Eine Radtour von Neukalen nach Dargun
(ca. 25 km)
Manfred A. F. Becker
"Der Wind hat mir ein Lied erzählt" - hier erzählt er ganze Geschichten für den, der seinem Rauschen lauschen kann. Er erzählt von Wiesen, Äcker, Moore, Buchen- und Nadelwälder - sie formten die abwechslungsreiche Schönheit der Landschaft, die wir auf dieser Tour erleben können. Neben diesem naturkundlichen Aspekt kommt der kulturhistorische nicht zu kurz, zeigt die Tour doch auch das Wirken klösterlichen Lebens im Mittelalter.
Ausgangsort ist der Sportboothafen in Neukalen. Der Hafen wurde im Zuge des Ausbaus – Begradigung der Peene 1866 angelegt. Ziel der Begradigung war der Transport von Massenumschlagsgütern wie Zuckerrüben und Kartoffel zu den Verarbeitungsbetrieben nach Malchin, Demmin, Stettin usw. Als Rücksendung wurden oft Rübenschnitzel, Düngemittel und Kohle geordert.
Über die kleine Fußgängerbrücke fahren wir rechts in den Warsower Weg. Vorbei an vielen Kleingärten kommen wir nach 1 km zur Bungalowsiedlung "Alter Sportplatz". Die Asphaltstraße verläuft entlang des Waldsaums der "Judentannen" nach Warsow. In diesem Wald befindet sich der frühere Friedhof der jüdischen Gemeinde der Stadt. Er wurde nach 1765 angelegt und bis 1938 genutzt.
2 km: Am Waldesrand erreichen wir einen Beobachtungsturm. Von hier aus hat man einen weiten Blick in das Naturschutzgebiet "Moorwiesen". Im Hintergrund blinkt der Kummerower See. Kraniche und Kiebitze, aber auch Rehwild sind fast immer zu sehen. Im vorderen, höher gelegenen Teil werden die Flächen als Viehweiden, nahe dem See als Feuchtwiesen, genutzt. Diese Wiesen gehören zu dem größten Flußtalmoor Europas und sind fast 100 km lang. Nach weiteren 500 m erreichen wir die Ortschaft Warsow.
3 km: Warsow liegt etwa drei Kilometer nordöstlich von Neukalen. Das ehemalige Bauerndorf wird in einer Urkunde vom 4. April 1232 erstmals erwähnt. Die Wohnhäuser sind recht weitläufig über die Feldmark verteilt. In den Jahren 1829 bis 1831 wurden elf Büdnereien am östlichen Dorfrand, am Weg zu den "Judentannen" errichtet. Büdner sind Dorfbewohner, die nur eine kleine Feld- und Viehwirtschaft betrieben. Um der Auswanderung entgegenzuwirken, erließ der Herzog für das Domanium 1820 eine Verordnung zur Ansetzung von Büdnern. Damit ein Büdner überleben konnte, war er neben seiner kleinen Landwirtschaft auf einen Nebenverdienst als Handwerker wie Schneider, Weber, Schmied, Rademacher, Maurer angewiesen, oder er war als Arbeitsmann beim Bauern, auf dem Gut oder in der Forst tätig.
Vorbei an den rechts stehenden Häusern gelangen wir in den Wald. Auf der Weide rechts vor dem Wald sind sehr häufig Kranichgruppen, bestehend aus bis zu 60 Vögel, zu beobachten. Es sind "Junggesellentrupps". Kraniche werden im 4. Jahr geschlechtsreif und sammeln sich bis dahin in solchen Gemeinschaften.
In den Wald eintauchend fällt eine Steinsetzung, bestehend aus sechs beschrifteten Granitsteinen auf. Sie erinnert an verdienstvolle Forstarbeiter. Den ausgezeichneten Waldweg folgend, fahren wir durch ein stark kuppiertes Gelände. Der Buchenwald ist relativ naturnahe, d. h. hier wachsen neben einschlagsreifen alten Bäumen auch junge. Über einen Feldweg erreichen wir das Dorf Kützerhof.
7 km: Der Ort Kützerhof wird 1173 in einer Urkunde des Klosters Dargun zum ersten Mal erwähnt. Der Name könnte vom slawischen Wort "Cuse" stammen und Nachkommen des Cusa bedeuten, evtl. aber auch von "Kuca", was als Hüttenort zu übersetzen wäre.
Von hier kann man einen Abstecher zur "Aalbude" machen. Durch eine riesige Moorrenaturierungsfläche (Große Rosin) kommt man nach fast 2 km zur Ausflugsgaststätte "Aalbude". Dieses Gebiet ist Rückzugsort für viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Kenner halten das Gebiet für den Geheimtipp, und die Stille und Beschaulichkeit bestätigen das in besonderer Weise. Die Wasser- und Schilfflächen werden insbesondere von vielen Vogelarten als Nahrungs-, Rast- und Brutgebiet genutzt. Neben verschiedenen Enten- und Taucherarten, Graureihern und Kormoranen können besonders See- und Fischadler häufig und in größerer Anzahl bei der Jagd beobachtet werden. Es ist ein wahres Paradies einheimischer Vogelarten. An der "Aalbude" ist auch ein Übersetzen mit der Fähre über die Peene möglich. Der Ort bildete früher eine strategisch wichtige Verbindung zwischen Mecklenburg und Pommern.
7,5 km: Nachdem wir ganz durch Kützerhof gefahren sind, biegen wir links ab in Richtung Dargun. Durch einen schönen Erlenbruchwald gelangen wir wieder in eine offene Landschaft – links ausgedehnte Ackerfluren (Grundmoräne) und rechts die weiten Niedermoorlandschaften, welche als Feuchtwiesen oder Viehweiden genutzt werden. Inmitten der Niederung, an einem Kanal gelegen, befindet sich ein Sportboothafen der Darguner Wassersportfreunde. Der Kanal mündet in die Peene. Jetzt taucht schon die Silhouette der Klosterruine Dargun auf. Unmittelbar vor Dargun befindet sich auf der rechten Seite eine Tierproduktionsanlage. Nun können wir schon die Klosteranlage und das ehemalige Schloss sehen. Wir erreichen die Anlage von der Rückseite.
12 km: Das Kloster Dargun prägte jahrhundertelang eine ganze Region. Bedeutung erlangte der Ort 1172 durch die Gründung eines Zisterzienserklosters mit Klosterkirche. Nach der Säkularisierung des Zisterzienserklosters im Jahre 1552 übernahmen die Fürsten zu Mecklenburg-Güstrow das Kloster und wandelten es in 200-jähriger Bauzeit in ein Schloss um. In den letzten Kriegstagen 1945 fielen Schloss und Klosterkirche einem Brand zum Opfer. Die Reste der Kloster- und Schlossanlage sind seit 1991 gesichert und saniert. Heute beherbergt der aufgebaute Torbereich des Schlosses die Stadtinformation, die Stadtbibliothek und einen Ausstellungsraum. In der Kloster- und Schlossanlage finden Konzerte und Festspiele statt. Im ehemaligen Gästehaus des Klosters wird in "Uns lütt Museum" ein Querschnitt aus der Regionalgeschichte gezeigt. In der Brauerei der Mönche und im späteren Speicher lädt ein Bistro zum Verweilen ein. Im Schlosspark können Besucher auf historischen Spuren wandeln.
Der Altstadtkern der heutigen Stadt Dargun wurde behutsam saniert und bekam durch Grünanlagen und Vorgärten ein idyllisches Flair.
13 km: Nun müssen wir leider auf die viel befahrene Straße L 20 von Altbauhof in Richtung Neukalen.
13,5 km: Nach 500 m nehmen wir den Abzweig (Dargun Ausbau) rechts nach Wagun. Durch einen schönen Buchenwald fahrend erreichen wir den Ort Wagun.
Weg von Dargun nach Wagun
17 km: Wagun - ehemals ein herzoglicher Pachthof - ist erreicht.
Der frühere Pachthof in Wagun
17,5 km: Hinter Wagun geht es rechts auf eine Betonspurbahn nach Kämmerich. Jetzt dominieren weitläufig sanft gewellte Ackerflächen und Wiesen. Von Ackerflächen umgeben am Rande eines Sees gelegen erreichen wir Kämmerich. Der Ort wurde 1262 als Angerdorf angelegt. Das um 1902 erbaute einstöckige Gutshaus mit Zeltdach hat ein Kniestockgeschoss und einen Mittelresalit. Der Backsteinbau ist auf einem Feldsteinsockel errichtet worden. Seitlich ist dem Haus ein großer Anbau angefügt worden. In dem Gebäude werden Ferienwohnungen angeboten. Ein einstöckiges Wohnhaus mit Krüppelwalmdach, Fledermausgauben und Fensterläden in Weiß-Grün zeigt ein gutes Beispiel ländlicher Architektur und Geschmack zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
18 km: Durch den Ort fahrend erreichen wir nun die L 201, eine schöne Alleenstraße. Von hier aus hat man einen grandiosen Blick auf die Ausläufer der Mecklenburger Schweiz und das Urstromtal der Teterower Peene. In Richtung Neukalen fahrend erreichen wir die Ortschaft Schorrentin.
21 km: Ein Abstecher in das Dorf Schorrentin ist empfehlenswert. Wahrscheinlich fällt die Gründung mit dem Bau seiner Kirche in die Zeit zwischen 1230 und 1260. In der Kirche ist eine Übernachtungsmöglichkeit für Fahrradfahrer eingerichtet worden. Das Gutshaus von Schorrentin wurde um 1850 im Tudorstil errichtet und beherbergt heute eine Künstlerwerkstatt.
23 km: Bei der Weiterfahrt in Richtung Neukalen, zweigt eine Zufahrtsstraße nach Schönkamp ab. Dieser kleine Ort wurde ab 1756 als herzoglicher Pachthof mit Tagelöhnerkaten und Wirtschaftsgebäuden aufgebaut.
Vor uns liegt nun, in einem weiten Tal gelegen, Neukalen. Schon von weitem grüßt der gewaltige imposante Turm der im 14. Jahrh. erbauten Johanniskirche. Nach weiteren 2 km erreichen wir unseren Ausgangsort.
25 km: Neukalen wurde 1281 gegründet. Die Altstadt mit ihren Straßen und Gassen lässt noch die kreisförmige Siedlungsplanung erkennen. Sie ist eine typische Ackerbürgerstadt. Es ist ihr Flair, was diese Kleinstadt so liebenswürdig macht.
Das frühere Gutshaus in Schwarzenhof