Chronik des Hauses Lutherstraße 19
Wolfgang Voth
Wohnhaus Lutherstraße 19
Vermutlich befanden sich seit der Stadtgründung 1281 auf diesen Grundstücken (Flur 2, Flurstück 300 und 301) bereits einfache Wohnstätten innerhalb der ringförmigen Bebauung des Ortes. Auf den Grundstücken befanden sich mehrere getrennte Wohngebäude und Viehställe. Auf der Fläche des heutigen Wohngebäudes standen seit dem 16. Jahrhundert zwei Wohngebäude mit darunter liegenden Kellergewölben. Das Gewölbe zur Straßenseite ist noch zugänglich und genutzt, das zum Hof wurde 1993 verfüllt und geschlossen. In den Feldsteinsockeln und Stirnwänden befinden sich Backsteine des Klosterformates, wie sie auch beim Bau des Kirchturms im 15. Jahrhundert verwendet wurden.
Laut einer Aufstellung von 1751 wohnte in dem östlich gelegenen Haus der Töpfer Johann Friedrich Behrens und in dem anderen Haus der Schuster Friedrich Salchow, welcher 1776 starb. Der Sohn des Letzteren, Johann Jacob Salchow erbte das Haus. Er wird wohl das Nachbarhaus dazu gekauft haben, denn 1782 besaß er bereits beide Häuser. Diese Häuser waren noch in Holzfachwerk mit Lehmstakenfüllung und Lehmverputz an Wänden und Decken erbaut worden. Nach dem Brand von 1777 mussten alle Häuser der Stadt mit Dachziegeln gedeckt werden. Der älteste Sohn von Johann Jacob Salchow war der Ackersmann Johann Daniel Salchow, der aber bereits 1809 früh verstarb. So bekam sein Bruder, der Ackersmann Johann Heinrich Tobias Salchow das Haus. Um 1850 baute man die Außenwände und Teile der Innenwände aus Backsteinen aus. Als Heinrich Salchow am 28.3.1859 starb, erbte seine Tochter Auguste Dorothea Sophia Maria Salchow (geb. 16.3.1840, gest. 29.2.1936) das Haus. Sie heiratete am 3.6.1859 den Ackerbürger David Friedrich Joachim Krüger, Sohn des eingebürgerten Branntweinbrenners Friedrich Krüger. Das Haus wurde weiter ausgebaut. 1838 wurde die damalige Töpferstraße gepflas-tert, 1858 erneut gedämmt und 1906 die Bürgersteige mit Klinkern ausgelegt.
Nach dem Tod von Friedrich Krüger am 7.4.1903 übernahm sein jüngster Sohn Gustav Carl Ernst Krüger (geb. 7.5.1876, gest. 3.12.1957) das Anwesen. 1907 wurde der Kuhstall mit dem darüber liegenden Heuboden gebaut. 1910 entstand auf dem Grundstück 301 (früher Ringstraße 12) der Schweinestall und die Mistgrube. Damit verschwand der übliche Misthaufen vom oberen Hof. Angeblich hatte Gustav das verkommene Grundstück im Wirtshaus beim Würfelspiel gewonnen. Mit dem Bau des Kuhstalles wurden im Haus und Stall Gasleitungen zum Betrieb von Gaslaternen installiert. Die letzte Gaslaterne befand sich noch bis in die 1950er Jahre in der großen Küche. Nach 1945 bei den häufigen Stromsperren hatten wir dort immer helles Licht. Ein zweiflammiger Gaskocher wurde in der Küche betrieben. Der blieb bis 1957 in Betrieb.
Ab 1923 wurde das Wohnhaus erneut umgebaut. Der Westgiebel wurde hochgezogen und das Walmdach verschwand. Am Giebel sind die Initialien G K, für Gustav Krüger, als Wandanker zu erkennen. Zur Beschickung des Kornbodens erhielt der Giebel einen Ausleger zur Aufhängung einer Aufzugrolle, die nach Instandsetzung jetzt wieder zu benutzen ist. Die Dachdeckung ist heute noch im Original vorhanden. Auf einer vorhandenen Fotografie aus dem Jahre 1908 ist der alte Zustand gut zu erkennen.
Alle Räume im gesamten Haus erhielten ortsfeste Kachelöfen für Holzfeuerung. Innentüren wurden größtenteils erneuert. Im Torweg wurde noch ein Speisekammeranbau untergebracht. Das Wohnhaus und die Ställe erhielten eine Elektroinstallation für Beleuchtung und Kraftanlagen. Die Pferdeställe wurden zur Schaffung von Bodenraum aufgestockt und der Torweg mit Zimmern überbaut. Auf dem Hof wurden Kleintierställe, der Wasserpumpenraum mit Hochbehälter (noch vorhanden) und Holzboden gebaut. Wasser wurde dem Schachtbrunnen (noch vorhanden) unter der Wirtschaftsküche entnommen und mittels Kolbenpumpe in den Hochbehälter gepumpt. Diese Anlage wurde nach 1945 durch Druckkessel mit Kreiselpumpe ersetzt und war bis zum Bau der zentralen Wasserversorgung in Betrieb. Auch der Kuhstall und die Futterküche wurden mit Wasser versorgt.
Der Backsteinpflasterfußboden in Flur und Küche wurde mit roten und grauen Klinkerplatten belegt, die Haustür und Mitteltür wurden erneuert, ebenso alle Fenster und Fensterläden. Im vorderen Bereich des Hofes wurde eine glatte Betonfläche geschaffen.
1950 wurde vor dem Kuhstall noch ein zusätzlicher Bodenraum geschaffen, darunter entstand ein Unterstand.
1957 starb Gustav Krüger, anschließend wurden die Räume des Hauses für die Hinterbliebenen in mehr oder weniger abgeschlossene Wohnungen unterteilt. Die Speisekammer und die Wirtschaftsküche wurden zu einfachen Bädern umgebaut und auf dem Hof eine Klärgrube angelegt. Das Grundstück ging in einer Erbengemeinschaft auf. Eine Wohnung wurde nach Auszug des Erben fremdvermietet. Gustavs jüngste Tochter Liselotte Krüger, verh. Voth (geb. 31.3.1917, gest. 21.11.2018) kümmerte sich danach um die Erhaltung und Verwaltung des Hauses und der Stallungen, die dann auch noch teilweise selbst und durch Fremde genutzt wurden. Zur Erhaltung der umfangreichen Pappdächer nahm sie 1977 einen Sparkassenkredit von 3000 DDR-Mark auf und ließ 300 m² mit Eternitplatten belegen, einschließlich der nötigen Dachrinnen und Fallrohre. Heute noch genutzt. Den Kredit zahlte sie in Monatsraten von 50 Mark von ihrer schmalen Rente ab. Alles in allem musste das Grundstück unter den Folgen der Mangelwirtschaft der DDR leiden.
1992 wollte ein Teil der Erbengemeinschaft das Grundstück verkaufen, dies hätte bedeutet, das Liselotte Voth ihre Wohnung verloren hätte, in der sie seit der Geburt 1917 gelebt hatte. Ihr Enkel Ingo Voth (wohnhaft in Köln) entschloss sich daraufhin, das Grundstück als Renditeobjekt zu kaufen und damit seiner Großmutter das Wohnrecht zu erhalten. Er kaufte 1993 mit einem Darlehen das Grundstück für 85.000,00 DM der Erbengemeinschaft ab. Seine Großmutter verzichtete auf ihren Anteil und erhielt dafür das kostenlose Nutzungsrecht ihrer Wohnung für 10 Jahre. Mit dem ersparten Anteil wurde die Erdgeschoßwohnung durch Einbau von Zentralheizung, Wannenbad, Elektroinstallation und Isolierglasfenster, sowie den notwendigen Malerarbeiten und Aufarbeitung der Fußböden modernisiert. Die Fassade zur Lutherstraße wurde trockengelegt, gedämmt und mit Klinkern verblendet. Ab 1994 wurde die Wohnung an mehrfach wechselnde Parteien vermietet.
Ab 1995 entstand in Teilen des Obergeschosses eine Ferienwohnung zur Nutzung durch Ingo´s Eltern und weitere Familienangehörige. Im Mai 1996 wurde die Wohnung erstmals eingerichtet, benutzt und Stück für Stück weiter ausgebaut.
Da die übrigen Teile des Grundstückes sich nicht genügend nutzen ließen, entschloss sich Ingo 1997 den Pferdestall und den darüber liegenden Boden zu zwei kleinen Wohnungen auszubauen. Für Bezahlung der Bauleistungen wurden ein Kredit der KfW und ein Bankdarlehen nötig. Sein Vater machte die Planung und die Bauleitung per Fax und Telefon von Hessen aus, seine Tante Brigitte erteilte die Baugenehmigung. Der Bauablauf war nicht immer lustig. Trotzdem konnten im Januar 1998 die Mieter einziehen. Die Erdgeschoß - Wohnung war 15 Jahre bis zum Tod der ersten Mieterin ununterbrochen vermietet. Die Obergeschoßwohnung hatte anfangs wechselnde Mieter, ist jetzt auch 12 Jahre ohne Mieterwechsel belegt. Bisher waren die Wohnungen noch keinen Tag leerstehend. Die Entscheidung, damals zwei kleine Wohnungen mit Eigenheizung zu bauen, hat sich als richtig erwiesen.
2002 wurden in der Ferienwohnung auch die beiden letzten verbliebenen Räume aufgearbeitet, der Heizkessel mit stärkerer Leistung installiert, Omas Wohnung erhielt ebenfalls eine Zentralheizung. Damit war das Haus jetzt komplett beheizt. Die Ferienwohnung wurde so oft es ging genutzt, manchmal auch vermietet, aber nur an bekannte Nutzer. Ab 2004 waren Wolfgang und Margitta bis zu fünfmal im Jahr in der Wohnung und die Kontakte zu den früheren Freunden wurden immer weiter ausgebaut, so dass bei Beiden der Gedanke des Umzuges immer weiter reifte. Nach dem Tod von Margittas Mutter nahm der Gedanke Gestalt an, und so entschlossen sie sich ihre Wohnung in Karben zu verkaufen und nach Neukalen zu ziehen. Das Erdgeschoß wurde nochmals nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen umgebaut. Alle Fenster neu, Innentüren neu, Fußböden neu, Bad und Heizkörper neu und die Ferienwohnung zur Dauerbenutzung umgestaltet. Für den Umbau wurden ca. 48000 € aus Eigenmittel aufgewendet. Mit dem Umzug begann für Wolfgang und Margitta das große Aufräumen und die Neugestaltung des gesamten Grundstückes. Sie brauchten etliche Jahre, um alles auf den heutigen Zustand zu bringen.
Seit 2011 ist das Grundstück 300 für 15 Jahre an Volker und Martin Gamm vermietet und zu eigengestalteten Nutzung überlassen. Der baufällige Schweinestall und die Hofüberdachung wurden abgerissen und durch den Nutzer neu bebaut. Die Garage bleibt im Besitz des Eigentümers. 2015 wurde das Bad im Obergeschoß neu gestaltet und notwendige Reparaturen am Dach ausgeführt, ca. 10000 € stellte der Eigentümer bereit.
Auguste Krüger, geb. Salchow
Links Heinrich Zingelmann in der Uniform des schwarzen Korps der Schützenzunft,
rechts Gustav Krüger in der Uniform des grauen Korps.
Das Haus Töpferstraße 19 (heute Lutherstraße 19), 1908.
Hans Soltmann (links, geb. 5.9.1936) und Wolfgang Voth (rechts, geb. 4.11.1940)
auf dem Geländer des Schulhofes sitzend.
Goldene Hochzeit Ella und Gustav Krüger
(4. April 1954).
1 Karl Hartkopf, 2 Margarete Hartkopf, geb. Hauth, 3 Georg Schukies, 4 Marie Schukies, 5 Erna Wolf, geb. Krüger, 6 …, 7 Franz Bauer, 8 Herbert Seemann, 9 …, 10 Käte Krüger, 11 Margarete Piesch, 12 Hans Schälen, 13 Maria Piesch, 14 Horst Möller, 15 Lisa Hahn, geb. Albrecht, 16 Hannelore Plagens, geb. Jungnickel, 17 Meta Waack, geb. Federow, 18 Walter Waack, 19 Frieda Voth, geb. Paegelow, 20 Hermann Voth, 21 August Jörss, 22 Ella Jörss, geb. Will, 23 Lieselotte Seemann, geb. Kindt, 24 Werner Seemann, 25 Irmgard Voth, geb. Schultz, 26 Jonny Voth, 27 Magda Strempel, verw. Jungnickel, 28 Erna Krüger, geb. Schukies, 29 Gustav Krüger, 30 Liselotte Voth, geb. Krüger, 31 Ulrich Voth, 32 Jürgen Voth, 33 Ina Krüger, 34 Martha Krüger, 35 Fritz Krüger, 36 Ilse Sass, 37 Fritz Sass, 38 Erna Albrecht, geb. Rost, 39 Otto Albrecht, 40 Karl Reuter, 41 Anneliese Pätzold, 42 Betty Seemann, 43 Ina Zierow, geb. Seemann, 44 Ella Krüger, geb. Seemann, 45 Gustav Krüger, 46 Ina Sass, geb. Krüger, 47 Ina Sternberg, geb. Sass, 48 Emma Sass, 49 Margarete Reuter, geb. Tessmann, 50 Hannelore Wutschke, geb. Voth, 51 Ulrich Voth, 52 Wolfgang Voth, 53 Gustav Krüger, 54 Ingrid Russow, geb. Voth.