Ludwig Kreutzer
Stadt Neukalen, den 08.04.2022
Für alle in nah und fern, die nicht unser Heimatblatt, den Malchiner Generalanzeiger nicht lesen können, hier unser neuster Beitrag! Nehmt euch die Zeit und viel Spaß beim Lesen.
Wir haben etwas gutzumachen
Ein großer Sohn der plattdeutschen Literatur ist zwar kein Sohn der Stadt Neukalen, er hat hier aber die letzten Jahre seines schaffensreichen Lebens verbracht. Am Tag der Erscheinung dieser Zeitung ist auch der 120.Todestag dieses Volksschriftstellers. Am 9. April 1902 verstarb in Neukalen Ludwig Kreutzer, bei dessen verdienter Darstellung bzw. Einordnung die Stadt eindeutig Nachholbedarf hat, denn sein Schaffen und Wirken ist leider in Vergessenheit geraten. Als vor einiger Zeit Herr Wolfgang Brockmann aus Berlin, ein Urenkel Ludwig Kreutzers, in unserer Stadt nach Spuren seines Großvaters suchte, musste er leider enttäuscht feststellen, dass nichts mehr über seinen Vorfahren bekannt war. Dieser Artikel soll ein kleiner Anfang sein. Vielleicht wäre dies ja mal ein Projekt für Schüler aus Neukalen.
Ludwig Kreutzer erblickte am 12. Februar 1833 in Dömitz als Sohn des Schulmeisters und Organisten Fritz Kreutzer und seiner Ehefrau Caroline, geb. Rodaß, das Licht der Welt. Nach einer kaufmännischen Lehre in Boizenburg besuchte er zwei Jahre lang das Lehrerseminar in Ludwigslust und wurde danach 1857 als Lehrer in Parchim, 1860 in Ludwigslust und 1868 in Zehlendorf bei Güstrow angestellt. Hier veranstaltete er Schultheateraufführungen, schrieb kleine Geschichten, Laienspiele und Verse, meist in plattdeutscher Sprache. Seine Geschichten wurden in billigen Ausgaben gedruckt und fanden so weite Verbreitung in der Bevölkerung. Ludwig Kreutzer war um 1900 ein recht bekannter Verfasser vieler kleiner Geschichten. Bekannt wurde er durch seine "Plattdütschen Sülverabendknäp" und "10 mecklenburgische Volkserzählungen".
Ab 1864 gab Kreutzer bei Hinstorff den „Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschen und Mecklenburg-Strelitzschen Kalender“, allgemein nur „Voß- und Haaskalender“ genannt, heraus. Ein seinerzeit sehr beliebtes Medium mit einem sehr hohen Verbreitungsgrad.
1895 erblindete er und zog zu seiner Tochter nach Neukalen in die Malchiner Straße 7, heute Straße des Friedens. Seine Geschichten diktierte er von nun an seiner Ehefrau Johanna, geb. Hahn.
Im Jahr 1898 gab es eine ganz besondere Anekdote, in deren Hintergrund auch eine Gemeinsamkeit zum allseits bekannten Fritz Reuter (1810-1874) zum Vorschein kommt. Im schon erwähnten Kalender schrieb Kreutzer:
„Dat Johr 1848 füng in Nikalen all 1845 an, as sei ehren Börgermeister wegjagten. Un as de Franzosen dat hürten, nehmen sei ’n Ogenspeigel doran un jagten achtunviertig ehren König Lurwig Philipp weg. Un dunn was de Larm in’n Swung. Dor was kein Stadt so grot un kein Dörp so lütt, dei nich ok wat wehjagen wull’n. Blot Düwitz (Dömitz) wier in grote Verlegenheit un wüsst nich, wat dat wegjagen sull. Ein’n Börgermeister hadden de Düwitzer nich.“
Ja, die Nationalstaatsgründung mit Verfassung war 1848 gescheitert. Die Neukalener hatten gegen ihren Bürgermeister revoltiert und Christian Friederich Wilhelm Görbitz entfernt. Er wurde am 20.6.1845 von aufgebrachten Einwohnern gewaltsam auf einer Schubkarre aus die Stadt gebracht.
Recht hatte er, bemerkenswert der satirische Schwenk hin zu den Franzosen. Aber wie kam er in diesem Zusammenhang auf seine Geburtsstadt? Dömitz hatte zu dem Zeitpunkt, als seine Geschichte einsetzt, wirklich keinen Bürgermeister. Am 27. Mai 1848 war Christian Vogel (1790-1854) von seinem Bürgermeisteramt zurückgetreten. Nicht ganz freiwillig. Das ist eine sehr interessante Geschichte. Da geht es um den fast Fenstersturz von Dömnitz, ähnlich dem Prager Fenstersturz vom 23.5.1618. Den erlebte am 27. Mai 1848 fast Christian Vogel (1790-1854), er war gerade Bürgermeister und sein “Volk“ rebellierte und trieb ihn quasi in die “Enge“. Das würde hier aber zu weit führen.
Bei jenem Vogel namens Christian ging in den Jahren seiner “Festungstid“ jener Reuter ein und aus.
Christian Vogel, seit 1825 Nachfolger seines Vaters als Bürgermeister und seit 1826 Stadtrichter, lebte noch bis zu seinem Tode als Advokat in Dömitz. In seinem Haus verkehrte 1839/40 auch Fritz Reuter. Es ist bemerkenswert, dass der Vertreter der Obrigkeit, der gestrenge Bürgermeister Vogel, diesen „merkwürdigen Staatsgefangenen“, wie die Schriftstellerin Elisabeth Albrecht (1874-1956) Reuter titulierte, gestattete, in seinem Haus ein- und auszugehen und dabei malte er ihn natürlich auch. Dass Fritz Reuter sich schon als Schüler in Friedland und Parchim im Zeichnen und Malen versuchte, ist bekannt. Während seiner Haft in Preußen porträtierte er Mitgefangene und Angehörige des Wachpersonals. Das tat er auch in Dömitz. Der Festungskommandant nebst Familie wurde mit Stift und Pinsel festgehalten, auch die Ehefrau des Stabskapitäns Heinrich von Winter. Reuter tat aber noch mehr. Die Lyrikerin Clara Förster (1853-1931) erzählte einst, dass ihr Vater zu jenen Dömitzer Jungen gehörte, die durch Fritz Reuter Zeichenunterricht bekamen. Einige dieser Bilder befinden sich im Fritz-Reuter Museum in Stavenhagen.
Wer mehr Interesse zu diesem Thema oder auch zum Fenstersturz hat, geht bitte zu folgender Quelle: https://www.svz.de/16157336 ©2022
Am 9. April 1902 verstarb Ludwig Kreutzer mit 69 Jahren an einem Nierenleiden. Er wurde in Neukalen auf dem Friedhof beigesetzt. Seine Witwe, Johanna Sophie Mathilde Kreutzer, geb. Hahn, verstarb am 1. Februar 1913 im Alter von 75 Jahren in Neukalen. Die einzige Tochter war mit dem Sohn des Schäfers Johann Brockmann verheiratet. Sie hatte mehrere Kinder und verließ später Neukalen. Es ist bedauernswert, dass seine Grabstätte auf dem Neukalener Friedhof heute nicht mehr vorhanden ist.
2 Jahre nach seinem Tod brachte Wilhelm Schmidt 1904 einen Sammelband mit Werken von Kreutzer heraus. Dort heißt es im Vorwort:
„Wenn heute die besten Namen unter den Volkserzählern genannt werden, dann wird Ludwig Kreutzer gewiss nicht mehr vergessen. Manche seiner größeren Erzählungen sind weit über die Grenzen unseres engeren Vaterlandes hinaus verbreitet. Die von dem Dichter verfassten zahlreichen Theaterstücke haben schon sehr vielen durch ihren humorvollen Dialog und ihre spaßigen Situationen an festlichen Familien- oder Vereinsabenden köstliche Stunden bereitet. Am liebsten ist uns aber der Dichter in seinen kleinen Erzählungen. Gerade in diesen weht am deutlichsten der gesunde Odem heimatlicher Erde. Nach Form und Inhalt sind sie naturwahr, einfach, gesund, voll gelassenen trockenen Humors, aber auch voll echter Frömmigkeit und voll Liebe zu Fürst und Vaterland, und mit Recht rühmt man ihnen nach, dass sie sich fernhalten von aufdringlichen Tendenzen, die den künstlerischen Genuss stören. Darum wurden diese kleinen Geschichten auch von Anfang an sehr gerne gelesen, und der Dichter ist der großen Mehrzahl in unserem Volke bekannter als selbst Fritz Reuter. Alle Jahre war er jahrzehntelang mit seinen Kalendergeschichten bei mehr als Hunderttausenden ein gern gesehener Gast, in Schloss und Hütte.“
Heute ist sein 120.Todestag und vielleicht derBeginn dafür, dieser Persönlichkeit in Neukalen ein verdienten Platz zu geben. Wir werden dies vorantreiben und unterstützen.
Wie bei so fast allen was mit der Geschichte der Stadt Neukalen zu tun hat, geht auch hier ein ganz großes Dankeschön an Wolfgang Schimmel, auf dessen Grundlagen dieser Text entstanden ist.
Danke für die Aufmerksamkeit
Bild zur Meldung: Ludwig Kreutzer
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