Wolfgang Schimmel
So wie heute auch, hatten früher viele Einwohner Neukalens einen Spitznamen - damals sagte man Ökelnamen. Hier sollen nun einige aus vergangenen Zeiten genannt werden, um sie in ihrer Vielfalt für die Nachwelt zu erhalten.
Friedrich Brandt nannte man Ali. Zum Spediteur Karl Wilken (geb. 29.7.1888, gest. 21.7.1958; Bahnhofstr. 42) sagten die Neukalener Baker Wilken, da er als erster in Neukalen einen Bulldozer hatte, und dieser machte immer bak - bak - bak. Warum ein gewisser Schuldt Blücher genannt wurde, ist leider nicht mehr bekannt. Landwirt Heinrich Krüger (geb. 16.2.1903, Forsthof 14) hieß Bodderheiner: “Sien Mudder hett över Land Bodder und Eier upköfft!” Zum Kaufmann Becker sagte man Buffbecker. Da der Lehrer Hermann Westphal (geb. 2.3.1868, gest. 6.11.1931) sehr streng war, hieß er im Volksmund Bullenbieter. Schuster Hermann Krüger war als Dorlurup bekannt, weil er in Gesprächen häufig sagte: “Dor lur up” (da warte drauf). Dann gab es noch den Drahtknieper Remer. Warum er diesen Namen hatte, ist leider nicht mehr bekannt.
Jedes Jahr im Herbst zum Jahrmarkt kam der Besitzer Priesemann mit seinem von einem Pferd gezogenen Karussell nach Neukalen. Die Musik dazu wurde von einem Drehorgelspieler gemacht, den man deshalb Drulling Penzlin nannte. Ob er aus Neukalen stammte, weiß ich nicht. Herr Daewel, der am Markt wohnte, hatte eine Glocke an der Haustür. Immer wenn ein Besucher kam und die Glocke läutete, lief das Pferd des Karussells los - sehr zum Gaudium der Zuschauer. Im Herbst 1913 gab es den letzten Jahrmarkt in Neukalen.
Zum Zimmermann Carl Burmeister (geb. 30.3.1892, gest. 24.8.1946; Ludwig - Jahn - Straße 4) sagte man Eierburmeister, weil seine Frau Maria Burmeister, geb. Röpke nebenbei etwas Eierhandel betrieb. Fedder Busch (Ackersmann Ernst Busch, geb. 30.3.1841, gest. 1.8.1908) hatte seinen Namen wegen einer großen Feder, die er zum Schützenfest am Hut trug. Adolf Penzlin wurde Fluum Penzlin genannt, warum ist nicht mehr bekannt.
Schuster Wilhelm Sonntag (geb. 11.1.1866, gest. 1.10.1955) wohnte beim Ratmannsteich. Er wurde als Galoppschauster bezeichnet. An einem Tag lief er mit der Schubkarre hin und zurück nach Rostock, um dort Leder einzukaufen. Der Kaufmann Ernst Zingelmann in der Mühlenstraße neben Fehlhaber hieß Grelling Zingelmann. Gustav Fehlhaber war Gumminoors (Gummiarsch), weil er etwas dicklich war. Warum nun der Sattlermeister Otto Al-brecht (geb. 7.3.1885, Dargunerstraße 1) Hackepummel genannt wurde, weiß heute niemand mehr. Ackerbürger Hans Schoknecht (geb. 17.9.1891, gest. 18.7.1973) wurde als Hanning Dull bezeichnet. Wahrscheinlich arbeitete er sehr viel und machte wenig Pausen. Die drei Brüder Kabel unterschied man in Eierkabel, Kohlenkabel und Bahnkabel.
In dem vorletzten Haus auf der rechten Seite in Richtung Malchin wohnte der Maurer Ernst Holst (geb. 1.9.1869, gest. 30.12.1944), genannt Kaker Holst. Als er sein Haus erbaute, errichtete man auch gerade das sogenannte Stadthaus schräg gegenüber. Nachts und am Sonntag klaute er dort Steine und Zement. Wenn er beim Klauen von Baumaterial erwischt wurde, sagte er immer: “Na, wenn´t nich sin´ sall, lat ick dat äben liggen”. An seinem Haus hatte er eine Inschrift angebracht: “Ich hab´s gebaut nach meinem Sinn. Wer´s besser baut, baut´s anders hin”. Das hatte man ihm nachts verbessert in: “Ich hab´s geklaut nach meinem Sinn. Wer´s besser klaut, baut´s anders hin”.
Weil er sehr klein war, nannte man den Kaufmann Willy Bragenheim (geb. 8.5.1888) Kacker Bragenheim.
Klattenpüker Georg Lagemann (geb. 21.5. 1876, gest. 4.10.1941; Chausseestraße 17) war eigentlich Tuchhändler. Er kaufte aber auch Schafwolle auf dem Lande auf. Am Schmelzbach hinter seinem Haus pükte er die Klatten (im Schafspelz hängende Dreckklumpen) heraus. Tischler Schmidt in der Bahnhofstraße hatte den passenden Namen Kliesterschmidt (Kleisterschmidt) bekommen. Herr Lange vom Forsthof trug den Klingelbeutel in der Kirche umher und war deshalb Klingbütel - Lange. Nach einer lustigen Begebenheit (siehe die Geschichte “Dei Kloppfisch” im Jahresheft des Heimatverein 1994) hieß Gustav Rahn Kloppfisch.
Zum Landwirt Reuter sagte man Kluten Grütt. Da sein Urgroßvater Knopfmacher war, hieß auch sein Enkel Knöper - Ahrens. Der Spitzname von Fritz Burmeister war König Bell. Schustermeister Grass war Leif Gott (lieber Gott), weil er immer wieder mal “leif Gott” sagte. Dr. Richard Rademacher wurde - wohl anerkennend gedacht - Löwenherz genannt. Der Gastwirt Lohrbas Georg Kähler (geb. 6.5.1857, gest. 15.5.1900) ging einmal die Rohrplage entlang. Beim Platz “Schätterhagen” traf er auf die Tochter eines Schusters namens Luise, die schielte. Er sagte zu ihr: “Fräulein, Sie haben ein Loch im Strumpf.” Darauf sieht sich das Mädchen um: “Und Sie haben eins im Noors!” Weil Wilhelm Westphal etwas klein geraten war, nannten ihn alle treffend Lütt Willing.
Die Lehrerin Marie Radöhl (geb. 12.12. 1883) zog beim Gehen das eine Bein etwas nach, man nannte sie Mieken Schees. Friseur Struck am Markt bekam seinen Spitznamen Moorkönig, nachdem er beim Schießen zum Königschuß im Gartsbruch in´s Moor gefallen war. Schnell lief er nach Hause. Seine Frau war Schneiderin. Sie wusch die Sachen und bügelte sie trocken, damit er am Nachmittag wieder in´s Gartsbruch gehen konnte.
Maurermeister Hermann Lange (geb. 4.9. 1888; Bahnhofstraße 25) hieß Mürker - Lange. Ein gewisser Knaack wurde Mummelpatscher gerufen. Musch - Gültzow sät up de Bänk. Spinner Benduhn kümmt vörbi. Dor deit Musch - Gültzow so, as wenn hei Spinnwäben wegfägen deit. Dei anner begrippt dei Anspälung und seggt: “Ick heww hüt Morgen fägt, öwer dat süht all wedder muschig ut!” Fritz Ladwig nannte man Nahmiddagspreister (Nachmittagspriester), weil er um 1900 den Vikar von Jettchenshof am Nachmittag zur Kirche gefahren hat.
Ackersmann Gustav Krüger (geb. 15.10. 1892) und auch seinen Sohn Emil nannte man Pannkauken Kräuger (Pfannkuchen Krüger). Seinen Namen soll Gustav Krüger nach folgender Begebenheit erhalten haben: Als er einmal mit Beschwerden zum Arzt in die Sprechstunde kam, fragte Dr. Rademacher in Hinsicht auf seine Leibesfülle, was er denn so gerne ißt. “Pfannkuchen”, war die Antwort. “Und wieviel ißt du am Tag davon?” “Na, so zehn Stück vielleicht”, meinte Krüger. “Ab sofort ißt du höchstens noch zwei am Tag!” Mit diesen Worten entließ ihn Dr. Rademacher. Zu Hause sagte Krüger zu seiner Frau, daß er nur noch zwei Pfannkuchen am Tag essen darf. Seine Frau mußte ab sofort eine größere Pfanne nehmen und riesengroße Pfannkuchen backen. So hatte er den Wunsch des Arztes erfüllt und aß wirklich nur zwei Pfannkuchen am Tag, die allerdings im Durchmesser drei- bis viermal so groß wie bisher waren. Einmal harr´n sick Teter Gess und Pannkauken Kräuger up de Strat in de Hooren hatt. Door kickt Fru Gess ut de Dör und röppt: “Päuling, kam rin, hüt´ Mittag giwwt dat Pannkauken”. Dor säd Krüger: “Öwer weck mit Eselsuhren!”
Stadtsekretär August Kähler (geb. 3.1.1862, gest. 23.3.1946; Dargunerstraße 3) war als Papst von Rom in Neukalen bekannt, weil er in “Rom” - volkstümlicher Name für die Dargunerstraße - wohnte und nebenbei zahlreiche Ämter in der Schützenzunft, Feuerwehr, Gesangverein usw. bekleidete. Der Kaufmann Rudolf Mamerow (geb. 4.8.1862, gest. 11.5.1933) wurde Plummbüdel genannt. Er hatte auf seinem Ladentisch einen Beutel mit Backpflaumen liegen, die er an Kinder verteilte, welche zum Einkaufen kamen. Über Plummbüdel sind zahlreiche lustige Geschichten überliefert (siehe Jahresheft 1995 und 1996).
Bäcker Rudolf Grambow am Markt (geb. 29.4.1893) hieß zur Unterscheidung zum Bäcker Erich Grambow Püschenbäcker (Pantoffelbäcker). Der Name Purter für den Musiker Carl Kottke kam wohl daher, weil er die Tuba blies. Gärtner Friedrich Becker war der Rosenbecker. Warum man zu einem gewissen Herrn Seemann Ruupenschieter (Raupenscheißer) sagte, ist nicht mehr bekannt.
Sempmaker (Senfmacher) hieß der Schuhmacher Hermann Krüger (geb. 24.8.1865, gest. 17.10.1940; Rohrplage 29) nach einem besonderen Vorfall. Etwa 1915 saß er mit anderen hinten in der sogenannten “Hölle” beim Kaufmann Mamerow. Bier und Köhm wurde ausreichend ausgeschenkt. Als Hermann Krüger zur Toilette mußte, hieß es: “Lat em nich ruter”. Man ließ ihn nicht von der Eckcouch hinter dem Tisch hervor, so daß er sich schließlich in die Hose machte.
Es gab in Neukalen auch noch einen Spinner Benduhn, der wohl in seinen Erzählungen nicht immer bei der Wahrheit blieb. Weil er so gern und wohl auch etwas gierig einen trank, nannte man jemanden Störtebecker - Lange. Arbeiter Willy Hacker (geb. 16.5.1897) war oft besoffen und hieß Supen - Hacker (Saufen - Hacker). Wenn er dann mit seiner Schubkarre durch die Stadt fuhr und Fische verkaufen wollte, rief er: “Himmelblaue Bickbeeren - grüne Heringe” oder auch: “Halt juch Plötz un Bors; wecker mi kein afköfft, lickt mi am Nors”.
Viehhändler Ernst Lückstädt (geb. 3.8.1879, gest. 29.12.1932) hieß Türk, weil er einmal Geschichten aus der Türkei erzählt hatte. Den Teil der Bahnhofstraße zwischen dem Denkmal 1870/71 und dem Bahnhofsgebäude nannte man früher Hypothekenberg. Als erster errichtete hier um 1910 der Töpfer Robert Schulz ein Haus auf Hypothek (Bahnhofstraße Nr. 40) . Danach baute Ernst Lückstädt, genannt Türk (Bahnhofstraße Nr. 42). Seine Mutter sagte in Anspielung auf seinen Spitznamen: “Mein Sohn baut sich eine türkische Moschee”. Deshalb hieß das Haus später “türkische Moschee”. Das Haus schräg gegenüber (Nr. 25) erbaute Malermeister Franz Buck. Seine Frau war sehr anspruchsvoll und wollte etwas besonderes haben. Das Haus mit seinen Eckchen und Türmchen wurde im Volksmund deshalb “Katholische Kirche” genannt. Dagegen war das Haus von Maurermeister Robert Hopp (Bahnhofstraße Nr. 19) “de Hütt”.
Als der Schuhmacher August Stein 1926 das Haus Dargunerstraße 15 errichtete, wurde auch ein Brunnen gebohrt. Man mußte sehr tief gehen, da kein Wasser zu bekommen war. Türk Ernst Lückstädt kommt vorbei: “Dat´s öwer deip!” Da sagte Gaeth aus Jux zu ihm: “Ernst, dor kannst dörchkieken bet nah de Türkei”. Lückstädt ging verärgert weg.