseurs zu Pferde unter Leitung des Kapitän Vallet auf dem Marsch nach Schwedisch - Pommern unser Gebiet, berührte Neukalen aber nicht weiter. Es folgte eine holländische Armee, die von Gnoien kam und in der Gegend um Dargun übernachtete. Neukalen mußte 1000 kg Brot und Fleisch liefern.

 

Am 13.12.1806 war der französische General Laval als Generalgouverneur in das Schweriner Schloß eingezogen. Herzog Friedrich-Franz erhielt am 22.12.1806 den Befehl, das Land sofort zu verlassen.

 

Am 15.12.1806 mußten Fuhren nach Demmin und Anklam geleistet werden. Es fuhren Stadtsprecher Clasen und Ackersmann Heinrich Sonntag. Um die Wagen wieder mitnehmen zu können, mußten sie diese bei den Franzosen mit 45 Rthlr. 16 Schilling loskaufen.

 

Die Kontinentalsperre gegenüber England führte dazu, daß auf Grund eines Befehls vom 18.12.1806 sämtliche Einwohner, welche Waren oder andere Gegenstände, die einem englischen Untertan gehörten oder auch englische oder aus englischen Colonien gekommene Kaufmannswaren besaßem, eine Aufstellung dazu anfertigen mußten. Kaufmann Otto Friedrich Schumacher hatte zahlreiche Schüsseln, Terrinen, Butterdosen, Zuckerdosen, Pfeffer, Fischbretter u.a. im Wert von 42 Rthlr. 10 Schilling in seinem Besitz. Was damit geschah, ist nicht überliefert.

 

An Stelle der abgenommenen mecklenburgischen Wappen und Namen an öffentlichen Gebäuden mußten nun französische Adler aufgestellt werden. Bürgermeister Wachenhusen und die Ratsmänner Carow und Dollberg mußten am 27.12.1806 diese gedruckte Eidesformel unterschreiben:

„Ich schwöre: das von Sr. Majestät dem Kaiser der Franzosen, König von Italien mir anvertrauete öffentliche Amt gesetzmäßig zu verwalten, mich desselben nicht anders als zur Behauptung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu bedienen, so viel in meinen Kräften steht zur Vollstreckung der zum Dienst der französischen Armee verordnet werdenden Maaßregeln mitzuwirken, und keinerlei Correspondenz mit Ihren Feinden zu unterhalten.”

Am 15.7.1807 wurde die obige Eidesformel wegen Veränderung des Bürgereides wieder aufgehoben und sollte die Formel des ehemaligen Eides wieder maßgebend sein.

 

Immer wieder mußten Fuhren nach Demmin, Greifswald, Gnoien und Dargun für die Franzosen geleistet werden. Oftmals bekam man die Fuhrwerke nur durch einen Geldbetrag wieder frei; so mußte Stadtsprecher Clasen am 12.1.1807 zum Beispiel in Demmin 21 Rthlr. lassen.

Am 16.2.1807 mußte Brandwein nach Greifswald geliefert werden. Die Böttcher in Neukalen fertigten Tonnen zum Transport von Schuhen an, die am 1.3.1807 in Schwerin abgeliefert wurden. Der Riemer Borchert bekam am 2.3.1807 Sielen- und Sattelgeschirr zur Ausbesserung.

Vom 20.2. bis zum 11.3.1807 gab es erneut Durchmärsche von kaiserlichen französischen Truppen aber keine größeren Einquartierungen. Nur vereinzelt mußten Offiziere und Gemeine mit ihren Pferden untergebracht werden. Die Übernachtung erfolgte in erster Linie bei den Gastwirten, so z. B. bei Engel, Johann Peter Kasch, Johann Glaevcke, Joachim Schmidt, Johann Mahns Witwe, Johann Radöhl, Christian Krüger, Johann Burmeister, Jacob Zarpentin und Senator Dollberg.

 

Die Franzosen verfielen alsbald darauf, daß Dargun ein sicherer und passender Ort für ihre Verwundeten von Stralsund sein müsse. Sie richteten ab 30.1.1807 in dem geräumigen Schloß ein Militärhospital für ihre Armee in Pommern auf Kosten des Landes Mecklenburg ein. Der Landdrost von Holstein und alle, die dort wohnten, mußten das Schloß räumen. Sämtliche Räume im Gebäude wurden in Krankenstuben verwandelt und lagen alsbald voller Verwundeter, deren Zahl sich im Sommer bis auf 1500 Mann belief. Die Kirche wurde als Magazin genutzt.

Auf Grund eines Regiminalrescripts vom 14.3.1807 sollten die umliegenden Orte das eingerichtete Lazarett in Dargun unterstützen. Neukalen lieferte an jedem Montag drei und an jedem Donnerstag 4 Wagen mit Brennholz sowie an jedem Freitag Abend Aufwartungs - Wagen und stellte zwei reitende Boten. Außerdem lieferte Neukalen Heu und Stroh.

 

Die durchreisenden französischen Offiziere verlangten eine ordentliche Unterbringung und Beköstigung. So wurde denn am 22.3.1807 vom Magistrat beschlossen, daß folgende Bürger, die eingerichtete Zimmer besaßen, verpflichtet wurden, in der angeführten Reihenfolge und dann wieder von vorn beginnend diese Zimmer den Offizieren zur Verfügung zu stellen:

  1. Pastor Suderow                                              22. März

  2. Amtmann Döhn                                              23. März

  3. Dr. Carow                                                       24. März

  4. Apotheker Giffenig                                        25. März

  5. Kaufmann Engel                                             26. März

  6. Bürgermeister Wachenhusen                          27. März

  7. Kirchenprovisor Dollberg                               28. März

  8. Oberförster Grohmann                                    29. März

  9. Senator Dollberg                                             30. März

10. Senator Schuhmacher                                     31. März

11. Madame Justus                                                 1. April

 

Die Franzosen belagerten noch immer Stralsund. Am 2.4.1807 kam die Nachricht von einem durch die Schweden erfochtenen Sieg nach Dargun. Der dort kommandierende französische Oberst Lavilette ließ daher seine Leute unter die Gewehre treten, alle Reconvalescenten wurden bewaffnet und erhielten Munition. Die ganze Nacht hindurch waren die Franzosen auf den Beinen; allein die Schweden kamen nicht. Am folgenden Morgen blieb ebenfalls alles ruhig. Die Franzosen bezogen Posten beim gelben Tor und trafen alle Anstalten, das Schloß hartnäckig zu verteidigen. In dieser Stellung verharrten sie einige Stunden. Dann plötzlich brachen sie auf und flüchteten im Eilmarsch nach Neukalen. Um 10 Uhr kam ein schwedischer Husar in gestrecktem Galopp über den Klosterdamm dem Darguner Schloß zugesprengt. In der einen Hand hielt er den Säbel, in der anderen eine Pistole. Vor der Amtsstube hielt er an, die dort versammelten 7 französischen Feldärzte traten heraus und ergaben sich ihm. Ungefähr eine halbe Stunde später rückte eine Schwadron Mörnerscher Husaren unter dem Befehle des Rittmeisters von Geyer ein. Es stellte sich jetzt heraus, daß der zuerst angekommene Husar heimlich von der Haupttruppe in Levin abgesprengt war. Weil diese seine verwegene Handlungsweise gegen alle Subordination war, erhielt er sofort auf dem Schloßplatz auf Befehl des Rittmeisters von einem Unteroffizier eine Anzahl Hiebe mit der flachen Klinge. Nachmittags gelangte ein Bataillon schwedischer Fußjäger in Dargun an. Die Husaren verfolgten die Franzosen sofort und machten sie zwischen Neukalen und Malchin zu Kriegsgefangenen. In Dargun machten sie außerdem große Beute. Es waren Tags zuvor von Hamburg 300 Tonnen Reis angekommen, die für das französische Belagerungskorps bestimmt, nach Demmin transportiert werden sollten. Zu dem Transporte waren die Dörgeliner, Uposter und Satower Bauern requiriert, die eben ihre Wagen damit beluden, als die Schweden einrückten. Einige benutzten diesen glücklichen Moment und fuhren statt nach Demmin mit der vollen Ladung nach Hause, andere aber von panischen Schreck ergriffen stießen die Fracht ab und kehrten mit dem leeren Wagen heim.

Fuhrleute aus Teterow hatten etliche Tonnen mit Reis in verschiedenen Häusern Neukalens abgeladen. Bürgermeister Wachenhusen versprach den Fuhrleuten, daß sie die Reistonnen, wenn sich alles beruhigt hätte, wieder abholen könnten. Er schrieb am 4. April: „Es war aber noch an demselben nachmittags von dem commandirenden Wachtmeister eines kleinen Detachements von 4 Schwedischen Husaren, welche zwischen hier und Malchin noch mehrere Reiswagen weggenommen und nun mit einem Transport von einigen hundert Gefangenen durch diese Stadt nach Demmin zurückkehrten, dem Magistrate die Aufbewahrung dieser Tonnen, von denen man bisher durch eine deshalb angestellte Umfrage in den Häusern nur 6 hatte auffinden können, noch besonders anempfohlen und hatte derselbe ihm über diese 6 Tonnen Reis eine Quitung geben müssen.

Hiernach mußten also Eingangs Genannte es sich besonders angelegen seyn lassen, diese 6 Reistonnen sogleich heute Morgen, indem es gestern wegen der erst mit spätem Abend geendigten kriegerischen Unruhen nicht mehr hatte geschehen können, in Verwahrung zu nehmen. Man hatte daher den Stadtsprecher Clasen und dem Cämmereybürger Stüdemann welche deshalb bereits gestern bey Ausstellung der Quitung in der Stadt hatten nachsuchen müssen, heute früh vorfordern lassen, und da man von ihnen erfuhr, daß außer bey dem Herrn Sen. Dolberg, woselbst eine Tonne abgeladen sey, sich noch bey dem Riemer Schmidt 2 Tonnen, bey dem Schuster Fischer eine Tonne, bey dem Akkersmann Rudolph Fischer eine Tonne und bey dem Bäkker Burmeister jun. eine Tonne befinde, so war diesen sofort anbefohlen, die bey ihnen zurückgelassenen Reistonnen sofort auf das Rathhaus zu bringen. Alle hatten sich diesem Befehle ebenso wie der Herr Senator Dolberg, welcher seine Reistonne zuerst freywillig auf das Rathhaus brachte, willig gefügt, nur bloß der Bäkker Burmeister jun. hatte die Herausgabe hartnäkkig verweigert, so daß man die bey ihm befindliche Tonne mittelst gewaltsamer Eröffnung der Thür des Behältnisses, in welchem selbige aufbewahrt war, hatte herholen müssen.

Bey dieser executivischen Procedur erfuhr Magistratus, daß sich der Vater des Bäkkers Burmeister, der Bäkker Burmeister sen. über Unrecht, welches seinem Sohne zugefügt sein solle, beschweret, indem er behauptet habe, daß sich mehrere hiesige Einwohner die bey ihnen nieder gelegten Reistonnen getheilt hätten, welches daher seinem Sohne eben sowohl als anderen zustehe.

Sobald man dieses vernommen hatte, wurde genannter Bäkker Burmeister sen. sofort zu Rathhause gefordert und derselbe nachdem man ihm seine bey dieser Gelegenheit bewiesene Ungebühr ernstlich verwiesen hatte, aufgefordert, dasjenige was ihm in Rücksicht seiner Aussage wegen einiger getheilt sein sollenden Reistonnen bekannt sey, nicht nur auszusagen, sondern auch getreülich anzuzeigen, wenn ihm etwa sonst noch einige hier in der Stadt zurückgelassene Reistonnen bekannt wären. Derselbe sagte darauf aus: es sey ihm in dieser Rücksicht nichts weiter bekannt, als daß gestern abend

1. auf dem Hofe des Akkersmanns Rudolph Fischer und

2. in der Scheüre des Schusters Daniel Lübcke eine Tonne getheilt sey, welches beides er indessen jederzeit beschwören wolle. Weiter sey ihm nichts bekannt, auch wisse er nicht, daß sonst noch irgendwo eine Reistonne in der Stadt verborgen sey.

Auf diese Anzeige wurden der Akkersmann Rudolph Fischer und der Schuster Lübcke vorgeladen und sagten, nachdem sie zur Aussage der reinen Wahrheit ernstlich ermahnet waren, folgendes aus

1. Der Akkersmann Rudolph Fischer.

Er sey gestern abend in Geschäften ausgewesen und als er zu Hause gekommen, habe er den hiesigen Grobschmidt und Stadtsprecher Clasen, den Grobschmidt Stüdemann, den Schuster Daniel Lübcke, den Tuchmacher Johann Lübcke und die in seiner Nachbarschaft wohnende Wittwe Engelmann bey einer Reistonne beschäftigt gesehn. Diese Tonne sey gleich nach Mittag von einem Teterowschen Fuhrmann der sich vor den Königl. Schwedischen Truppen bey ihm geflüchtet, abgeladen und schon damals entzwey, jetzt aber gänzlich auseinander gefallen gewesen, so daß der Reis, der ohnehin nicht zur Hälfte mehr in der Tonne gewesen, auf den Mist gelegen habe.

Bey so bewandten Umständen habe er der Stadtsprecher Clasen, der Grobschmidt Stüdemann, der Schuster Lübcke, der Tuchmacher Lübcke und die Wittwe Engelmann sich dasjenige, was sie von dem Reis noch retten können getheilt, und das übrige auf dem Mist liegen lassen, wo er noch zu finden sey, wenn man sich durch den Augenschein davon überzeugen wollte. Da dieser Reis ohnehin verloren gewesen sey, so glaube er nicht, daß sie durch diese Theilung etwas auf unrechtmäßige Art acquirirt hätten. Doch sey er, wenn Magistratus dieser Meinung wäre, gerne bereit, dasjenige, was er davon erhalten, zurückzugeben.

2. Der Schuster Lübcke bestätigte die Aussage des Akkersmanns Rudolph Fischer soweit sie ihn betraf und sagte in Rücksicht der nach der Aussage des Bäkkers Burmeister in seiner Scheure getheilt seyn sollenden Reistonne folgendes aus:

Bekanntlich wären am gestrigen Nachmittage, da eine Menge Kaiserl. französischer Soldaten vor einigen sie verfolgenden Königl. Schwedischen Husaren hier durch geflüchtet wären, auch mehrere Reiswagen hier durchgekommen, auf welche sich dann die zum Theil schon sehr ermatteten Flüchtlinge gesetzt hätten, um desto schneller fortzukommen. Da auf diese Weise aber die Wagen zu sehr beladen gewesen wären, so hätten die sich daraufgesetzten französischen Soldaten, um den Fuhrleuten ihre Last erleichtern und schneller fahren zu können, mehrere Reistonnen, teils auf dem hiesigen Stadt- theils auf dem Salemer Bauernfelde abgeworfen und der ihnen nachlaufenden Volksmenge Preis gegeben, welche denn sehr natürlich darüber hergefallen wären und in Beuteln, Säkken und Schürzen jeder etwas davon getragen hätten. Sein Sohn und einige andere hätten gleichfalls eine abgeworfene und im Stich gelassene Tonne gefunden und obgleich dieselbe eben so wie die anderen in großer Gefahr gewesen wären, ein Raub der Menge zu werden, so hätten doch der Gastwirth Kasch, die Ehefrau des Tagelöhners Papcke und der Schneidergeselle Thurow dieselbe solange zu bewachen gewußt, bis sein Sohn Pferde und Wagen, welche nicht weit davon mit Steinfahren beschäftiget gewesen, herbey geholt habe, welche Bewachung ihnen wahrscheinlich nur aus dem Grunde gelungen sey, weil die übrigen der Menge während der Zeit auch etwas anderes zu theilen gehabt hätten. Kaum aber sey diese Tonne, Anfangs in der Absicht, um selbige, wie er seinem Sohne ausdrücklich anbefohlen habe, auf das Rathhaus zu fahren, aufgeladen gewesen, als eine Menge von wenigstens 50 Personen unter beständigen Versuchen, die Tonne noch auf dem Wagen entzwey zu machen, den Wagen begleitet habe, so daß sein Sohn nur mit Mühe die Scheure erreicht habe. Hier habe er sich vor der Menge retten wollen, allein die Tonne sey kaum vom Wagen gewesen, so sey die ganze Volksmenge wieder darüber hergefallen, so daß sein Sohn, der Schneidergeselle Thurow und die Ehefrau des Tagelöhners Papcke nur in der Eile jeder einen kleinen Theil selbst davon zu sich genommen und das übrige dem andrengenden Pöbel Preis gegeben hätten, der dann auch den Rest nicht bloß getheilet sondern auch dem Schneidergesellen Thurow und der Ehefrau des Tagelöhners Papcke ihren Antheil noch überdies weggerissen habe. Sein Sohn habe sich mit dem kleinen Antheil, welchen er erhalten, mühsam hinten aus der Scheure gerettet und so etwa 2 Faß zu Hause gebracht, welche er sich wiederum mit seinen Freunden getheilt habe. Dies sey der ganze Verlauf der Sache. Er überlasse es der Entscheidung des Magistrats, ob er Unrecht gethan habe, sich von demjenigen was ohnehin ein Raub der Menge gewesen sein würde, auch einen kleinen Antheil zu nehmen, um wenigstens seine Mühe bezahlt zu haben. Ob übrigens dasjenige, was von anderen weggeworfen und offenbar im Stiche gelassen sey, nicht dem Finder gehöre, besonders da es sonst eine Beute der siegreichen Truppen geworden sein würde, wolle er gar nicht untersuchen.

Nach geschehener Verlesung und Genehmigung wurde der Stadtsprecher Clasen, der Grobschmidt Stüdemann, der Tuchmacher Lübcke und die Wittwe Engelmann vorgefordert und da dieselben die obige Aussage des Akkersmanns Rudolph Fischer gleichfalls als wahr bestätigten, so ward denselben aufgegeben, ihren von der angeblich entzwey gegangenen Reistonne erhaltenen Antheil jeder in einen besonderen Beutel auf das Rathaus zu bringen.

Dieser Befehl ward sogleich vollführt und jeder Beutel darauf mit dem Stadtsiegel versiegelt um bis auf weiteres in diesem Zustande verwahrlich niedergelegt zu bleiben.

Was die in der Scheure des Schusters Lübcke getheilte Reistonne betrifft, so beliebt dieser Punct einstweilen um so mehr auf sich beruhen, da die Aussage des Schusters Lübcke aus mehreren notorischen Umständen Glauben verdient und überdies der getheilte Reis von allen denjenigen, welche sich dessen als einer herrenlose Sache bemächtiget, unmöglich wieder zu erhalten steht.

Quibus conclusum                                           Actum uti supra

in fidem

Wachenhusen             Carow             Dolberg“

 

 

„Nienkalden den 6ten April 1807.

Ein gestern abend hier eingerücktes Corps von 50 Königl. Schwedischen Husaren und 20 Jägern unter Anführung des Herrn Rittmeisters Horn und zweyer anderen Officiere hat von den hier auf dem Rathhause befindlich gewesenen 6 Tonnen Reis so am 4. d. M. von einigen Teterowschen Fuhrleuten zurückgelassen und darauf von den Königl. Schwedischen Truppen als Beute in Besitz genommen und als solche dem Magistrate gegen Quitung in Verwahrung gegeben worden 5 Tonnen nebst einer Anzahl französischer Gewehre, welche von den fliehenden Truppen hier zurückgelassen worden, weggenommen und nach Dargun fahren lassen, über die 5 Tonnen Reis aber die sub Lit A anliegende Originalquitung ausgestellt, die 6te Tonne Reis ist, da sie beim Aufladen entzwey gegangen und gleichfalls halb leer gefunden war, von genannten Herrn Rittmeister Horn der Stadt mit der Anweisung, selbige den Armen zu geben, geschenckt worden.

Um der lästigen Vertheilung dieses Geschencks und den dabey unfehlbar entstehenden Unannehmlichkeiten überhoben zu seyn, hat der Magistrat beschlossen, diese halbe Reistonne meistbietend zu verkaufen, das aufkommende Geld aber an die hiesige Armenanstalt und zwar mit der Bestimmung abzugeben, daß dasselbe nicht in die Casse fließen, sondern sofort an die Hülfsbedürftigsten als eine außerordentliche Beyhülfe nach der eigenen Bestimmung des Armen - Directorii vertheilt werden soll.

Zu dem Transport der weggenommenen 5 Reistonnen, sowie der Gewehre haben von der Stadt 3 Wagen gegeben werden müssen.

Die von dem Stadtsprecher Clasen, Grobschmidt Stüdemann, Schuster Daniel Lübcke, Tuchmacher Johann Lübcke und der Wittwe Engelmann nach der Beschlußnahme vom 4ten d. M. auf das Rathhaus gebrachten und darauf mit dem Stadtsiegel versiegelten 6 Reisbeuteln sind diesen Leuten von den Herrn Rittmeister Horn zurückgegeben und also geschenkt worden.

In fidem registraturae

                                                                   J. A. Wachenhusen“

 

 

Das Original der Quittung lautet:

„In der Stadt Neukalden hab ich fünf Tonnen Reis genomen welche die Franzosen gehörte. Neukalden den 6. Aprill 1807.

H. R. Horn

Rittmeister bey das Konigl.

Swedischen Husar Regement“

 

 

Die 142 Pfund Reis, welche der schwedische Rittmeister Horn zurück ließ, wurden meistbietend verkauft und die eingenommenen 16 Reichstaler 16 Schilling dem Armendirektorium zur außerordentlichen Verwendung an wirklich Arme gegeben.

 

Die Schweden waren etwa vom 3. bis 16.4.1807 in unserer Gegend, dann rückten wieder die Franzosen ein.

 

 Am 12.5.1807 weilte das 2. holländische Husarenregiment in den Mauern unserer Stadt. Apotheker Giffenig mußte Tropfen, Pillen, Pflaster, Chinapulver, Campfer, Teufelsdreck, Opium, Mixtur, Kalkwasser, Bleiwasser, Salbe, Elixier, Liniment, Rotwein und andere Medizin auf Verordnung des Herrn Chir. Major v. Thienen zur Verfügung stellen.

 

Äußerst zahlreich waren auch die Desertationen. Als am 15.5.1807 sogar 150 Männer des in Neukalen einquartierten holländischen Husarenregiments flüchteten, machte der Divisionsgeneral Grandjean zu Demmin den Neukalener Magistrat dafür verantwortlich und drohte schwere Strafen an. Der Magistrat wehrte sich gegen die Anschuldigungen und schrieb u. a.:

„Uebrigens bemerken wir hiebey daß wir grade das Unglück haben in einem Orte zu wohnen, der für die Desertion der Truppen nicht besser geeignet seyn kann, indem es eines Theils die letzte Stadt an der preußischen Grenze, andern Theils aber auch mit keiner anderen, als einer von Häusern gebildeten Ringmauer umgeben ist u mithin nun so viele Thore hat, als Häuser in dieser Ringmauer liegen. Das beste Mittel, die jetzt so häufigen Desertionen seltener zu machen würde also seyn, wenn die Holländischen Truppen ihre Einquartirung nicht hier nehmen, sondern von Teterow in einem Tage die kurze Tour nach Demmin machen.“

 

Bürgermeister und Rat erließen darauf folgende Anordnung.:

„Jeder hiesige Einwohner der gemeine Militairpersonen, Sergeanten und Corporale im Quartier hat, hat folgende Vorschriften bey harter Strafe zu befolgen:

1. sind Abends nach dem Zapfenstreiche, wenn der Soldat in seinem Quartiere ist, die Ausgänge des Hauses hinten und vorne zu verschließen und hat der Hausherr sich des Schlüssels zu versichern.

2. Wenn der Soldat sich Abends nach 9 Uhr aus seinem Quartiere unter irgend einem Vorwande entfernt, so hat der Wirth sofort dem Commandanten oder dem wachhabenden Officiere davon die Anzeige zu machen.

3. Jeder Einwohner, er sey, wer er wolle, habe Einquartierung oder nicht, hat sofort dem Commandanten Anzeige davon zu machen, wenn er sieht oder merkt, daß ein Soldat desertiren will.

Nienkalden den 16. May 1807“

 

Zur Verhütung weiterer Desertationen wurde vom Magistrat beschlossen, die Stadttore abends um 8 Uhr zu schließen. Auch solle allen in der Stadt verbleibenden Soldaten während der Nacht die Waffen abgenommen werden.

 

Mit einer Anordnung vom 19.5.1807 wurden die Königschußfeiern in den Städten untersagt.

 

Am 12.6.1807 rückten fast 400 Mann der Königlich Holländischen Artillerie in Neukalen ein und nahmen hier Quartier. Die Geschütze mit „sonstige zum Artillerie - Train gehörende Bedürfnisse“ wurden auf der Bleicherwiese aufgestellt. Der Tagelöhner Benck mußte das Gartenhaus im Predigergarten zum Gebrauch der holländischen Artillerie ausräumen. Das Holz wurde dann aber zwei Tage später durch die Tagelöhner Wendland und Westphal wieder eingeräumt. Der „Commandeur der Königl. Orde von Holland, Commandten Chef der Holländische Artillerie in Deutschland, G. A. Martuschewitz“ forderte 300 Scheffel Hafer, 6 Fuder Heu (das Fuder zu 2000 Pfund gerechnet) und 6 Fuder Stroh. Die Beschaffung durch das Domanialamt Dargun bereitete große Schwierigkeiten. Und es wurde noch schlimmer. Vier Tage später rückte das 3. Königlich Holländische Husarenregiment unter Führung des Obristen von Goes in Neukalen ein und verlangte ebenfalls Quartier. Da vom Domanialamt in Dargun nicht genügend Futter zu erwarten war, forderte der Magistrat in den umliegenden Rittergüttern Fourage an, wurde aber auf eine Beschwerde des von Oertzen auf Hoppenrade, als Deputirten des ritterschaftlichen Amts Güstrow, deshalb gemaßregelt.

Vom 17. bis zum 27. Juni 1807 lieferten die Dörfer der näheren und weiteren Umgebung insgesamt 182 Scheffel Hafer, 48 Scheffel Kartoffel, 4014 Rationen Heu a 10 Pfund und 4644 Rationen Stroh a 8 Pfund.

War die Versorgung der Pferde schon aufwendig, so war die Versorgung der einquartierten Personen noch schwieriger. Brot mußte zusätzlich von Malchin herbeigeschafft werden. Der Schlachter Heincke schlachtete 36 Kühe und Ochsen. Der Obrist von der Goes lebte nicht schlecht. So lieferte der Schlachter Hannemann ein Kalb für die Tafel des Herrn Obristen, und Wein mußte zusätzlich vom Kaufmann Pfeiffer in Demmin und Kaufmann Timm in Malchin herbeigeschafft werden.

Der „Chirurgien Major“ bei dem 3. Königl. Holländ. Husarenregiment holte sich bei dem Schutzjuden Hirsch Salomon Medizin und Bandagen. Vom Böttcher Meyer wurden Pulvertonnen repariert und sechs neue hergestellt.

Die Tafel des Herrn Obristen von der Goes war immer reichlich gedeckt. Kälber, Gänse, Tauben, und Eier mußten in großer Menge geliefert werden. Am 21.6.1807 weilte der Divisionsgeneral Molitor in Neukalen, wobei es ein großes Essen gab. Dazu mußten die Neukalener Eß- und Teelöffel bereitstellen.

 

Zu den Ernährungssorgen der Einwohner gesellten sich auch noch Geldzahlungen, welche von Schwerin, bzw. Güstrow aus von den französischen Kommandanten eingetrieben wurden. So wurde die Stadt mehrmals mit Exekutionen belegt, weil die Steuern und Abgaben nicht terminmäßig gezahlt werden konnten. Baares Geld war rar, und viele Städte konnten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Für eine außerordentliche Steuer, die laut Edict vom 6.2.1807 im Juni zu zahlen war, erlangte der Magistrat auf seine Bitte hin nur einen Aufschub von vier Wochen. Zu all diesen Sorgen der Stadtväter kam auch noch die Unvernunft einiger prominenter Einwohner, sie von den Einquartierungen zu verschonen. So glaubten Amtmann Döhn, Oberförster Grohmann, Pastor Suderow und Rektor Küffner, daß sie Sonderrechte hätten und meinten, die Mühsale seien nur für die kleinen Leute da, für die misera plebs 2), wie sie sich auszudrücken beliebten. Pastor Suderow versteckte seinen bedeckten Wagen außerhalb der Stadt und holte ihn nur dann und wann zu seinem eigenen Gebrauch hervor. Er beschimpfte und beleidigte öffentlich den Stadtdiener, wenn er Aufträge des Magistrats überbrachte. Amtmann Döhn und der Oberförster Grohmann schrieben sogar ein Gesuch an die Landesregierung, in welchem sie sich über Einquartierungen beschwerten und daß die französischen Offiziere ihren Stuhlwagen 3) ausliehen ohne sie um Erlaubnis zu fragen. Sie hatten kein Glück. In einem unmißverständlichen Antwortschreiben der Landesregierung wurde ihnen der Standpunkt klargemacht, daß auch sie die Not und Sorgen des Krieges zu tragen hätten.

 

Vor den Toren der Stadt waren Schilderhäuser aufgestellt worden. Zu diesem Zweck hatte der Kommandant von dem auf dem Amtshof lagernden Bauholz 300 Bretter anfordern lassen. Nun hatte der weise Oberförster es sich ausgerechnet, daß unmöglich besagte Anzahl Bretter für die Schilderhäuser verbraucht sein könnten. Er richtete deshalb ein Schreiben an den Platzkommandanten und bat um Rückgabe der restlichen Bretter. Da dieses Schreiben ohne Antwort blieb, richtete Grohmann ein zweites Schreiben an den betr. Kommandanten, welches gleichfalls in den Papierkorb flatterte. Man bedenke: Kriegszeit! Und ein kleinlicher Oberförster fordert ein paar Ellen Bretter vom Feind zurück, mit der Bemerkung, dieselben wieder an Ort und Stelle bringen zu lassen!

 

Am 1.7.1807 mußte der Fischer Busch eine Ladung Steinkohle aus Kummerow holen. Diese Kohlen wurden für die Schmiede gebraucht, die viel Arbeit mit dem Beschlagen der Pferde und der Reparatur der Geschütze und Wagen hatten. Schlosser Glaevcke mußte seine Werkstatt den Gewehrmachern zur Verfügung stellen.

 

Am 6.7.1807 starb ein Husar und ein Husarenkind. Sie wurden hier in Neukalen begraben.

 

Der Obrist von Goes des 3. holländischen Husarenregiments war bei der Frau Justus untergebracht. Der Stadtkommandant wohnte bei dem Senator Carow.

 

Auf Verordnung des Herrn Chirurg Major Mergel mußte der Apotheker Giffenig Arzneimittel an das 3. holländische Husarenregiment liefern, insgesamt machte die Rechnung 216 Rthlr. 4 Schilling aus.

 

Am 9.7.1807 wurde zwischen Rußland, Frankreich und Preußen der Frieden in Tilsit geschlossen. Der französische Gouverneur Laval übergab das Land Mecklenburg wieder an den Herzog Friedrich Franz.

 

Am 10.7.1807 rückte das 3. holländische Husarenregiment unter der Führung des Obristen von Goes endlich ab. Er verlangte für die Reise 546 Pfund Brot, 100 Zentner Heu und Hafer für die Pferde sowie Stroh für die Wachen. Nachdem sich die Molitorsche Division aus Malchin mit dem 3. holländischen Husarenregiment vereinigt hatte und diese gemeinsam nach Gnoien und dann nach Ribnitz in Schwedisch Pommern hin in Bewegung setzten, gab es am 11. und 12.7.1807 noch Einquartierung von französischer Artillerie und den Durchmarsch von zwei Budetscher Regimenter, welche Frühstück und Mittagessen verlangten. Bei dieser Gelegenheit wurde auch ein bedeckter Wagen der Stadtkämmerey mitgenommen und nicht zurückgebracht.

 

Nach Gnoien mußten am 16.7.1807 auf Anweisung der Verpflegungskommission 4536 Pfund Brot geliefert werden. Am 19.7.1807 durchquerten spanische Truppen unseren Ort. Am 2.8.1807 mußten Fuhren nach Demmin geleistet werden, wobei man die Pferde nur gegen eine Geldzahlung zurückbekam.

 

Als Beispiel dafür, welche Kriegsfuhren für die französische Armee von den Pferdebesitzern zu leisten waren, folgt eine Aufstellung des Ackerbürgers Jaocob Voß:

„16. Febr.   Eine Fuhr nach Greifswald 4 Pferde              6                    -

5. März       Eine Fuhr nach Demmin 4 Pferde                  2                    -

12. März     Eine Fuhr nach Gnoyen

                    und Demmin 2 Pferde                                    2                    -

16. März     Eine Holzfuhre nach Dargun 4 Pferde            1                    -

4. Mai         Eine Fuhre nach Demmin 2 Pferde                1                    -

11. Mai       Eine Fuhre nach Dargun 4 Pferde                  1                    -

12. Mai       Eine Fuhre nach Demmin 2 Pferde                1                    -

20. Mai       dito                                                                  1                    -

5. Juny       Ein dito                                                           1                    -

14. Juny     Estaffette nach Rey und Schorrentin             20

16. Juny     1 Fuhre nach Demmin 2 Pferde                     1                    -

21. Juny     Estaffette nach Malchin                                 16

21. Juny     dito                                                                 16

23. Juny     1 Fuhr nach Teterow 2 Pferde                       24

30. Juny     1 Fuhr nach Demmin 2 Pferde                       1                    -

6. July        1 Fuhr nach Demmin 2 Pferde                       1                    -

8. July        Estaffette nach Malchin                                 16

10. July      1 Fuhre nach Ivenack 2 Pferde                       1                    -

11. July      1 Fuhre nach Gnoyen 2 Pferde                       1                    -

14. July      1 Fuhre nach Teterow 2 Pferde                     24

17. July      1 Fuhre nach Dargun 2 Pferde                      24

18. July      1 Fuhre nach Demmin 2 Pferde                     1                    -

19./20. July  2 Fuhren nach Demmin 2 Pferde                 2                    -

22. July      1 Fuhre nach Demmin 2 Pferde                     1                    -

2. Aug.       1 Fuhre nach Teterow 2 Pferde                     24

3. Aug.       1 Fuhre nach Güstrow 2 Pferde                      2                    -

                                                                  -----------------------------------------------

                                                                  in Summa        30 Thaler  44 Sch.

 

 

1 Fur mit zwei vier Ferde nach Gneuden

       den 26. Januar                                                            2 Thlr.              -

25. Febr. Fur mit zwei Ferde nach Kako                          2                     24

8. März Fur mit zwei Ferde nach Gnäun

       von Gnäun bis Demmin                                             2                     24

17. März Fur mit zwei Ferde nach

       Mulchen Stauch                                                         2                       -

Fur mit zwei Ferde nach Darguhn                                    1                       -

Fur mit zwei Ferde nach Demmin                                    1                       -

20. Aug. Fur mit zwei Ferde nach Tesiehn                       3                     24

                                                                              --------------------------------------

                                                                  Summa          14 Rthlr.           24 Sch.

 

 

Anmerkung:

Für die 3 ersten Furen können auf diese Rechnung 7 Reichsthaler aus der Stadt Caße bezahlt werden. Mit dem Rest muß Voß warten, bis Liquidation zugelegt wird.

                                                                              Petri

                                                                      Bürgermeister

       Obigen Betrag bezahlt erhalten

                               Voß“

 

Zur Verpflegung der französischen Truppen in Pommern wurden am 10.8.1807  95 Ochsen und am 18.8.1807  68 Ochsen durch Neukalen getrieben und hier einen Tag geweidet.

Nach langer Belagerung gelangte die Stadt Stralsund am 20.8.1807 in den Besitz der Franzosen. Napoleon ordnete im September an, daß Mecklenburg bis auf Rostock und Wismar von den französischen Truppen geräumt wird und in den genannten beiden Städten bloß ein Bataillon bleiben soll. Damit entfielen in der nächsten Zeit zwar die Einquartierungen, aber Futter und Verpflegung mußten trotzdem an die französischen Truppen geliefert werden.

 

Fehlende Nahrung, verunreinigtes Trinkwasser und unhygienische Verhältnisse führten dazu, daß ab August 1807 viele Ruhrerkrankungen auftraten. Bis zum Oktober starben in Neukalen 92 Einwohner an dieser Durchfallerkrankung, darunter besonders viele Kinder.

 

Nicht immer wurden die Anordnungen des Rates von der Bürgerschaft gutwillig befolgt. Am 7.9.1807 sollten drei Fuhrleute nach Gnoien Kriegsfuhren machen. Es waren Wilhelm Otto, Friedrich Stüdemann und Jacob Zarpentin. Stüdemann und Otto widersetzten sich, somit mußte Jacob Zarpentin drei Tage fahren. Das Urteil lautete dahin: daß Zarpentin für 3 Fuhren 10 Rthlr. 24 Schilling erhält, während Stüdemann und Otto selbige 10 Rthlr. 24 Schilling als Strafe zu zahlen haben.

Daß die Bevölkerung unter dem drückenden Zwange nicht gut auf das französische Militär zu sprechen war, ist wohl zu verstehen. So mancher französische Soldat ist in den Kriegsjahren ein Opfer der Volkswut geworden. Auch um des Geldes Willen hat mancher sein Leben lassen müssen. Manche Untat ist unaufgeklärt geblieben und was die großen Moore damals verschluckt haben, davon kam selten etwas wieder an das Tageslicht.

 

Der Ältermann der Bäcker, F. Falius, berichtete am 26.9.1807, daß für die holländischen und spanischen Truppen 12576 Pfund Mehl verbraucht wurden. Davon hatte man 14000 Pfund Brot gebacken. Als Backlohn berechnete er auf 100 Pfund Mehl 16 Schilling.

 

Durch Neukalen zogen viele Krankentransporte, und so richtete der Magistrat folgendes Schreiben an die herzogliche Regierung:

 

„Durchl.

So wie seit dem Aprillmonath d. J. die Militairstraße für die Kaiserl. französischen Truppen und deren Aliirte beständig hier durchgegangen ist, ohne daß wir, sehr wenige Fälle ausgenommen, in Rücksicht der bey den beträchtlichen Durchmärschen nöthigen beträchtlichen Fuhrleistungen noch nie die mindeste Sublevation genossen hatten, so haben wir auch jetzt seit mehreren Wochen beträchtliche Durchmärsche und Einquartierungen von reconvalescirenden 4) Kranken, welche in einzelnen Transporten von 50, 100, 200 bis 300 u 400 Mann sogleich von Teterow aus vormittags hier ankommen, den Tag über hier bleiben und am anderen Morgen nach Demmin gefahren werden müssen.

Diese Durchmärsche sind fast noch lästiger, als die beträchtlichen Einquartierungen französischer, Holländischer u Spanischer Truppen mit denen wir bisher gequält worden sind. Zwar kamen diese zuweilen tausendweise an einem Tage und forderten zur Zeit 20 bis 30 Wagen; allein wir konnten bey der Unmöglichkeit, die hiezu erforderlichen Mittel aufzubringen auf das Mitleid u die Hülfe auswärtiger von der Last des Krieges nicht gedrückter Mitbewohner rechnen und dann folgten auf solche Tage des ungeheuersten Drucks wenigstens doch einige Tage der Ruhe.

Ganz anders ist es bey den jetzigen Durchfuhren der Reconvalescenten. Ohne Unterbrechung u Ruhe haben wir sogleich eine beträchtliche bald größere bald kleinere Anzahl derselben einzuquartieren und sogleich eine alle unsere Kräfte übersteigende Anzahl von Fuhrwerken zu stellen, ohne daß diese tägliche Einquartierung, welche sich, sicherem Vernehmen nach, bald auf die Anzahl von mehreren tausend nach und nach durchgehende erstellen wird, auswärts auch nur den Namen der Einquartierung führt und ohne daß uns nur eine einzige Fuhr darauf zu Hülfe gegeben wird. Von selbst begreift es sich, daß eine so schweere Last, wenn wir sie ohne alle Hülfe tragen sollen, unseren ohnehin nahen Ruin, nach und nach vollenden muß, und daß wir besonders täglich 8, 10, 12 bis 20 u 30 Gespanne (am vorgestrigen Tage wurden 47 gefordert) aus eigenen Mitteln ganz unmöglich stellen können; die Verpflegungscommissariate - sonst zur Unterstützung der Städte bestimmt - haben aufgehört, es fehlt uns an Gewalt, unsere Nachbaren zur Hülfe mit Wirksamkeit aufzufordern, unseren Nachbaren an Bereitwilligkeit, uns freywillige Hülfe zu leisten - wir weren also wohl nie mehr in der Lage, auf die Landesväterliche Hülfe Ew Herzogl. Durchlaucht unterthänigst zu provociren als grade zu dieser Zeit.

Der leichteste Weg, dieser Noth für uns ein Ende zu machen würde unstreitig seyn, wenn Ew. Herzogl. Durchlaucht sich bey dem Herrn Gouverneur General Laval zu Schwerin oder dem Herrn Obersten Rivand, Commandanten zu Güstrow, der die Marschrouten gewöhnlich schreibt, gnädigst dahin verwenden wollte, daß die Marschrouten auf längere Tagereisen gerichtet, folglich die durchfahrenden Reconvalescenten von Teterow die 3 Meilen nach Demmin in einem Tage zu fahren angewiesen werden.

Da indessen dieses aus dem Grund vielleicht schweer zu erreichen seyn dürfte, weil, wie die durchfahrenden Truppen versichern, die Anweisung auf so kurze Tagereisen ihnen als Rasttag angerechnet wird; so müssen wir unterthänigst bitten

Ew Herzogl. Durchlaucht wollen gnädigst geruhen; uns zu den nöthigen Sublevationen an Lebensmittel, Fourage und besonders an Fuhren einen eigenen Hülfskreis (wozu wir das Ritterschaftl. Amt Nienkalden submissest in Vorschlag bringen) anzuweisen und diesen zu den nöthigen Sublevationen ausdrücklich zu verpflichten.

Ein solcher Hülfskreis müßte indessen, - wie wir unvorgreiflieh zu gleicher Zeit bemerken - von allen anderen Fuhrenleistungen mit Requisitionen anderer noch bestehender Behörden entbunden werden, indem sonst eine solche Anweisung für uns gänzlich fruchtlos seyn würde. So erhielten wir z. B. am 28. d. M. auf 20 Gespanne, welche die Verpflegungscommission zu Gnoien aus dem Ritterschaftl. Amte Nienkalden zu unserer Sublevation requirirt hatte, nur eins, weil ein großer Theil der in diesem befindlichen Anspannung früher von dem Herrn Amtsverwalter Reichl zu Güstrow in Requisition gesetzt war.

Wir hoffen die Erfüllung dieser unterthänigsten Bitte um so mehr, als es sonst unsere Kräfte übersteigen dürfte, der heute durch die Intelligenzblätter bekannt gemachten höchsten Verordnung vom 21. d. M. zu genügen.

Wir fügen daher nur noch den submissesten Gesuch um schleunigste gnädigste Resolution durch eine auf unsere Kosten abzusendene Estaffette unter Versicherung der tiefsten Ehrfurcht hinzu mit welcher wir beharren

  Ew Herzogl. Durchl.

      unterthänigste

Bmstr u Rath hieselbst

Nienkalden

den 30. Sept. 1807“

 

Immer noch trieb sich viel Gesindel in militärischer Kleidung auf den Landstraßen herum, brandschatzte besonders die Dörfer und einsam gelegene Höfe. So wurde am 12.11.1807 der Befehl erteilt, solche Personen gefangenzunehmen und an das nächstliegende französische Truppendepot auszuliefern.

 

Am 22.3.1808 wurde Mecklenburg-Schwerin in den Rheinbund 5) aufgenommen unter der Bedingung, 1900 Mann Bundestruppen zu stellen. Die Folge davon war, daß in den folgenden Jahren viele Recruten nach Rostock eingezogen wurden. Es wurde unter den unverheirateten ansässigen Männern zwischen 16 und 24 Jahren gelost.

 

Im Frühjahr 1808 traten verstärkt Pockenerkrankungen (Blattern) auf, an denen 23 Neukalener verstarben.

 

Mit dem Eintritt Mecklenburg-Schwerins in den Rheinbund war das Land ab Juni 1808 frei von französischen Soldaten. So trat für einige Zeit etwas Ruhe ein. Für die Jahre 1806 bis 1808 berechnete Neukalen den erlittenen Kriegsschaden auf 15298 Reichstaler 45 Schilling.

 

1) 1 Louis d´or entsprach zu dieser Zeit etwa 5 Taler.

2) Misera plebs: Das armselige Volk.

3) Gemeint ist ein Kutschwagen.

4) sich auf dem Weg der Besserung befindlichen.

5) Der Rheinbund war eine auf Initiative des französischen Kaisers Napoleon Konföderation deutscher Staaten, die aus dem Verband des Heiligen Römischen Reiches austraten.