Der Fritz-Reuter-Platz
Wolfgang Schimmel
Wie jede andere Epoche, so hinterließ auch der Nationalsozialismus seine Spuren in Neukalen.
Wer die Straße von Neukalen in Richtung Malchin befährt, erblickt links am Waldessaum einen eigentümlichen Platz. Ein flüchtiger Blick im Vorbeifahren läßt nur den breiten Eingang mit den beiderseitigen niedrigen Steinmauern und in der Ferne - direkt am Waldrand - ein auffälliges Tor als Eindruck zurück. Dem Fußgänger aber, welcher den Ort genauer in Augenschein nimmt, erschließen sich weitere Einzelheiten. Was hat es nun mit dieser Örtlichkeit auf sich?
Im Frühjahr und Sommer 1937 entstand hier in Gemeinschaftsarbeit, geleitet durch die NSDAP, eine Feierstätte. Nach einem Entwurf des Lehrers Heinrich Kruse (geb. 13.10.1899) sollte ein "Kulturdenkmal" geschaffen werden im Sinne eines "germanischen Thingplatzes".
Dazu gehörte eine aus zahlreichen Feldsteinen gemauerte Aufnahme (1), ein in Nord-Süd-Richtung ausgerichteter Aufgang zur Terrasse (2) und ein gotischer Torbogen (3). An den südlichen Enden der sogenannten Aufnahme befindet sich jeweils ein großer halbkugelartiger, verfugter Feldsteinhaufen, auf welchem bis 1945 zwei große behauene Gedenksteine standen mit der Inschrift: GEDENKSTÄTTE DES 30 HARTUNG 1933; eingemeißelt in einer Art Runenschrift.
Auf der anderen Straßenseite des Aufganges zum Platz war bis vor einiger Zeit noch ein größerer Stein zu sehen. Auf diesem befand sich eine Stange mit dem Hinweisschild "Adolf-Hitler-Platz".
An beiden Seiten waren hölzerne Sitzbänke aufgestellt (4). Die den dreieckig angelegten Platz an zwei Seiten einschließenden Wälle wurden mit Krummholzkiefern, welche nur eine Wuchshöhe von 2 bis 3 Meter erreichen, bepflanzt (5). Heute sind sie bis auf wenige Reste verschwunden und von Laubgehölzen (Eichen, Ahorn, Eschen, Hainbuchen) verdrängt.
Zum leicht erhöhten Plateau in der nördlichen Spitze des Dreiecks führen mehrere Stufen. Hier befindet sich noch heute eine Ansammlung von Feldsteinen. Diese dienten ursprünglich als Fundament für einen denkmalartig aufrecht stehenden großen Stein (6).
Wenn man den Weg in Richtung Tor beschreitet und die ersten Stufen emporsteigt, so findet man östlich sieben zu einem Steinkreis angeordnete Findlinge und einen Gedenkstein, welche früher mit Ketten verbunden waren. In der Mitte war 1937 eine junge Eiche, eine sogenannte "Siegeseiche", eingepflanzt worden (7).
Auf der Spitze des gotischen Torbogens ist eine kleine Vertiefung in Form einer Schale zur Aufnahme von Fett eingearbeitet, um eine "ewige Flamme" brennen zu lassen.
Links und rechts des Torbogens befanden sich einmal schilfgedeckte offene Schutzhäuschen. Sie hatten eine Grundfläche von etwa 3 x 5 Meter, waren aus roh behauenen Baumstämmen hergestellt und hatten innen an den Längsseiten starke Bohlen zum Sitzen (8). Das rechte Häuschen wurde 1957 und das linke 1959 wegen Baufälligkeit abgerissen.
Auf beiden Seiten des Tores befanden sich runde steinerne Tische (9).
Diese Gedenkstätte an den 30.1.1933, dem Tag der Machtergreifung Adolf Hitlers, sollte am Sonntag, dem 1.8.1937, durch den Gau- und Reichsstatthalter eingeweiht werden. Da dieser verhindert war, erfolgte die offizielle Einweihung durch ihn erst einige Wochen später Anfang September. Das Tor war damals geschmückt, oben brannte ein kleines Feuer, Fahnen wehten und zusätzlich waren Bänke und Tische aufgestellt worden. Die verschiedensten Vereine, vor allem natürlich die SA, die Hitlerjugend, der Bund deutscher Mädels, die Jungmädelgruppe und andere waren aufmarschiert. Vom Reichsstatthalter, Bürgermeister Franz Ziegler, Ortsgruppenleiter Friedrich Hühnerjäger sowie den Parteigenossen Robert Schmidt und Werner Schacht wurden heroische Reden gehalten. Mitten auf dem Platz war ein großes Holzfeuer entfacht worden, durch welches die Jugend nach altgermanischer Sitte hindurchspringen mußte. Gemeinsam sang man die alten Volkslieder beim Schein des Feuers.
Außer der großen Einweihungsfeier gab es noch zwei Sonnenwendfeiern, und ein oder zwei sogenannte "deutsche Abende" mit gemeinsamen Gesang, dann brach der II. Weltkrieg aus. An Feierlichkeiten an so einem unrühmlichen Ort war nach Beendigung des Krieges erst recht nicht mehr zu denken.
Weiter in den Wald hinein gab es noch eine 1938 aufgebaute Waldschänke, "Reuterhalle" genannt. Dieser Holzbau ist 1945 abgerissen worden. Der Name wurde auf den Platz übertragen und so heißt er heute: "Fritz - Reuter - Platz".
Nach 1945 diente der Platz oft als Ziel für einen Familienausflug am Sonntagnachmittag. Auf den Feldsteinen lagen Eidechsen in der Sonne und huschten in die Spalten. Es duftete betörend nach Walderdbeeren, und wenn man Glück hatte, fand man auch einige im Gras. In den Holzhäuschen konnte man sich niedersetzen und den mitgebrachten Kuchen essen. Dazu kam die herrliche Aussicht auf die Umgebung.
Heute weiß kaum noch jemand etwas mit diesem Platz anzufangen, aber auch diese Örtlichkeit gehört zur Geschichte Neukalens.
Zeichnung des „Fritz-Reuter-Platzes“ in seiner ursprünglicher Ansicht.
Einmarsch nach der Einweihung Anfang September 1937.
Ansichtskarte von 1937
Ansichtskarte von 1937
Ansichtskarte von 1937
Foto von 1937
Die rechte Schutzhütte (vor 1945)
Um 1955
Ansicht um 1955
Die linke Schutzhütte um 1955
Blick aus der östlichen Schutzhütte zur Ziegelei
Der Fritz-Reuter-Platz 1958.