Stadtmusikant bläst zum Angriff auf Radio-Gedudel
Über den deutschen Schlager lässt sich super streiten. Die einen schwören auf diese Musik, andere können sie nicht ertragen. Für beide Seiten gibt es auch in der Region Anhänger, die wir im neuen Thema der Woche vorstellen. So gibt es jetzt von Neukalen aus für die Programm-Verantwortlichen tüchtig was auf die Ohren.
Diesen Auftritt wird Günter Plagens so schnell nicht vergessen: Mit seinen Neukalener Stadtmusikanten spielte er bei der Volkssolidarität in Malchin vor 48 Senioren. Als er dann zwischen den Volksmusik- Melodien in die Runde fragte, wer denn diese nervigen englischen Titel im Radio versteht, habe sich eine einzige Frau gemeldet. Eine gegen 47. In manchem Altenheim, in dem die Neukalener schon für Stimmung gesorgt haben, seien die Bewohner schon richtig wütend gewesen über dieses Yeah, Yeah, Yeah, was da nur noch im Radio zu hören ist, und das sich anhört, „als ob da ein Wolfsrudel heult oder einer Katze der Schwanz eingeklemmt wird“, wie es Plagens empfindet. Für ihn steht fest: 33,7 Prozent der Einwohner im Land sind Rentner – und für die wird fast gar keine Musik gemacht. Zumindest, wenn die Neukalener Stadtmusikanten nicht gerade in der Nähe sind. Das Feindbild ist klar umrissen: Das MV-Programm vom Norddeutschen Rundfunk hat Plagens ins Visier genommen. Und er hat Mitstreiter. In der Bürger-Initiative mit dem ziemlich umständlichen Namen „Für ein besseres NDR 1 Radio MV mit wesentlich mehr deutschsprachiger Musik und zur Bewahrung der deutschen Muttersprache“ ist der Neukalener Ex-Bürgermeister inzwischen der Vize-Vorsitzende. Und jetzt bläst Günter Plagens zum Musik-Aufstand in der Region. Unterschriftenlisten hat er etwa in Malchin und Dargun ausgelegt. Doch anders als auf Rügen oder in Anklam, wo bereits Tausende Unterschriften zusammengekommen sein sollen, läuft die Aktion in der Mecklenburgischen Schweiz nur sehr schleppend an. „Einige haben Angst, dass ihnen etwas passiert“, erklärt Plagens die Zurückhaltung. Zumindest aber in den Rathäusern scheint man verstanden zu haben, dass es so mit der Musik nicht mehr weitergehen kann. Sämtliche Stadt-Bürgermeister der Region hätten auf seine Bitte, den Feldzug gegen die englischen Titel zu unterstützen, inzwischen reagiert. Jörg Lange in Malchin zum Beispiel – bekannt für sein Trompetenspiel – unterstützt das Anliegen der Bürger-Initiative. Schon allein, weil die älteren Mitbürger doch überhaupt nicht die Möglichkeit hatten, Englisch zu lernen, wie Lange schreibt. Selbst Thoralf Gehrke, Chef der Volkssolidarität Aldema – das ist kein ausländischer Schlager, sondern die Abkürzung für Altentreptow, Demmin, Malchin – stimmt in den Abgesang auf den englischen Beat mit ein. Einer schert allerdings aus. Darguns Bürgermeister Karl- Heinz Graupmann glaubt doch tatsächlich, auch andere Stimmen gehört zu haben, die da sogar noch mehr englische Titel im Radio hören wollen. Unerhört. Plagens ist überzeugt, dass die älteren Wähler den Darguner Rathaus-Chef dafür schon bei der nächsten Wahl abstrafen werden. Da der NDR mit seiner gewohnten Beschallung weitermacht, könnte sich der Protest noch zuspitzen. Man könne ja auch mal nach Schwerin fahren und die Verantwortlichen aus ihrem Glaskasten holen, droht Plagens schon einmal an. Es gebe sogar schon Leute, die bereit seien, keinen Rundfunkbeitrag mehr zu bezahlen. Ist das denn erlaubt? Na ja, meint der Neukalener. Man müsse doch auch mal prüfen, inwieweit unverständliche Titel vielleicht sogar gesundheitsschädigend seien.
Quelle: Nordkurier
Von Torsten Bengelsdorf
Bild zur Meldung: Günter Plagens (rechts) in seinem Element. Von den Auftritten der Neukalener Stadtmusikanten glaubt er genau zu wissen, was die ältere Generation hören will. NK-BILDMONTAGE MIT FOTOS: ECKHARD KRUSE UND SONY CORPORATION/DPA