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Der Guss der Kirchenglocken für die St. Johannes Kirche zu Neukalen am 23.8.2019

Nico Schaeffer

 

Die St. Johanneskirche steht als markanter Mittelpunkt in Neukalen und ihr Glockenklang ist weit hin zu hören. Die Jahrhunderte seit ihrem Bau sind nicht spurlos an ihr vorüber gegangen. Im Turm zeigten sich schon lange Risse. Eine Teilschuld dafür trägt wohl auch der für die "neuen Eisenhartgussglocken" 1929 veränderte alte Kastenstuhl und alte Bockstrebenstuhl. Seit 2014 war der Kirchgemeinde bekannt, dass der Glockenstuhl und die Stahlgussglocken von 1929 erneuert werden müssen.

Gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege, der Bauabteilung der Kirchenkreisverwaltung und dem Architekten R. Schönberg hat die Kirchgemeinde Neukalen die Sanierung des Turms und des Glockenstuhls, konkret die Errichtung eines neuen Kastenstuhls und Rekonstruktion des Bockstrebenstuhls für das neue Geläut geplant.

Der Glockensachverständige Dr. C. Peter hält die große Glocke durch ihren Klang für besonders erhaltenswert, und so wird sie trotz ihres Materials (Eisenhartguss aus der Experimentierphase nach dem 1.Weltkrieg) und Alter (eingebaut 1929) in das neue Geläut wieder aufgenommen. Sie hat den Schlagton cis1, einen Durchmesser von ca. 177 cm und wiegt ca. 2200kg.

Dr. C. Peter schreibt zum geplanten neuen Geläut:

Im Hinblick auf die Platzverhältnisse und die klangliche Faktur der großen Eisenglocke kommen zunächst folgende Glocken infrage:

Glocke Schlagton cis1 (= vorhandene Eisenglocke)

Glocke Schlagton fis1; Glocke Schlagton gis1; Glocke I Schlagton ais1 (alle drei neu zu gießen).

Nachdem viele Spenden gesammelt worden sind, konnten Angebote für den Neuguss der Glocken von Glockengießereien in Deutschland eingeholt werden. Den Zuschlag bekam die Glockengießerei Bachert in Neunkirchen/Baden. Dieser Familienbetrieb hat eine fast 300jährige Tradition im Glockengießen und nutzt für die Herstellung der Bronzeglocken jahrhundertealte, bewährte Arbeitsweisen und Materialien.

 

Die Form für eine Glocke wird ungefähr so hergestellt: Das Glockenprofil wird auf ein Holzbrett gezeichnet, sie dient als Schablone für die Formteile der Glocken. Diese Schablone wird an einer langen Stange als Spindel befestigt. Es wird ein Ring aus Ziegelsteinen gemauert, auf die ein Metallring gelegt wird und die Schablonenspindel in die Mitte gehängt. Auf den Metallring wird der Glockenkern aus einem Lehm-Stroh-Mörtel und Ziegelsteinen gemauert. Der Glockenkern entspricht dem Inneren der Glocke, in dem der Klöppel schwingt.

Die Form des Glockenkerns wird durch die Schablone bestimmt, die beim Mauern immer wieder zur Kontrolle um den Kern gedreht wird. Der Glockenkern wird mit Metalldraht umwickelt, damit er weitere Stabilität erhält. Anschließend werden mehrere, immer feinere, Lehmschichten aufgetragen, bis der Glockenkern genau die Form der Schablone hat. Bis der Glockenkern fertig ist dauert es einige Tage, da die Form gut getrocknet sein muss.

Jetzt wird die so genannte falsche Glocke aus einem Gemisch aus Sand, Lehm und Zement auf den Glockenkern aufgetragen. Und mit Hilfe der Schablone wird daraus eine exakte Kopie der Glocke. Wenn die falsche Glocke entfernt wird, entsteht ein Hohlraum, in den die echte Glocke gegossen wird. Auch diese Form muss wieder trocknen.

Weil Rindertalk eine besonders glatte Oberfläche erzeugt, wird damit die nächste Trennschicht aufgetragen. Jetzt wird auch die Inschrift und mögliche Bilder, sowie die aus Wachs vorher geformte Glockenkrone aufgetragen. Sie schmilzt später in der Form und der entstehende Hohlraum füllt sich mit der flüssigen Bronze.

Zierlehm, bestehend aus Lehm, Pferdedung und Pferdehaaren, und kommt direkt auf die Wachsschicht und bestimmt das äußere Aussehen der Glocke. Pferdehaare sind feiner als Stroh und damit lässt sich eine glattere Oberfläche auf tragen. Aus dem Zierlehm und immer gröberen Lehmschichten entsteht der Glockenmantel. Einige Tage später wird der Mantel wieder abgehoben und die falsche Glocke entfernt.

Im Inneren des Glockenmantels haben sich Abdrücke der Wachsverzierungen hinterlassen, die sich beim Guss mit der Bronze füllen. Der Glockenmantel wird wieder auf die Glockenform gestellt.

In einer Grube werden die Glockenformen zusammen aufgestellt. Die Zwischenräume mit Erde gefüllt und alles gut verdichtet, damit der entstehende Druck die Formen nicht beschädigt. Zu jedem Einguss am oberen Ende der Glocke wird ein Kanal aus Ziegelsteinen gemauert, durch den später die flüssige Bronze zu den Glockenformen fließt.

Bis eine Glockengussform mit großer Sorgfalt und viel Präzision entstanden ist kann es ein viertel Jahr dauern.

 

Die Gussformen für die drei Neukalener Glocken und die Kirchenglocken für die Kirchgemeinde Hagenow waren nach mehreren Wochen gefertigt und vorbereitet. Am 23. August 2019 sollte der Guss erfolgen. Neun Glocken sollten an diesem Tag gegossen werden.

 

Von außen ist die Firma Glockengießerei Bachert GmbH in Neunkirchen eher unscheinbar. Eine einfache Halle, drumherum viel Holz und Metallstücke und andere Baustoffe. Vor der Halle hängt in einem Gestell eine kleine Bronzeglocke, gegossen 1887 von einem Vorgänger Albert Bacherts.

Im Inneren, die Werkstatt mit dem Schmelzofen und davor die Grube mit den Glockenformen. Zu sehen sind nur die gemauerten Kanäle und die Eingusslöcher.

Nach alter Tradition werden die Kirchenglocken immer freitags um 15 Uhr zur Sterbezeit Jesus Christus gegossen, beim Glockenguss der Neukalener Kirchenglocken verzögerte sich der Guss um ca. eine Stunde. Die flüssige Bronze (78% Kupfer und 22% Zinn) hatte noch nicht die richtige Temperatur von 1100 °C. Nachdem zwei kleine Probestücke gegossen waren, und alle anderen Vorbereitungen abgeschlossen waren, erfolgte der Guss um kurz nach 16 Uhr.

Albert Bachert und vier Mitarbeiter waren an ihrem Platz, sie sind ein eingespieltes Team, jeder wusste was er zu tun hatte. Nach dem Herr Albert Bachert alle Anwesenden begrüßte übergab er das Wort an Herrn Pastor Robatzek aus Hagenow. Es wurde folgendes Gebet gesprochen:

 

Pastor: Herr, erhöre mein Gebet.

Gemeinde: Und lass mein Rufen zu dir kommen.

Pastor: Lasset uns beten.

Allmächtiger Gott, Herr des Himmels und der Erde, die ganze Schöpfung verkündet dein Lob.

Sieh auf das Werk unserer Hände und segne dieses flüssige Metall, dass für den Gus der Glocken bestimmt ist.

Leite seine feurigen Ströme und schenke unseren Mühen Erfolg.

Gib, dass die neuen Glocken deinen Namen verherrlichen inmitten deiner Gemeinde.

Das gewähre uns durch Christus, unseren Herrn.

Gemeinde: Amen.

A. Bachert: In Gottes Namen

 

Es erfolgte der Anstich des Schmelzofens. Mit je zwei gekonnten Hammerschlägen auf einen kürzeren und anschließend auf einen längeren gebogenen Meißel war ein Loch im Schmelzofen, durch dieses Loch ergoss sich plätschernd und mit ein wenig Funkenflug die flüssige Bronze in den gemauerten Kanal zur ersten Gussform.

Dies war die Form für die kleine Glocke mit dem Schlagton ais1 für die Johanneskirche in Neukalen. Ihre Inschrift lautet: „Bis hierher hat Gott mich gebracht. — gegossen mit meinen zwei Schwestern anno domini 2019 — St. Johanneskirche Neukalen". Sie hat einen Durchmesser von ca. 90 cm und ein Gewicht von ca. 500kg. Nach ungefähr drei Minuten war die Form vollgelaufen.

 

Es kam ein Kommando von Herrn Bachert und die erste Absperrung wurde gezogen, damit die Bronze weiter zur nächsten Form fließen konnte. Der Abzweig zur ersten Glockenform wurde mit einem Ziegelstein und Sand verschlossen. Nachdem die zweite Glockenform mit Bronze gefüllt war, wurde der Kanal zur dritten Glockenform geöffnet.

Diese Form ist die zweite Glocke für Neukalen. Sie hat den Schlagton gis1, einen Durchmesser von ca. 103 cm und ein Gewicht von ca. 700kg. Ihre Inschrift lautet: „Auf meinen lieben Gott trau ich in Angst und Not." Nach ca. drei Minuten war auch diese Form gefüllt.

Es folgte nun nach der gleichen Weise der Guss der Glocke für die Wallfahrtsbasilika Vierzehn Heiligen in Bad Staffelstein, sowie die Glocke A, die große Glocke, die Glocke C und die Glocke D für die Kirchgemeinde Hagenow.

Als letztes wurde die große Glocke fis1 für Neukalen mit einem Durchmesser von ca. 113 cm und ca. 900kg Gewicht. Ihre Inschrift lautet: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erde." Alle drei Neukalener Glocken tragen zudem das Christusmonogram mit Alpha und Omega.

Während des ganzen Gussvorganges herrschte absolute Ruhe im Publikum. Man hörte nur die leisen Ansagen von Albert Bachert an seine Mitarbeiter zum Öffnen und Verschließen der Kanäle sowie das Plätschern und Knistern und manchmal ein Gluckern der flüssigen Bronze, wenn die Glockenform fast vollgelaufen war. Und was man spüren konnte, war die Spannung der Zuschauer und die Hitze der glühenden flüssigen Bronze.

Nach etwa 45 Minuten wurden von den Mitarbeitern die Zangen, Eisenstangen und Blechbehälter beiseite geräumt und Herr Bachert verkündete, dass der Glockenguss beendet sei und alle Formen gefüllt sind. „Der Guss ist bilderbuchmäßig verlaufen. Wir sind in guter Erwartung, das wenn wir die Glocken auspacken auch gute Glocken herauskommen. Letzt endlich weiß man das aber erst, wenn man sie das erste Mal anschlägt. Wir wollen nun Gott danken, dass alles gut gelaufen ist und niemand zu Schaden kam." Er übergab das Wort wieder an den Pastor Robatzek: 

 

Pastor: Lasset uns beten zu unserem Schöpfer und Herrn:

Für diese Glockengießerei und ihre Mitarbeiter:

Schenke ihnen Deinen Segen.

Gemeinde: Wir bitten Dich, erhöre uns.

Pastor: Für alle Menschen, die diese Glocken geplant und die Mittel dafür aufgebracht haben:

Erfülle sie mit Freude an diesem Werk.

Gemeinde: Wir bitten Dich, erhöre uns.

Pastor: Für die Gemeinden Neukalen und Hagenow und die Gemeinde bei Bamberg, für die diese Glocken gegossen wurden und denen diese Glocken dienen werden:

Lass sie wachsen im Glauben und der Liebe.

Gemeinde: Wir bitten Dich, erhöre uns.

Pastor: Für alle, die der Ruf dieser Glocken erreichen wird:

Rühre sie an mit deinem Geist und mache ihr Herz offen für Dich und für ihre Mitmenschen.

Gemeinde: Wir bitten Dich, erhöre uns.

Pastor: Lasset uns beten mit den Worten, die Jesus Christus uns gelehrt hat.

Gemeinde: Vater unser im Himmel,

geheiligt werde Dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute,

und vergib uns unsre Schuld,

wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn Dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen.

Pastor: Herr, komm unserem Handeln durch Deine Gnade zuvor und begleite es mit Deiner Hilfe. Gib, dass all unser Beten und Tun von Dir ausgehe und durch Dich gelinge.

Darum bitten wir Dich durch Christus, unseren Herrn.

Gemeinde: Amen.

 

Als Ausklang des Glockengusses sangen die Anwesenden, begleitet von Posaunenspielern aus der Kirchgemeinde Hagenow, das Lied „Großer Gott wir loben Dich".

Im Anschluss bedankte sich Frau Bachert für die wunderbare Begleitung beim Glockenguss. Es war nun noch Zeit Fragen an Herrn und Frau Bachert zu stellen, diese wurde alle ausführlich beantwortet.

 

Ob der Glockenguss gelungen ist, wird sich erst in einigen Wochen zeigen, wenn die Glocken von ihrer Form befreit sind und vom Glockensachverständigen geprüft worden sind.

Es war ein bewegender Moment, bei einem solchen Ereignis dabei sein zu dürfen. Dabei zu sein, wenn Glocken entstehen die wahrscheinlich die nächsten 400 bis 500 Jahre erklingen werden.

 

Glockenguss am 23.8.2019 (1)

 

Glockenguss am 23.8.2019 (2)

Glockenguss am 23.8.2019 in der Glockengießerei Bachert in Neunkirchen / Baden

 

Ankunft der neuen Bronzeglocken am 7. November 2019 (1)

 

Ankunft der neuen Bronzeglocken am 7. November 2019 (2)

Ankunft der neuen Bronzeglocken am 7. November 2019